Protokoll einer Gewalttat

Die Mutter des Vergewaltigungsopfers Jyoti Singh
Der ORF zeigt die Doku über einen Vergewaltigungsfall in Indien als deutschsprachige Erstausstrahlung.

Leslee Udwins Dokumentationsfilm "Tochter Indiens – Das Protokoll einer Vergewaltigung" über die letztlich tödliche Gruppenvergewaltigung einer Studentin in Delhi sollte am Internationalen Frauentag am 8. März in Indien gezeigt werden. Die Ausstrahlung des Films auf dem Subkontinent wurde jedoch kurzerhand von einem Gericht untersagt. Der Film verfolge die Absicht, dem Ansehen des Landes in der Welt zu schaden, so das Argument eines Ministers. Filmemacherin Leslee Udwin spricht dagegen von willkürlicher Zensur. Der indische Fernsehsender, auf dem die Doku hätte laufen sollen, zeigte stattdessen aus Protest eine Stunde lang einen leeren Bildschirm.

Zum Weltfrauentag zeigt "kreuz und quer" morgen, Dienstag um 22.35 Uhr auf ORF2 den Film als deutschsprachige Erstausstrahlung.

Symbol

Die Geschichte ist grausam und bedrückend: Im Dezember 2012 wurde die 23-jährige Medizinstudentin Jyoti Singh im indischen Delhi von sechs Männern brutal vergewaltigt und so ungeheuerlich misshandelt, dass sie zwei Wochen später ihren schweren inneren Verletzungen erlag. Ein Vorfall, der trotz seines tödlichen Ausgangs wenig Aufsehen hätte erregen können. Denn in Indien – so die Statistik – wird alle 20 Minuten eine Frau zum Opfer einer Vergewaltigung.

Als "Tochter Indiens" wurde Jyoti Singh zum Symbol für den Kampf gegen Ungleichheit und die Unterdrückung von Menschen, deren "Makel" ihr Geschlecht ist. Neben Gesprächen mit den Eltern zeigt die Doku die Mentalität der männlich dominierten Gesellschaft: Die Filmemacherin konnte mit einem der Täter sprechen – das Interview sorgte in Indien schon im Vorfeld für große Aufregung – und lässt auch weitere Vertreter jener Geisteshaltung zu Wort kommen, die solch eine Tat erst möglich gemacht hat.

Weil er die Dokumentation über die tödliche Gruppenvergewaltigung nicht ausstrahlen durfte, hat der indische Fernsehsender NDTV eine Stunde lang einen leeren Bildschirm gezeigt. Anstelle von "India's Daughter" sah man am Sonntagabend ein schwarzes Bild mit einem flackernden Licht im Hintergrund.

Ein Gericht hatte die Ausstrahlung des Films der britischen Dokumentarfilmerin Leslee Udwin am Dienstag verboten. Zur Begründung erklärten die Richter, der "anstößige" Film zeige ein "sehr umstrittenes Interview" mit einem zum Tode verurteilten Vergewaltiger und bedrohe die öffentliche Ordnung. Innenminister Rajnath Singh verteidigte die Entscheidung und sagte, die Worte des Mannes seien "in hohem Maße herabwürdigend" und ein "Angriff auf die Würde der Frauen".

Die Entscheidung sorgte in Indien für große Empörung. NDTV äußerte sich zunächst nicht öffentlich zu dem Verbot. Vor der Protestaktion am Sonntagabend erklärte Chefredakteurin Sonia Singh im Kurzbotschaftsdienst Twitter: "Wir werden nicht schreien, aber wir werden gehört werden."

Weltweite Empörung

Die Vergewaltigung einer 23-jährigen Studentin hatte Ende 2012 weltweit für Empörung gesorgt. Die junge Frau war vor den Augen eines Freundes von einer Gruppe Männer in einem Bus in Neu Delhi so brutal misshandelt worden, dass sie knapp zwei Wochen später ihren Verletzungen erlag. Das schockierende Verbrechen hatte auch eine landesweite Debatte über Gewalt gegen Frauen ausgelöst, die zu einer Verschärfung der Gesetze führte.

In dem Dokumentarfilm kommt einer der Vergewaltiger ausführlich zu Wort. In dem im Gefängnis geführten, verstörenden Interview gibt er dem Opfer die Schuld an der Tat. Eine Frau sei "weitaus mehr verantwortlich für eine Vergewaltigung" als ein Mann. Die Studentin hätte "nicht abends um 21.00 Uhr herumstreunen" sollen. Nach Angaben von Regisseurin Udwin zeigte der Mann "nicht eine Sekunde lang Reue". Der britische Rundfunksender BBC zeigte den Film aus Protest gegen das Verbot in Indien bereits am Mittwoch.

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