Gerhard Roth liest die Stadt

Bei den Wachsfiguren im Josephinum: „Fürs Leben gemacht, damit sich Ärzte zurechtfinden“
Dreiteiler begleitet den Schriftsteller durch das übersehene, vergessene, unbekannte Wien.

Der in Graz aufgewachsene Schriftsteller Gerhard Roth liebt Wien. Immer mehr liebt er Wien.

Seit 30 Jahren geht er neugierig durch die Stadt und sucht das Übersehene, das Vergessene, das Unbekannte. Dass er einst mitunter Böses gefunden hat, war nicht beabsichtigt. Aber wichtig (die Zustände in der Rossauer Kaserne, im Flüchtlingslager Traiskirchen, das Naziraubgut in der Nationalbibliothek, die Kriegslügen im Heeresgeschichtlichen Museum ...).

Dadurch, dass er darüber geschrieben hat, ist einiges gesünder geworden im Land.

Es herrscht mehr Klarheit.

Gerhard Roth liest die Stadt. Die Stadt öffnete sich ihm wie ein Buch. Die Gebäude und Orte, die er besucht hat und die er nun wieder besucht, haben in dem heute 71-Jährigen ihren Archäologen gefunden.

Ab heute, 20.15 Uhr, ist ServusTV sein Begleiter, wenn Roth zu den lichtabgewandten Seiten zurückkehrt.

Genauer: Es ist die Regisseurin und zweifache ROMY-Preisträgerin Elisabeth Scharang, die sich mit ihm „Die Stadt“ anschaut.

Doppelter Boden

Ein Dreiteiler für die Reihe „Faszination Heimat“, produziert von der Wiener Rilk Film, die für „Universum“- und „Newton“-Dokumentationen bekannt ist.

Elisabeth Scharang hat bei den wochenlangen Dreharbeiten in „ihrer“ Stadt, in der sie seit 40 Jahren lebt, „einen doppelten Boden entdeckt. Das war berührend und auch beängstigend. Und macht den Film für mich zu einem persönlichen Abenteuer.“

Gerhard Roth sieht anders als die meisten. Im Uhrenmuseum stellt er fest, dass die Zeit „zerhackt“ bzw. „ausgependelt“ wird. Im Josephinum der Medizinischen Universität entdeckt er in den Augen der Wachsfiguren den Blick Außerirdischer, die sich wundern, wo sie hingeraten sind.

Auch in voll gekritzelten Telefonzellen findet er das Besondere. Und auf dem Friedhof der Namenlosen nimmt er das Grab eines Neugeborenen unter die Lupe, der in einer Schuhschachtel angeschwemmt wurde. Der Friedhofsgärtner schrieb den Namen „Sepperl“ aufs Kreuz.

Das ergibt Streifzüge, bei denen man sich selbst verlieren kann. Der zweite Teil wird am 17. Jänner gesendet, der dritte Teil am 24. Jänner.

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