"MTV hätte iTunes sein können"

Ray Cokes: in den 90ern der „verrückte Onkel“ und das Gesicht von MTV
Interview: Moderatorenlegende Ray Cokes hat ein Buch über sein "Most Wanted Life" geschrieben.

Nicht nur seine Fernsehshow hieß „Most Wanted“. Ray Cokes hatte auch einen der meistbegehrten Jobs in der Branche. Die größten Stars aus Rock und Pop waren von 1992 bis 1995 bei ihm zu Gast, er und seine Crew genossen größtmögliche Narrenfreiheit. Bis zu 60 Millionen Zuseher hatte die europaweit gesendete Show auf MTV.

In seiner soeben erschienen Autobiografie schreibt der 56-jährige Brite nicht nur über die goldene Ära des Musiksenders, als bei Partys Schalen voll Kokain zur freien Entnahme standen. Er berichtet unterhaltsam von seinen guten und dunklen Zeiten mit Sex, Drugs & Videogames, sowie über den Niedergang des Musikfernsehens.

"MTV hätte iTunes sein können"
Ray Cokes
„Die Dinge haben sich geändert“, sagt Cokes beim KURIER-Interview in Wien. „Musik wurde entwertet. Du bekommst sie online gratis. Die Plattenfirmen haben die Kontrolle verloren, das Internet hat übernommen.“
MTVhabe das versäumt. „Sie hätten iTunes, YouTube oder Spotify sein können. Es ist wie bei den Plattenfirmen. Sie dachten: Wir haben die Macht und das Geld. Was soll schon passieren?“

Was passiert ist: MTV als europaweite Fernsehstation gibt es nicht mehr. Cokes: „Okay, sie sind noch im Internet, aber sie nützen es nicht richtig. Es wirkt wie eine TV-Show, aber, hey, das ist Online, macht etwas anderes!“

Auch wenn er als Juror bei „Belgium’s Got Talent“ noch präsent ist, fühlt sich Cokes in der Fernsehwelt nicht mehr zu Hause. Shows wie „The Voice“ sieht er als „Karaoke für Leute, die zehn Minuten berühmt sein wollen. Ich denke aber an Persönlichkeiten, die was zu sagen haben. Musik hatte einmal verändernde Kraft. Aber das ist vorbei.“

Stars und Chaos

Was Cokes an „Most Wanted“ schätzte: „Wir hatten Superstars, exklusive Sachen wie das neue Madonna-Video, Telefonate mit Bono. Aber keiner von uns nahm das total ernst, wir hatten einfach Spaß! Wir gaben den Zusehern Zutritt. Fernsehen wurde hier nicht einfach übertragen, es war bei dir.“

Heute sei im Fernsehen das Format König, meint er. „Wenn ich eine Showidee mit Bands, Spielen und Interaktion vorstelle, heißt es: ,Wo ist das Format? Können wir es in 25 Länder verkaufen?‘“ Unterhaltungsshows seien für Kids gemacht, „aber was ist mit der Generation über dreißig?“ fragt er. „Die MTV-Seher von damals sind immer noch Musik- und Filmfans, nutzen die neuesten Geräte. Aber niemand bedient sie, außer Netflix mit seinen Serien. Ich hoffe noch immer, dass sich wieder jemand an chaotische Unterhaltungssformen heranwagt“.

Im Internet sei dies noch möglich. Daher will Cokes nächsten Sommer, 20 Jahre nach dem Ende von „Most Wanted“, online eine Jubiläumstour präsentieren, finanziert über Sponsoren oder Crowdfunding. „Es wird passieren“, sagt er lachend, „solange ich nicht fünf Millionen Twitter-Nachrichten bekomme wie: ,Dein Buch ist Müll, verzieh dich doch wieder in dein Loch ...!‘“

KURIER: Wie fühlt es sich an, als Buchautor aufzutreten?

Ray Cokes: Es ist seltsam. Zum ersten Mal promote ich etwas eigenes, keine Show oder einen Fernsehsender.

Wie sind Sie an das Buch herangegangen?
Ich hatte vorher keine Ahnung, wie man so etwas schreibt. Ich entschied mich dazu, kein Buch über MTV oder über die Musik der Neunziger zu schreiben, sondern ein Buch über mich. Daher überlegte ich, wieviel ich mit der Öffentlichkeit teilen sollte. Alles oder gar nichts. Es musste irgendwo dazwischen sein. Würde ich gar nichts über meine persönlichen Gefühle oder Fehler preisgeben, wäre es ziemlich langweilig: „Aha, er war bei MTV und hat viele Stars getroffen“. Ich wollte aber auch kein Skandalbuch im Stil der Bild-Zeitung schreiben und über die Stars auspacken.

Wie ging es Ihnen beim Schreiben?
Es war das schwierigste, das ich in dreißig Jahren im Geschäft gemacht habe. Es war wie eine Therapie. Du blickst zurück, denkst über deine Lebensentscheidungen nach. Normalerweise holt man sich für so etwas professionelle Hilfe, ich hatte aber keinen Therapeuten an meiner Seite. (lacht)

Sie schreiben sehr offenherzig, über Sex, Drugs & Videogames, könnte man sagen. Im Vorwort bitten Sie Ihre Eltern, nicht weiterzulesen. Warum?
Wir haben im Leben drei, vier Leute, die einem sehr nahe sind und die sehr viel über dich wissen. Ich hoffe wirklich, dass meine Mutter nach der ersten Seite aufhört zu lesen. Mein Vater wird es schon lesen, wird aber das meiste nicht wahrhaben wollen. Ich höre ihn schon sagen: "Das stimmt alles nicht, all die Geschichten hast du dir nur ausgedacht".

Mit welchen Reaktionen rechnen Sie darüber hinaus?
Du musst dir da eine Mauer aufbauen, wenn die Twitter-Kommentare kommen. Es ist nur ein Buch, das verändert nicht die Welt. Es ist auch kein Pulitzerpreisverdächtiger Roman. Es ist nur ein Buch von einem Typen aus dem Fernsehen. Das darf man nicht aus dem Auge verlieren.

Sie galten immer als der lustige Kerl von MTV . . .
An den Beginn des Buchs habe ich ein Zitat des Dichters Robert Burns gestellt. Für mich sagt es aus: Die Wahrnehmung, die andere von dir haben, ist meistens nicht die die, die du selbst hast. Ja, ich bin positiv, optimistisch, lustig. Wir Briten sehen auch in einer Tragödie das Lustige, das liegt uns im Blut. Ich sage immer: Tragt keine Maske. Weil die Maske irgendwann fällt. Ich war auch im Fernsehen immer ich selbst, nur mit der Lautstärke auf zehn.

Werden die Leute überrascht sein, dass Sie hier auch dunklere Seiten offenbaren?
Wir entschieden, dass das ein interessantes Narrativ wäre. Du warst an der Spitze, ein Fernsehstar. Und dann fällst du. Nicht, weil mich irgendwer abgeschossen hätte, sondern weil ich mich selbst abgeschossen hab. Es folgten dunklere Zeiten, Jahre des Durcheinanders. Und dann kam ich trotzdem zurück, natürlich nie in die Position, die ich davor hatte, weil sich das Fernsehen verändert hatte. Ich wusste, diesen Ray wird es nicht mehr geben. Dabei vermisste ich weniger den Ruhm oder das Geld, sondern den Kontakt zu einem europaweiten Publikum. Damit hatte ich schon zu kämpfen. Aber während ich das Buch schrieb, machte ich meinen Frieden damit. Ich dachte: Ich hab' das alles bereits gemacht in meinem Leben, das kann mir keiner mehr wegnehmen. Zu den jungen Moderatoren sage ich immer: Den Fuß in die Tür zu bekommen ist relativ leicht. Im Gebäude drin zu bleiben, das ist das Schwierige. Es gibt immer einen jüngeren, schnelleren, der einen ersetzen kann und wird. Glaube auch nie an den eigenen Hype. Es kommt bei jedem eine Zeit, wo er nicht an der Spitze ist. Aber diese dunklen Zeiten, auch wenn sie unangenehm sind, prägen dich erst als Mensch. Viele Schauspieler und Musiker machen das durch. Das formt den Charakter.

"Hört auf, eure Handys hochzuhalten und mitzufilmen!

Sie waren neun Jahre lang an der Spitze, bei MTV, man nannte es die Goldene Ära des Musikfernsehens. Warum ist diese Zeit der großen Musiksender zu Ende gegangen?
Der offensichtliche Grund ist: Die Dinge haben sich geändert. Musik wurde entwertet. Du bekommst sie online gratis. Es gibt auch nicht mehr die Gelegenheit, als Musiker über mehrere Alben hinweg zu wachsen. Wenn du nicht gleich einen Hit landest, lässt dich die Plattenfirma sofort fallen. Die Plattenfirmen haben die Kontrolle über das Business verloren, das Internet hat übernommen. Was das Fernsehen betrifft: MTV als europaweite Fernsehstation existiert nicht mehr. Okay, sie sind noch im Internet, aber sie nützen es nicht richtig. Es wirkt wie eine TV-Show, aber, hey, das ist Online, macht etwas anderes!

Welche Fehler wurden damals gemacht?
Sie haben sich selbst erledigt. Als ich noch an Bord war, war bereits die Rede davon: Wir müssen regionaler werden. Wir machen MTV Deutschland, MTV Skandinavien, MTV UK und kein MTV Europe mehr. Ich sagte, wenn ihr das macht, dann bleibe ich sicher nicht. Der Grund, warum wir das machen, ist der internationale Anspruch. Aber die Bosse sagten: "Nein, die Leute wollen das Nationale. Sie wollen die Bands aus ihren Ländern." Ich sagte: "Was ihr und eure Shareholder in den USA wirklich wollt, ist maßgeschneiderte Werbung für jedes Land." Es ging also nur ums Geld.

Und das Internet?
Bevor ich MTV verließ, bestand das Internet hauptsächlich aus Emails und der Download von Bildern dauerte noch zehn Stunden. Man wusste aber, das wird noch spannend werden. Aber MTV hat das versäumt. Sie hätten iTunes, Youtube oder Spotify sein können. Es ist wie bei den Plattenfirmen. Sie dachten: Wir haben die Macht und das Geld. Was soll schon passieren? Die Plattenfirmen verloren die Kontrolle und so ging es auch MTV. Dabei hätten sie ihre Marke als Onlinequelle für Musik behalten und ausbauen können. Vielleicht nicht bei der ganz jungen Generation. Meine Nichten und Neffen würden niemals eine Woche warten, bis sie das exklusive neue Michael-Jackson-Video sehen können. Sie wollen es sofort! Alles hat sich verändert, nicht nur die Industrie. Die Kids nützen alle möglichen Screens, abseits von den großen TV-Serien auf Netflix, kreieren sie selbst die Momente, die sie sehen wollen. Aber was mich am meisten frustriert als älterer Kerl, bei Konzerten würde ich am liebsten laut schreien: "Hört auf, eure Handys hochzuhalten und mitzufilmen! Lebt es, fühlt es, lasst euch doch mitreißen und spielt verrückt! Steht nicht bloß herum und postet es auf Facebook. Ihr verpasst doch alles." Die Welt hat sich verändert.

"Wir waren ein Haufen von Leuten, ohne Geld, ohne Budget"

"Most Wanted" war ein Riesenerfolg, bis zu 60 Millionen haben die Show verfolgt. Was waren die Zutaten, die das so groß gemacht haben?
Eigentlich hab ich damals nie viel darüber nachgedacht. Es gab kein Konzept, kein Format. Es war einfach eine Liveshow, in der Bands gespielt haben und ein paar Videos gelaufen sind. Und die Anrufe von Fans, die würden natürlich alles ändern. Damals erschien dieser fünfseitige Spiegel-Artikel, in dem ein seriöser Journalist schrieb: Diese Show dekonstruiert Fernsehen, entmystifiziert es. Ich dachte: Tun wir das? Wir sind doch nur ein Haufen von Leuten, die kein Geld, kein Budget haben und damit das meiste herausholen und daran Spaß haben wie Studenten. Ich produziere Müll, mache meine Späße, aber auf der anderen Seite haben wir Radiohead und Weltstars wie Arnold Schwarzenegger zu Gast.

Wie haben die Stars das damals angenommen?
Ich denke, die meisten Bands wussten gar nicht, was sie machen sollten. Sie waren es gewohnt in den Fernsehshows einfach einen Song zu spielen und in den Talkshows wurden sie nur mit ernsten Fragen konfrontiert. Und da waren plötzlich wir mit unseren dummen Fragen, wir spielten mit ihnen, verarschten sie auch zum Teil. Wir behandelten sie eben nicht wie Götter. Und das machte es aus. Es war Fernsehen zum Anfassen.

Das Tolle an „Most Wanted“ war: Wir hatten Superstars, exklusive Sachen wie das neue Madonna-Video, Telefonate mit Bono. Aber keiner von uns nahm das total ernst, wir hatten einfach Spaß! Wir gaben den Zusehern Zutritt, über Faxe, Briefe und Anrufe. Es war kein Fernsehen, das einfach nur übertragen wurde, es war bei dir.

Und welche Rolle haben Sie dabei gespielt?
Die Teenager sahen mich wohl als den frechen Onkel, weil ich älter war als die anderen bei MTV. Der verrückte Onkel, vor dem einen die Eltern immer schon gewarnt haben. Weil der immer mit dem Sportwagen kommt und zuviel raucht. (lacht) Manche Mädels sahen mich vielleicht als den älteren Bruder, den sie nicht hatten.

Wie sehen Sie das heutige Musikfernsehen?
Heute ist das einzige, was Musikfernsehen in Großbritannien zu bieten hat „Later … with Jools Holland“ bei der BBC. Sehr schöne Bilder, fantastischer Sound. Oder sie zeigen das Glastonbury Festival live. Aber für mich wirkt das wie ein Museum, wo du den schönsten Diamanten hinter Glas siehst. Du kannst es nicht anfassen, fühlen.

Könnte man heute eine Show mit diesem spontanen, experimentellen Zugang starten?
Nein, das ist unmöglich. Ich habe es probiert. Ich hatte nicht nur ein Mal Konflikte mit Fernsehverantwortlichen, weil ich Musik zurück ins Fernsehen bringen wollte. Das hat niemanden interessiert. Sie sagten: Wir haben ja Musik im Fernsehen, „The Voice“ zum Beispiel. Aber das ist Karaoke für Leute, die zehn Minuten berühmt sein wollen. Ich dachte aber an echte Musik, echte Bands, Persönlichkeiten, die wirklich etwas zu sagen haben. Musik hatte einmal eine verändernde Kraft, konnte für revolutionäre Zwecke eingesetzt werden. Aber das ist vorbei. Wenn ich eine Showidee mit Bands, Spielen und Interaktion vorstelle, heißt es: ,Wo ist das Format? Können wir es in 25 Länder verkaufen?‘ Können wir mit den Anrufern Geld verdienen?'

Wie sehen Sie generell die Entwicklungen im Fernsehen?
Was in den letzten zehn, fünfzehn Jahren passiert ist: Das Format ist jetzt König. Solange du als Präsentator in die Kamera sprechen kannst und dem Script folgst, hast du einen Job. Ich als Profi, kann zwar auf jede Situation reagieren, die entsteht, aber ich möchte nicht in ein Format gepresst werden. Aber darum geht es heutzutage. Kennst du eine Kochshow, kennst du 5.000 Kochshows. Sie drehen nur ein bisschen an der selben Formel. Wenn sie eine Tanzshow haben, sagen sie: Jetzt machen wir dieselbe Tanzshow, nur mit unbekannten Personen. Da ist nichts Originäres mehr.
Im Internet wäre das noch möglich. Aber dort regieren Youtube und Google. Und die interessieren sich mehr für sechzehnjährige Mädchen, die einem anderen Mädchen beim Schminken zusehen. Das kann 20 Millionen Klicks bringen. Oder junge Spaßvögel, die mit ihren Kumpels in ihrem Zimmer hocken und sich Mehl über ihren Kopf schütten – 40 Millionen Klicks.
Aber was ist mit der Generation über dreißig? Ich bin 56. Als mein Vater 56 war, wirkte er wie ein uralter Mann auf mich. Hatte keine Ahnung von moderner Technik oder aktueller Musik. Die MTV-Seher von damals sind immer noch Musikfans, Filmfans, nutzen die neuesten Geräte und das Internet. Aber niemand bedient sie im Fernsehen, außer Netflix mit seinen Serien. Die Unterhaltungsshows sind nicht für uns gemacht. Sie sind für Kids, die voten wollen. Ich hoffe noch immer, dass sich etwas Revolutionäres in der Gesellschaft abspielen könnte, dass sich im Fernsehen wieder jemand an chaotische, freie Unterhaltungsformen heranwagt. Aber die Chancen sind nicht sehr groß.

"Ich hätte nicht geglaubt, dass Robbie das überlebt"

Eine der bekanntesten Szenen aus "Most Wanted" war, als Robbie Williams seinen nackten Hintern zeigte. Damals war er noch bei Take That. War es für Sie damals klar, dass er der nächste Superstar werden könnte?
Nein, ich kannte ihn damals vielleicht eineinhalb Jahre, ich war so etwas wie der ältere Bruder für ihn. Ich wusste, ihn welchen Schwierigkeiten er war, mit Alkohol und Kokain. Und das in einem äußerst kontrollierten Umfeld, in dieser Marketingmaschinerie waren Alkohol, Drogen und Freundinnen kein Thema. Ich habe versucht ihm Ratschläge zu geben. Ich sagte: "Es ist nicht notwendig, dass du eine Flasche Whisky trinkst, kein Gramm Koks, Robbie. Rauch doch einen Joint, trink ein Glas Wein." Aber er schaffte das nicht, er kämpfte mit seiner suchtaffinen Persönlichkeit, was niemand wissen durfte. Aber er sagte mir damals schon im Vertrauen, er wolle Take That als erster verlassen. Mein Bauchgefühl war, er würde nicht besonders alt werden. Weil er zu mir sagte: Ich werde jung sterben.

Haben Sie versucht, auf ihn einzuwirken?
Als älterer Bruder sorgst du dich natürlich um deinen jüngeren Bruder. Er hatte einmal zu viel Koks erwischt, auf der Titelseite der Sun sah man ihn in einer Hotellobby liegen, sein Gesicht mit Schaum vollgesprüht von Leuten, mit denen er getrunken hatte. Er war wirklich in großen Schwierigkeiten.
Als ich die ersten Demos für ein Solo-Album hörte, sagte ich: Da hatte jemand eine gute Idee, brachte einen guten Songwriter mit. Das sind gute Songs. Das könnte was werden. Wenn du clean bleibst, dich unter Kontrolle hast. Er wurde dicker, noch verrückter. Da dachte ich wirklich: Er wird sich verlieren.
Dann wechselte er das Management, den Songwriter, nahm die Sache ernster, nahm wieder ab, und er ging alles wirklich schnell an. Damals wurde ich von ihm ferngehalten, sein Management und seine Plattenfirma steckten dahinter. Der Grund war, wie mir jemand in den USA erzählt hatte, dass ich einen Teil seiner Vergangenheit repräsentierte. Nicht, weil ich ihm etwa Drogen gegeben hätte, das hab ich nicht getan, sondern weil man seine gesamte Vergangenheit von ihm fernhalten wollte. Das betraf auch sein gesamtes Umfeld. Sie gaben ihm einen neuen Platz.
So ist das Business. In einem Moment bist du ein Nichts, eine Minute später der größte Superstar. Aber ich hätte nicht daran geglaubt. Ich dachte nicht, dass er das überleben wird.

Sie haben auf einem Wiener Label 2007 einen Song veröffentlicht und waren später Gast in der Talentshow "Helden von Morgen". Was halten Sie von der Wiener Musikszene?
Die kenne ich nicht wirklich. Der Produzent fragt mich aber immer wieder, ob ich etwas mit ihm machen wolle. Ich liebe die Stadt, ich mag den Vibe hier. Er meint, wir sollten mit dem Songwriter von Morrissey etwas machen. Aber ich sehe mich nicht unbedingt als Sänger. Auch nicht als DJ. Manche meinen, ich sollte Shows mit den Hits der Neunziger machen, weil ich mich da perfekt auskenne. Aber ich hatte einmal ein Erlebnis in Brüssel, vor 10.000 Leuten, da legte ich plötzlich die falsche Platte auf und alle hörten auf zu tanzen. Das war erschreckend! Ich erstarrte. Das ist wirklich ein harter Job, außerdem muss man die Nächte durch machen, das ist nichts für mein Alter! Man braucht fünf Tage, um sich von so einer Nacht zu erholen. (lacht)

Würden Sie gern mit einer eigenen Fernsehshow zurückkehren?
Ich hab ja immer wieder was in Belgien gemacht, auch Liveshows in Deutschland, ich liebe den Kontakt zum Publikum. Da ist auch kein Boss oder Sponsor, der sagt: Das darfst du nicht machen! Ich bin auch Juror bei „Belgium‘s Got Talent“, weil es mir Spaß macht. Ich hoffe sehr, dass das Buch für einige Leute wenigstens ein bisschen interessant ist. Nostalgie ist eine große Sache für Leute über vierzig. "Most Wanted" scheint für viele eine Herzensangelegenheit zu sein, etwas, woran sie sich gerne erinnern. Ich hoffe, dass ich das mit dem Buch eingelöst habe. Nächstes Jahr ist es 20 Jahre her, dass die Show gestorben ist. Daher halte ich es für sinnvoll, eine Reunion-Tour zu machen. Ich habe mit allen Leuten von damals gesprochen, den Kameraleuten, der ganzen Crew. Wollt ihr es noch einmal machen? Zehn Termine? Und alle sagten: Yeah!
Also das ist mein Plan. Es zurückzubringen. Aber nicht im Fernsehen, sondern im Internet. Live, in ganz Europa.

Also quasi ein "Most Wanted Reloaded"?
Genau das! (lacht)

Gibt es schon Termine?
Ich will es Anfang Sommer, vielleicht im Juni, machen und schreibe bereits daran. Es geht jetzt vor allem darum, dass jetzt alles schnell geschieht. Ich brauche ein paar Bands, The Cure, The Prodigy und andere. Die Frage ist: Mache ich es mit einem Sponsor, oder mache ich es mit Crowdfunding? Bei einem Sponsor hat man halt immer das Problem, dass man nicht komplett frei agieren kann.
Aber es wird passieren. Solange ich nicht fünf Millionen negative Tweets bekomme, wie: ‚Dein Buch ist einfach nur ein Haufen Müll, verzieh dich doch wieder in dein Loch ...! (lacht)

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