Prozess um Abhöraffäre mit Unterhaltungswert

Was in der britischen Klatschpresse steht, hat für den Leser bisweilen hohen Unterhaltungswert - unter bewusster Vernachlässigung des Wahrheitsgehalts. Was im Prozess über die Machenschaften der britischen Klatschpresse vor dem Zentralen Strafgerichtshof Old Bailey in London derzeit ans Tageslicht kommt, hat ebenfalls hohen Unterhaltungswert. Der Unterschied: Es dürfte stimmen.
Besser als Klatschspalten
Schon nach drei Tagen Beweisaufnahme waren die Schlagzeilen in der Prozessberichterstattung so, wie sie kaum ein Yellow-Press-Newsroom hätte erfinden können: Prinz William hat sich im Bikini als Bond-Girl fotografieren lassen, Prinz Harry bettelte bei seinem Privatsekretär um Hilfe beim Schreiben eines Aufsatzes und die Hauptangeklagten in der ganzen Affäre hatten über sechs Jahre eine ebensolche auch miteinander - und zwar zu einer Zeit, in der sie jeweils gerade andere Partner heirateten. Die Engländer reiben sich schadenfroh die Hände und fragen sich: Was kommt denn noch alles ans Tageslicht?
Blamiert
Rebekah Brooks (45) und ihr gleichaltriger Ex-Freund, Ex-Kollege und Ex-Regierungssprecher Andy Coulson dürften durch die Enthüllung von Staatsanwalt Andrew Edis endgültig das Schicksal erleiden, das sie in ihrer Karriere als Boulevard-Journalisten zahlreichen anderen beschert hatten: Sie sind für ihr Leben blamiert.
Abhören "völlig normal"
Die ehemalige Super-Managerin Brooks, einst jüngste Chefredakteurin Großbritanniens, erste Frau am Ruder der " Sun" und Rupert Murdochs Statthalterin in Großbritannien, wird es schwer haben, ihre Unschuld zu beweisen. Das Abhören sei bei der von ihr verantworteten "News of the World" als "völlig normal, wenngleich absolut illegal" angesehen worden.
Genauso schwer - das haben die ersten Tage der Beweisaufnahme ergeben - dürfte es für Coulson werden, der 2007 wegen der Abhöraffäre als Chefredakteur des später eingestellten Revolverblattes "News of the World" zurücktreten musste, aber dennoch drei Jahre später von Premierminister David Cameron zum Regierungssprecher in der Downing Street gemacht wurde. Als die Affäre 2010 neu aufflammte, musste der gewiefte Spin-Doktor auch dort gehen.
Von der Staatsanwaltschaft an Land gezogene E-Mails von und an Coulson sprechen eine deutliche Sprache. Beispielsweise hatte Coulson angewiesen, Informanten aus dem Umfeld des Königshauses für illegal herausgegebene Telefonlisten nur in bar zu bezahlen. In einem E-Mail Coulsons an einen "News of the World"-Redakteur hieß es: "Do his phone!" (etwa: "Nimm dir sein Telefon vor!").
Offene Fragen
Die Verflechtung der britischen Politik in die Affäre ist eine der spannendsten offenen Fragen in dem Prozess, der noch ein halbes Jahr dauern soll. Cameron, der etwa bei den Geheimdienstenthüllungen von Edward Snowden gern die "Moral" im Journalismus einmahnt, war während der Anhörungen in Untersuchungsausschüssen bereits öffentlich vorgeführt worden.
Welch große Nähe den Premierminister mit Rebekah Brooks verband, hatten nicht nur seine Ausritte auf Brooks' Pferd, sondern auch SMS-Nachrichten offenbart, die der Staatsmann mit dem Kürzel "LOL" abrundete. Brooks, damals noch frohgemut, klärte ihn und die Welt vor laufenden Fernsehkameras auf, dass dies nicht wie von ihm vermutet "Lots of Love" bedeutet, sondern "Laughing out loud" (etwa: "Ich lach mich tot.").
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