Prantner: "Der Ausbau ist zum Nutzen aller"
Mittlerweile nutzen knapp 700.000 User pro Monat das On-Demand-Angebot. Dieses soll in Zukunft deutlich ausgebaut werden - zeitliche Schranken sollen ebenso fallen wie inhaltliche. Was für die Nutzer ein Zugewinn wäre, stößt den privaten Konkurrenten allerdings weiterhin sauer auf.
Die digitale On-Demand-Plattform des ORF feiert am 16. November ihr dreijähriges Bestehen. Seit die ORF TVthek im Jahr 2009 startete, ist die monatliche Nutzerzahl auf knapp 700.00 angestiegen. Das Sendungsangebot umfasst mittlerweile mehr als 130 ORF-Formate. Gleichzeitig gibt es auch eine Reihe von Live-Übertragungen, die mit der Zeit auf etwa 50 regelmäßige Streams angewachsen sind. Zu den bislang am stärksten aufgerufenen Sendungen des Online-Angebots zählten unter anderem die Society-Sendung Chili zum Thema Heinzl/Sido, die ZIB2 mit Studiogast HC Strache, die Castingshow "Die Große Chance" (in diversen Ausgaben) sowie die Hochzeit von William & Kate und das Begräbnis von Otto Habsburg.
In Zukunft soll die TVthek nun noch stärker ausgebaut werden, sowohl inhaltlich als auch, was in bestimmten Bereichen die zeitliche Beschränkung betrifft. "Inhaltlich geht es vor allem darum, dass wir etwa bei Sendungsformaten wie Universum oder Menschen und Mächte künftig nicht nur Eigenproduktionen, sondern auch Zugekauftes - etwa von der BBC - in der TVthek anbieten können", erklärt ORF-Onlinechef Thomas Prantner im Gespräch mit der futurezone. Auch der Bereich eines Archivs für Zeitgeschichte soll stark erweitert werden. Damit wolle man auch ein Angebot für Schulen schaffen, wo die Sendungen von bildungspolitischer Bedeutung sein sollen.
Während für die Archive ein Angebot ohne zeitliche Beschränkung angestrebt wird, stehe bei den restlichen Sendungen die Aufweichung der 7-Tagesfrist gar nicht an oberster Stelle der Prioritätenliste, sagt Prantner. "Wir beobachten, dass das Interesse bei den Abrufen nach ein bis zwei Tagen ohnehin gegen null tendiert." Was sich der ORF allerdings wünschen würde, wäre die Aufhebung der 24-Stundenfrist bei Premiumsportangeboten.
Vorverfahren läuft
Bereits im September hat der ORF der Regulierungsbehörde KommAustria einen "Vorschlag für Änderungen des Angebotskonzepts von TVthek.ORF.at" übermittelt. Damit läuft nun ein Vorverfahren zur Einleitung einer Auftragsvorprüfung. Erteilt die KommAustria ihre Genehmigung für die geplanten Änderungen, dann erst kann der ORF seine Erweiterungspläne umsetzen. Prantner rechnet auf Nachfrage der futurezone damit, dass sich die einzelnen Verfahrensschritte jedenfalls über mehrere Monate hinweg erstrecken werden. Mit der geplanten Umsetzung ist daher nicht vor Jahresmitte 2013 zu rechnen.
Technische Verbesserungen
Im Zuge der Erweiterung will man auch technisch nachbessern. Dabei gehe es um bessere Suchfunktionen, den Ausbau der Barrierefreiheit sowie allgemein eine Steigerung der Usability, so Prantner.
Die TVthek ist mittlerweile bereits auf vier verschiedenen Plattformen verfügbar: klassisch im Web, mobil als App über Smartphone und Tablet (iOS und Android), via Kabelangebot sowie als App integriert in Smart TVs. Vor allem die mobile App stieß zuletzt auf großen Zuspruch, so wurde diese im Rahmen des futurezone-Award von den Lesern zu besten App des Jahres 2012 gewählt. Künftig ist auch eine App für Windows 8 geplant, außerdem soll die TVthek über weitere heimische Kabelnetze und über HbbTV verfügbar gemacht werden.
Dass der mobile Bereich immer mehr an Stellenwert gewinnt, gilt auch in Bezug auf die TVthek. Laut jüngsten Zahlen des ORF erfolgten allein im Oktober 2012 17 Prozent aller Videoabrufe (2,35 Millionen) über mobile Endgeräte.
Kritik an geplanter Vermarktung
Während die Nutzer naturgemäß von jeder Erweiterung des Online-Angebots profitieren würden, sprechen sich die österreichischen Privatsender gegen den Ausbau der TVthek aus. Der gebührenfinanzierte ORF habe dadurch einen Wettbewerbsvorteil. Insbesondere der kürzlich eingebrachte Antrag auf Vermarktungsrechte für die TVthek wird heftig kritisiert.
"Es würden gebührenfinanzierte Fernseh-Inhalte ein zweites Mal über die TVthek werblich vermarktet. Die durch die Gebühren bewirkte Verzerrung des Wettbewerbs im Fernsehen wird somit auf einen weiteren Markt, auf dem die auf Werbeerlöse angewiesenen privaten Mitbewerber Entwicklungschancen hätten, ausgeweitet", kritisiert Ina Bauer, Leiterin des Bereichs Diversifikation beim Privatsender ATV, auf Nachfrage der futurezone. Mit den zu erwartenden Erlösen würde der ORF schlagartig eine marktdominante Stellung erlangen, so die Befürchtung. "Selbst wenn man mit den Überlegungen des ORF davon ausgeht, dass eine Vermarktung der TVThek zu einer Verlagerung von Werbeausgaben zu Bewegtbildwerbung bewirken würde, wäre damit ausschließlich dem ORF gedient", so Bauer weiter.
Etwas offener zeigt sich inzwischen der Verlegerverband VÖZ. Dieser stimmte dem Ansinnen nach Online-Werbung im Rahmen der TVthek mit Vorbehalt zu. So sollen Einnahmen aus der TVthek-Vermarktung nach Wunsch der Verleger daran gebunden werden, wiederum der Weiterentwicklung des Angebots zugute zu kommen. Darüber hinaus wollen die Zeitungen auch selbst von der TVthek profitieren, etwa indem Beiträge auch auf ihren eigenen Seiten zur Verfügung gestellt werden.
Widerstand
Bei den Privatsendern stößt indes aber auch der inhaltliche Ausbau der TVthek auf Widerstand. "Die inhaltliche Erweiterung um weitere mit Gebühren finanzierte Angebote von Kaufproduktionen und die Möglichkeit, die Inhalte länger als die im internationalen Rechtehandel üblichen sieben Tage bereitstellen zu können, wird die Marktposition der TVThek auf dem Sehermarkt und die bereits im Fernsehmarkt bestehende Wettbewerbsverzerrung im Online-Bereich weiter verstärken", sagt Bauer.
Auch direkte Konkurrenz zur eigenen Mediathek wird geortet. "So sind 90 Prozent der vermarkteten Videos auf ATV.at ebenfalls im TV ausgestrahlte Sendungen, mit der zusätzlichen Einschränkung, dass internationale Filme und Serien aus lizenzrechtlichen Gründen (Kosten) nicht gezeigt werden", so Bauer. Das bedeute, dass das Kerngeschäft die ATV-Eigenproduktionen seien. Sollte der ORF wie geplant all seine Ausbau-Wünsche umsetzen können, wolle man "jegliche Maßnahmen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten" ausschöpfen, um sich dagegen zu stellen, kündigt Bauer an.
Prantner tritt der Kritik allerdings gelassen gegenüber: "Jeder hat sein Videoportal. Dass wir das Angebot der TVthek ausbauen, ist zum Nutzen aller", sagt der ORF-Onlinechef. Immerhin gehe es darum, gemeinsam den gesamten österreichischen Markt für Online-Videoangebote auszubauen. "Es gibt keinen Grund, mit so massiver Ablehnung zu reagieren", sagt Prantner.
Social Media: "Kein Öl ins Feuer gießen"
Das derzeitige ORF-Gesetz schränkt die Web-Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Senders stark ein. Zuletzt war im Sommer dieses Jahres seitens der KommAustria etwa ein komplettes Facebook-Verbot ausgesprochen worden. Demnach hätten alle Fanseiten, aber auch Accounts auf Twitter, die begleitend zu ORF-Sendungen betrieben werden, eingestellt werden müssen. Nach einiger medialer wie öffentlicher Aufregung sowie intensiven Bemühungen seitens des ORF, der sich in dieser Causa an den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof wandte, wurden die Verbote vorerst aufgeschoben. Da es aber bisher keine endgültige Entscheidung in der Frage gibt, plane man derzeit auch keinerlei Einbindung von Facebook oder Twitter in das Angebot der ORF-TVthek, so Prantner. "Wir wollen hier kein Öl ins Feuer gießen, so lange es keine klare Regelung gibt."
Keine US-Serien
Dass es in Zukunft amerikanische Serien und Filme on Demand in der TVthek geben wird, ist laut Prantner auszuschließen. Selbst wenn dies vom ORF-Gesetz her erlaubt wäre, was es nicht ist, käme eine Bereitstellung online wohl einfach zu teuer. "Man müsste schließlich die Lizenzen für die Online-Verbreitung von den US-Sendern erwerben und das würde sehr teuer kommen", sagt Prantner. Die ORF-TVthek sei auch inhaltlich gar nicht dahingehend konzipiert, daher stelle der ORF in diese Richtung überhaupt keine Überlegungen an.
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