Österreichische Medientage: Medien neu erfinden

Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann SE, in Wien
Der wichtigste Treff der Medienbranche in Österreich ist am Wiener WU-Campus gestartet.

Die 21. Österreichischen Medientage haben begonnen. Bis Donnerstag, 18. September trifft sich die Medienbranche zum Gedankenaustausch. Erstmals findet dieser im von Zaha Hadid entworfenen "Learning Center" der WU statt.

Die einleitende Keynote hielt Bertelsmann-Vorstand Thomas Rabe, der ein nur zu bekanntes Thema adressierte: "Chancen und Herausforderungen eines internationalen Medienunternehmens im Zeitalter der Digitalisierung", lautete der Titel seines Vortrags. Der Medienmanager hat klare Vorstellungen davon, was für eine erfolgreiche Bewältigung der digitalen Transformation notwendig ist. "Kreativität und Innovation sind absolut essenziell."Neben der Konzentration auf eigene Stärken umfasse das auch "ein besseres technologisches Verständnis".

Natürlich sehe sich die Branche einer "sehr anstrengenden, aber auch hochspannenden Zeit" gegenüber - und nicht zuletzt neuen Mitbewerbern. Hinsichtlich des von Medienmanagern oft gescholtenen Google meinte Rabe, das US-Unternehmen verfüge definitiv über gute Produkte, "aber wenn man eine derartige Marktposition erlangt, muss man sich im Zweifel nach bestimmten Spielregeln richten". Besonders "fair search" sei in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema.

Spielregeln für Medien

Nicht nur in Richtung Google richtete Rabe einen anderen Einwurf: "Wir brauchen eine angemessene Regulierung des Geschäfts." Von einem funktionierenden Urheberrechtsschutz bis zur "Rekalibrierung des Rundfunks" und der Frage des Datenschutz reiche dabei die thematische Bandbreite. Grundsätzlich sieht Rabe die "Charakteristika digitaler Medien jenen der analogen in vielen Fällen überlegen".

Rabe sieht "entgegen aller Vermutungen kein Reichweitenproblem", rechne man Print und Digital zusammen. "Wir haben nur das Problem, das auch angemessen zu monetarisieren." Der Aufbau einer "Kostenlos-Kultur" sei ein Fehler gewesen. Diesbezüglich kann sich Rabe durchaus "eine Art Netflix" für Zeitschriften vorstellen. "Das ist aber nur als konzertierte Aktion aller Verlage möglich."

"Äpfel statt Apple"

Um das Themenfeld Regulierung und Medienförderung ging es auch im ersten Diskussions-Panel der Medientage. Kritik wurde vor allem an der Medienpolitik der Bundesregierung geübt. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz brachte es in die Kurzform "Äpfel sind wichtiger als Apple". Auf einen wirtschaftlichen Engpass durch die aktuellen Russland-Sanktionen werde sofort reagiert. Hingegen sei die Zukunft der Medien in der politischen Diskussion kaum präsent. Dabei handle es sich um "eine der wichtigsten Industrien des Landes".

Österreichische Medientage: Medien neu erfinden
VÖZ-Präsident und KURIER-Geschäftsführer Kralinger kritisierte das fehlende Verständnis in der Politik für die Auswirkungen der digitalen Entwicklung
Auch VÖZ-Präsident und KURIER-Geschäftsführer Thomas Kralinger ortet zu wenig Expertise in der Regierungspolitik. Man habe die Digitalisierung nicht im richtigen Ausmaß erkannt. "Ein hochwertiger Medienmarkt braucht aber Investment und Commitment, um seine Rolle als vierte Gewalt gewährleisten zu können".

Walter Ruck von der Wirtschaftskammer Wien plädierte für eine Aufhebung der Werbeabgabe, "sie bringt in der Einhebung wirklich wenig – weg damit".

Österreichische Medientage: Medien neu erfinden
Panel "Identität braucht Inhalte". Wien 16.09.2014
Wrabetz sieht eine Asymmetrie im Kartellrecht. Er skizzierte Österreich als "gallisches Dorf", in dem kartellrechtliche Probleme überbewertet würden, und die Global Players als "römisches Reich". Wenn etwa der Video-Streamingdienst Netflix dieser Tage in Österreich starte, "gibt es keinen Mucks vom Regulator".

Medienmanager Hans Mahr beklagte hingegen, dass seit Jahren immer die gleichen Themen diskutiert und beklagt würden: "Man nimmt uns nicht ernst – wir kommen nicht weiter". Es fehle auch in Deutschland an geeigneten Rahmenbedingungen, nicht nur in Österreich. Er forderte: "Weniger klagen, ein bisschen mehr machen", und zitierte den zurückgetretenen Vizekanzler Michael Spindelegger: "Entfesseln wir einmal die Kreativität."

Auch Bundesminister Josef Ostermayer (SPÖ) hätte heute an dieser Diskussion teilnehmen sollen. Ostermayer sagte aber kurzfristig ab. Grund sei die Erkrankung von Bundeskanzler Werner Faymann.

Kein Meinungspluralismus

Österreichische Medientage: Medien neu erfinden
APA20310906_16092014 - WIEN - ÖSTERREICH: Hans-Jörg Manstein, Manstein Verlag am Dienstag, 16. September 2014, im Rahmen der Österreichischen Medientage in Wien. FOTO: APA/HANS PUNZ
Zur Begrüßung hatte der Gastgeber, Hans-Jörgen Manstein, zwar einen Appell an die Politik, "in Sachen Medienförderung etwas zu tun", gerichtet. Er nahm aber vor allem die Medienmacher in die Pflicht. "Verleger müssen neue Wege gehen", sei deren größte Schwachstelle doch: "Sie sind zu oft Boxer mit Glaskinn: Gut im Austeilen, schlecht im Einstecken." Man könne zwar lange über die von der Politik bereitgestellten Rahmenbedingungen diskutieren, "am Ende des Tages werden Einzelmaßnahmen aber verpuffen".

"Es müssen Medien produziert werden, die gekauft werden. Nicht Medien, die um Presseförderung ansuchen können", unterstrich Manstein. Derzeit seien die einzelnen Titel "mehr oder weniger austauschbar", den viel bemühte Meinungspluralismus könne er nirgends erkennen. "Es kann daher dem Steuerzahler nur bedingt zugemutet werden, dass er Medien am Leben erhält."

Weiteres Programm

Am Nachmittag darf man dann auf den Vortrag der Gruner + Jahr-Vorstandsvorsitzenden Julia Jäkel gespannt sein, hat das deutsche Medienunternehmen doch jüngst mit einem harten Sparkurs für Schlagzeilen gesorgt.

Parallel dazu wird KURIER-Herausgeber Helmut Brandstätter an einer Diskussion über journalistische Ethik teilnehmen: "Wenn Journalismus und PR verschwimmen - ertrinken dann beide?"

Medien neu erfinden

Die Medientage wollen dieses Jahr Neuland betreten. "Re-Invent Media" lautet das Motto, wobei der Slogan nicht nur auf inhaltlicher Ebene zum Tragen kommt, sondern auch strukturell und organisatorisch Neues für den Kongress bedeutet.

Österreichische Medientage: Medien neu erfinden
Vom Euphoriker zum Skeptiker: Für Sascha Lobo ist das Internet „tot“
Thematisch wird bei den Diskussionen möglicherweise kein Stein der Medienwelt auf dem anderen bleiben, wie die Liste der Vortragenden verspricht. Einer wird der deutsche Blogger und Internet-Erklärer Sascha Lobo sein. Er war glühender Vorkämpfer des freien Netzzugangs und schwärmte von der neuen Demokratisierung des Wissens. Mittlerweile ist er Skeptiker und misstrauisch geworden. "Ich glaubte, das Internet sei das perfekte Medium der Demokratie, der Emanzipation, der Selbstbefreiung. Der Spähskandal und der Kontrollwahn der Konzerne haben alles geändert. Das Internet ist kaputt", erklärte er in einem Interview. Die Illusion der Freiheit ist der Realität der Überwachung und Spionage des Individuums gewichen. Lobo wird den Medienleuten bei dem Kongress erläutern, wieso aus seiner Sicht das Internet "kaputt" ist.

Chancen

Zu einem "Fernsehgipfel" kommt es am zweiten Tag, wenn sich Vertreter von ORF, Puls4 und Sky am Podium treffen und über "neue Player, neue Plattformen, neue Märkte" diskutieren. Ein insofern passend gewähltes Thema, als zur selben Zeit in Wien der US-Dienst Netflix Näheres über seinen Österreich-Start im Herbst bekannt geben wird.

Offenes Forum

Neu ist der Abschluss der Medientage am 18. September: Ein "Open Media Space" richtet sich als offenes Forum an junge Menschen, die sich für künftige Tätigkeiten in der Medien-, IT- und Kommunikationswirtschaft interessieren. Große Konzerne werden sich hier ebenso vorstellen wie aufblühende Start-ups, um über die Möglichkeiten in der Szene zu informieren und "übergreifende Netzwerke zu ermöglichen", wie es in einer Ankündigung heißt.

"Neue Wege" beschreitet auch das US-Unternehmen Google, teils sehr zum Leidwesen heimischer Medienschaffender, wie gerade bei vergangenen Medientagen deutlich zum Ausdruck gebracht wurde. Wie eine fruchtbare Zusammenarbeit aussehen könnte, soll ebenfalls am Abschlusstag deutlich werden. Am Mittwoch spricht Google-Manager Santiago de la Mora über die Veränderung unseres täglichen Lebens durch die technologische Entwicklung.

INFOS: Zum 21. Mal findet Österreichs größter Medienkongress statt. Veranstaltungsort ist von Dienstag bis Donnerstag das Library & Learning Center auf dem Campus der Wiener Wirtschaftsuniversität. Der dritte Tag ist für die Medien-, IT- und Kommunikationswirtschaft als offenes Forum gedacht.

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