Nach der "Großen Chance": Viel geschlafen hat er nicht

Thomas David mit dem Geldkoffer
Thomas David gewann überraschend die dritte Staffel der "Großen Chance". Aufregung gab es um Peter Rapps Integrationssager.

Thomas David ist nicht ganz ausgeschlafen. „Ich bin erst um sieben Uhr Früh ins Bett gekommen“, sagt der Sänger im KURIER-Gespräch am Tag nach seinem Sieg in der ORF-Talenteshow „Die große Chance“. Der 27-jährige Steirer überzeugte am Freitagabend das Publikum mit selbst geschriebenen Songs und setzte sich im finalen Televoting gegen das Trio Piller durch, eine Musikergruppe mit Geigen und Ziehharmonika. An den Sieg konnte er bis zuletzt nicht richtig glauben, „weil Trio Piller wahnsinnig gute Musiker sind. Ich bin trotzdem der Meinung, dass man mit der Stimme noch mehr zu den Herzen der Leute kommt. Vielleicht ist mir das zugutegekommen“.

Die Band Kaiser Franz Josef, der 8-jährige Ziehharmonika-Spieler Johannes Raupl und die Tänzer von Dance Industry waren davor bereits aus dem Rennen.

Der Sieg bringt Thomas David 100.000 Euro, die er zunächst in schlichte Vorhänge investieren will. „Jeder, der mich kennt, vor allem meine Nachbarn, weiß, dass das kein Scherz ist“. Der Singer/Songwriter hat aber auch größere Pläne. Den Job als Sozialbetreuer möchte er zugunsten der Musik aufgeben. Vor Weihnachten will er ein Album veröffentlichen.

Duell um Integration

Nach der "Großen Chance": Viel geschlafen hat er nicht
Thomas David Mitte) kann sich über den Gewinn von 100.000 Euro freuen kann. Weiters im Bild die Jury (v.li.n.re.): Peter Rapp, Zabine, Sido, Karina Sarkissova.
Der abschließende Zweikampf Davids mit dem Wiener Geschwister-Trio Piller mit serbischen Wurzeln wurde von Moderator Andi Knoll auch zum „Duell“ zwischen den Juroren Peter Rapp und Sido erklärt. Beide hatten sich für jeweils einen der Finalisten starkgemacht.

Dabei war es zu einem (in Internet-Foren) viel diskutierten Wortgefecht gekommen. Der Berliner Rapper Sido forderte die Österreicher auf, mit einem Voting für das Trio Piller ein Statement zu setzen. Seine Begründung: „Österreich verlangt immer, dass Leute wie ihr sich integrieren. Aber ich finde, dazu gehören zwei Parteien.“ Daher sollten die Zuseher den Musikanten entgegenkommen. Rapp konterte: „Kein anderes Land in Europa hat so viele Menschen aus anderen Ländern aufgenommen, schon seit der Ungarnkrise. Aber irgendwann schaffen wir’s nicht mehr.“

In den sozialen Netzwerken wie Twitter brach umgehend heftige Aufregung aus, in denen von Peter ,das Boot ist voll‘ Rapp die Rede war. Die Moderatoren-Legende entschuldigte sich schließlich auf Facebook und gab den Kritikern recht. „Nichts liegt mir ferner als jede Art von Rechtspopulismus. Im Übrigen hat so ein Thema wirklich nichts in einer Unterhaltungssendung zu suchen“, erklärte Rapp.

Das sahen möglicherweise manche Zuschauer ähnlich. Bei der Entscheidung waren im Schnitt 733.000 Menschen dabei, zuvor waren es 782.000. Fast 50.000 zappten nach der Präsentation der Acts weg.

Wie geht es Ihnen am Tag nach dem Finale?
Ich fühl mich super, echt a Wahnsinn - weil ich einfach nicht damit gerechnet hab. Es waren andere sehr stark favorisiert. Ich hab' einfach so gespielt wie immer und hab geschaut, was passiert. Es ist eh schon grandios gewesen, dass ich überhaupt im Finale war. Jetzt bin ich ein bisschen baff und kann es noch nicht ganz glauben, dass ich wirklich der Gewinner der "großen Chance 2013" bin.

Können Sie das überhaupt schon realisieren?
Man kann's nicht gleich realisieren, weil man über mehrere Wochen so hart arbeitet und an seine Energiegrenzen geht. Es war gestern eine riesengroße Party, echt cool, ich hab mit ganz vielen netten Leuten gesprochen und das hat ganz gut getan. Ich bin einfach sehr glücklich, dass ich mit meinen Nummern Österreich bewegt hab, dass sie für mich anrufen und dass ihnen gefällt, was ich mache. Das ist einfach ein sehr großes Kompliment. Und dafür bin ich sehr dankbar, dass ich das erleben darf.

Wie lange hat die Party gedauert?
Ich bin ungefähr um sieben Uhr Früh ins Bett gekommen. Viel geschlafen geschlafen hab ich nicht.

Ab wann hatten Sie zum ersten Mal den Gedanken: "Das könnte ich jetzt wirklich gewinnen?"
Den hab ich nicht einmal bis zum Schluss gehabt, Trio Piller sind einfach wahnsinnig gute Musiker und machen etwas komplett anderes. Ich bin trotzdem der Meinung, dass man mit Stimme noch ein bisschen mehr zu den Herzen der Leute kommt. Vielleicht ist mir das zugutegekommen, dass ich singe und sie rein instrumental unterwegs sind.

Welche Gedanken hatten Sie bei der Entscheidung?
Wenn man dann wirklich zu zweit da draußen steht, fängt man schon ein bisschen zum spekulieren an und zu hoffen. Das war schon krass. Wie Kaiser Franz Josef ausgefallen sind, war das schon ein ziemlicher Flash. Dann ist der Johannes raus, dann dachte ich: Was ist denn jetzt los? Er galt schon als großer Favorit, weil er ein großes volkstümliches "Musikantenstadl-Publikum" anspricht, während ich dachte, ich muss mir gemeinsam mit Kaiser Franz Josef und Trio Piller mein Publikum teilen. Als dann noch die Dance Industry draußen war, die einen Medienhype hatten, dachte ich: Boah, vielleicht geht sich das wirklich aus!

Sie haben bereits vor zehn Jahren bei "Starmania" Castingshow-Erfahrung gesammelt. Wie war danach das Leben als Singer/Songwriter?
Die Zeit danach war sehr hart. Weil ich durch den Hype nach "Starmania" sehr viel selber an mir arbeiten musste. Das war eine Erfahrung mit siebzehn Jahren, die mir sehr viel gebracht hat aus heutiger Sicht. Dadurch wusste ich auch, worauf ich mich diesmal eingelassen habe.

Christine Hödl hat es auch als Singer/Songwriter geschafft, "Die große Chance" zu gewinnen. War ihr Erfolg ein Ansporn oder ein Vorbild?

Ich habe das nicht so ganz verfolgt. Ich war eigentlich nie so ein großer Fan der "Großen Chance", weil ich dachte, es gibt bessere Casting-Formate. Ich bin aber draufgekommen, dass das ein Format ist, wo du als Künstler wirklich du selbst sein kannst. Und das bin ich als ganze Person. Bei "The Voice" geht's wiederum nur um deine Stimme und du singst irgendwelche Welthits. Aber nur die Stimme allein macht einen Künstler nicht aus, sondern das Gesamtding und dafür bin ich echt dankbar, dass ich mich dafür entschieden hab, diese große Chance zu nützen. Ich war beim zweiten Mal ganz anders dabei. Der Ansporn war, meine eigene Musik zu präsentieren und das ist anscheinend sehr gut angekommen. Das ist eigentlich das Schönste für mich.

Wie ist dein Gesamtpaket? Wie würdest du deine Musik beschreiben?
Sie ist sehr ehrlich und emotional, vielleicht sogar einfach, aber aus tiefstem Herzen so gemeint, wie sie vorgetragen wird. Ich würde vor zwei Menschen genauso emotional meine Lieder präsentieren, wie vor hunderten oder tausenden Menschen.

Wollen Sie in Ihrem Job als Sozialbetreuer weitermachen?
Es wird nicht möglich sein, den Job weiterzumachen und trotzdem ein ernsthaftes musikalisches Ziel zu verfolgen. Dafür nehme ich beide Jobs zu ernst. Ich kann nicht in der Musik denken: Heute hab ich noch Nachtdienst. Aber ich hab den Job in den letzten fünf Jahren sehr sehr gern gemacht. Aber ich bin an einem Punkt, an dem ich versuchen möchte, meine Musik zu den Menschen zu bringen und so noch viel mehr Leute zu unterstützen. Ich liebe meinen Job über alles, aber noch mehr liebe ich die Musik und schreibe gerne Songs.

Warum war es Ihnen wichtig zu sagen, dass Sie den Gewinn versteuern würden?
Weil es glaub ich sehr wichtig ist für die Leute, die mitmachen, sich dessen bewusst zu sein. Es klingt immer so toll, so viel Geld zu gewinnen. Sicher ist es trotz des Versteuerns noch immer viel Geld und ich freu mich natürlich extrem, weil es die Krönung war. Aber ich glaube, dass man sich das sehr gut einteilen muss. Es gib auch Zeiten, wo es nicht so gut geläuft und da ist das sicher ein gutes Polster. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich sage, ich kann mir diesen oder jenen Traum erfüllen und kaufe mir ein Haus mit einem Grund. Aber das ist voll okay für mich, weil ich an meinen Zielen in der Musik arbeite und hoffe, dass ich mir das so ehrlich wie möglich mit meinen Konzerten und CDs erarbeiten kann.

Werden Sie sich, wie angekündigt, jetzt neue Vorhänge kaufen?
Jeder, der mich kennt, meine Freunde und vor allem meine Nachbarn, weiß, dass das kein Scherz ist. (lacht) Ich werd mir sicher Vorhänge kaufen und nicht überlegen, wo ich Kompromisse schließen muss. Obwohl ich oft unschlüssig bin, was mir gefällt. Aber so ein paar kleine Träume kann man sich mit diesem Gewinn schon erfüllen.

Mögen Sie es eher schlicht oder eher bunte?
Ich glaube, eher schlicht. Ich bin eher nicht der pompöse Typ, ich brauche auch kein großartiges Kostüm. Es geht um die Musik, und nicht darum, was man anhat. sondern, was man dem Publikum bringt und was da rüberkommt. Das ist einfach wichtig als Künstler. Das finde ich auch faszinierend an den Songwritern, die ich gern höre: Jason Mraz, Jack Johnson oder Ron Pope. Ich bin halt einfach ein schlichter und genügsamer Mensch.

Wie haben Sie sich mit Peter Rapp verstanden? Er war Ihr erster Fürsprecher . . .
Um ehrlich zu sein, haben wir wenig mit der Jury zu tun gehabt. Er ist ein gefinkelter Fuchs und ziemlich guter Taktiker. Der hat es einfach nicht so gezeigt, dass er einen Trumpf im Ärmel hat. (lacht) Aber wir haben uns gut verstanden.

Wie sehen die Aussagen von Sido und Peter Rapp über das Trio Piller und Integration?
Das habe ich nicht mitgekriegt, es war einfach zuviel Trubel rundherum. Aber ich glaub nicht, dass das irgendetwas mit Integration zu tun hat. Es gibt extrem gute österreichische Musiker und ebenso gute, die aus dem Ausland kommen. Ich weiß nicht, ob das ein Zeichen wäre. Da gäb es andere wichtige Zeichen, die man vielleicht in der Politik setzen könnte. Ich weiß nicht, ob es bei einer Castingshow darum gehen sollte, ob da jetzt Integration im Vordergrund steht oder nicht. Da hat sich der Fokus vielleicht ein bisschen verschoben. Sie sind großartige Musiker, und deshalb sind sie so weit gekommen und deswegen hätten sie genauso berechtigt gewinnen können.

Im nächsten Jahr könnte es keine neue Staffel der "Großen Chance" geben, weil nach derzeitigem Stand kein großes Herbst-Event vorgesehen ist. Schade?
Ich glaube, dass eine Pause vielleicht einmal gar nicht schlecht ist. Umso stolzer bin ich, dass ich vielleicht der letzte Act vor dieser Pause sein hab' dürfen. (lacht)

Wie stehen Sie allgemein zu Castingshows?
Ich würde es schön finden, wenn andere Singer/Songwriter diese Castinggeschichte nicht so verteufeln würden, weil es schon darum geht, wie man zu sich steht und wie man das präsentiert. Das ist nicht immer schlecht. Ich freue mich, dass ich diese Sparte repräsentieren kann und vielleicht auch dafür aufgemacht habe. Damit man sagen kann: Probiert's jede Chance, eure Nummern in die Welt zu bringen. Mehr hab ich eigentlich nicht gemacht.

Ist das auch das Motto ihres Gewinnersongs "Able"?
Ja, das Motto von "Able" ist: Einfach zu realisieren, dass das Leben zu kurz ist, und zu wissen, dass man nur eines davon hat und dass man es einfach bestmöglich für sich selbst gestaltet - weil's kein anderer für jemanden ändern kann.

Abgesehen von einem ungeschickten Statement Peter Rapps zum Thema Einwanderungspolitik, von dem er sich direkt nach der Sendung via Facebook sehr glaubwürdig distanzierte, verlief das Finale der „Großen Chance“ unspektakulär. Immerhin hat der Richtige gewonnen: Der steirische Sozialarbeiter Thomas David ist ein großartiger Musiker, der Stimme und Gitarre ausgezeichnet beherrscht und zudem tolle Lieder schreibt. Sein Stil ist ungewöhnlich und erinnert gleichermaßen an Jack Johnson wie an Ben Harper, ein wenig auch an Keziah Jones. Noch einmal sei es gesagt: Das ist ja eine nette Show, aber das hemmungslose Zeitschinden („Und ... der Name ... lautet ....“) erzeugt Juckreiz unter der Kopfhaut: Das quälende Gefühl, der eigenen Lebenszeit beim Verrinnen zuhören zu können.

Die wahre Sensation ereignete sich aber im Anschluss: Die Ausstrahlung einer alten „Spotlight“-Folge (das war eine Popmusik-Sendung mit Peter Rapp) aus dem Jahr 1975 hatte mehr als 300.000 Zuschauer – gegen Mitternacht! Die Mischung aus Peter Rapps Schalkrawatte, der ausufernden Frisur des Sängers Wilfried und einem ausgestopften Wildschwein (!) als Bühnendeko entwickelte unwiderstehlichen Retro-Charme. Rapp und Wilfried sind ja noch aktiv, vielleicht findet jemand das Wildschwein und macht eine Neuauflage?

Kommentare