"Krone": Biró zieht sich aus Redaktion zurück
Christoph Biró, Chefredakteur der Steiermark-Ausgabe der "Kronen Zeitung", wird sich "aus eigenen Stücken für einige Zeit aus der Redaktion zurückziehen". Dies teilte die "Krone" Dienstagabend in einer Stellungnahme gegenüber der APA mit. Ein Kommentar Birós zur Flüchtlingssituation hatte zuvor für heftige Kritik gesorgt.
"In meiner Kolumne vom Sonntag habe ich aber das Augenmaß verloren."
Biró spricht von einem Fehler: "Ich bin seit 39 Jahren Journalist. Ich habe gelernt, Fakten von Indizien zu unterscheiden und Beweise zu würdigen. Hintergrundinformationen zu bekommen zählt zum Handwerk. In meiner Kolumne vom Sonntag habe ich aber das Augenmaß verloren. Natürlich gibt es auch unter den Flüchtlingen schwarze Schafe und böse Vorfälle. Auch ich persönlich habe diesbezüglich eine Enttäuschung erlebt, nachdem meine Frau und ich in unserem Urlaub Syrern Deutschunterricht gegeben haben. Diese Enttäuschung hat wohl mitgespielt, dass ich die Zustände so überzeichnet habe. Das war ein Fehler, wie er mir in 39 Jahren noch nicht passiert ist. Fehler passieren? Ja, aber dieser ist besonders bedauerlich. Man muss bei diesem Thema ein ganz besonderes Fingerspitzengefühl haben. Und das habe ich vermissen lassen."
Laut Kronen Zeitung sei der Kommentar Birós "Ausfluss der Beurteilung der aktuellen Lage rund um die Flüchtlingssituation am Grenzübergang Spielfeld bzw. die Flüchtlingslager in der Steiermark". Diese Situation mache vielen Menschen Sorgen. "Sorgen, die die 'Kronen Zeitung' auch sehr ernst nimmt." Man informiere wie andere Medien ausführlich über die Zustände und Missstände in der Flüchtlingsfrage und spare dabei auch nicht mit notwendiger Kritik. Zugleich distanziert sich die Tageszeitung vom Steiermark-Chefredakteur: "In seinem Kommentar hat Christoph Biró in überspitzter Form Missstände angeprangert, sich dabei aus persönlichen Erlebnissen zu vermeintlichen Tatsachenfeststellungen und Schlussfolgerungen hinreißen lassen, die nicht restlos überprüfbar sind."
Presserat: 37 Beschwerden
Ein Kommentar zu angeblichen Flüchtlingsrandalen und "testosteron-gesteuerten Syrern" von Christoph Biró in der Steierkrone sorgt für eine Beschwerdeflut beim Österreichischen Presserat. 37 Beschwerden sind laut einer Twittermeldung des Selbstkontrollorgans (siehe unten) bereits eingelangt. Der Fall werde dem zuständigen Senat vorgelegt.
Bei Polizei und ÖBB sorgt der Artikel für Verwunderung. "Ein absoluter Blödsinn", sagt Fritz Grundnig von der Landespolizeidirektion zu darin erhobenen Vorwürfen gegenüber dem KURIER. Dabei handle es sich um Facebook-Gerüchte, für die Beweise fehlen. "Die leider aber sehr viel an polizeilicher Arbeit binden."
Auch ÖBB dementieren Beschädigungen
Biró schrieb, dass Syrer sich "äußerst aggressive sexuelle Übergriffe leisten". Weiters, dass Afghanen die Sitze von ÖBB-Waggons aufschlitzen und ihre Notdurft darauf verrichten, weil Christen auf ihnen gesessen seien. "Wäre das tatsächlich so, würden von uns keine Sonderzüge mehr fahren", erwidert ÖBB-Sprecher Christoph Posch. Laut Biró würden Flüchtlinge auch in Notquartieren sanitäre Einrichtungen nicht verwenden, sondern ihr Geschäft daneben erledigen und weibliche Hilfskräfte zum Wegputzen auffordern. "Stimmt nicht", sagt Grundnig. Es gebe auch auch keine Horden, die Supermärkte plündern.
Erst vergangene Woche hat der Presserat zwei Artikel von krone.at über Flüchtlinge als diskriminierend verurteilt. Nach Ansicht des Senats verstießen die Artikel gegen die Punkte 2 (Genauigkeit) und 7 (Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.
Die Organisation SOS Mitmensch hat in dem Fall eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Graz übermittelt. Es sei zu prüfen, ob der Kommentar unter den Verhetzungsparagrafen (§ 283 StGB) oder unter die wissentliche Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte (§ 276 StGB) falle, so die Menschenrechtsorganisation.
"Der Chefredakteur der steirischen Kronen Zeitung hat sich in übler Stimmungsmache gegen Flüchtlinge betätigt. Er hat in pauschalierender Weise Gerüchte über Flüchtlinge gestreut und damit Angst und Misstrauen gegen Schutzsuchende geschürt", erklärte SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak. Meinungsfreiheit sei ein sehr hohes Gut, zugleich gebe es aber "vollkommen zu Recht" Gesetze gegen Verhetzung und gegen die wissentliche Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte. "Verhetzung ist keine Meinung, sondern ein Akt der verbalen Gewalt. Diese verbale Gewalt ist oftmals die Vorstufe zu physischer Gewalt. Auch die Verbreitung falscher, angsteinflößender Gerüchte ist alles andere als eine harmlose Angelegenheit. Daher ist es wichtig, dass die Staatsanwaltschaft prüft, ob Herr Biró eine Straftat gesetzt hat", so Pollak.
(APA)
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