Kein Aprilscherz: Böhmermann-Video von ZDF gelöscht

Jan Böhmermanns "Schmähkritik" führte beinahe zu einer Staatskrise.
Mit einem Schmähgedicht auf Erdogan sollten Grenzen der Satire ausgelotet werden. Sender löschte den Beitrag aus Qualitätsgründen aus ZDF-Mediathek.

Fast hätte man es für einen Aprilscherz halten können, oder als gefinkelte Satire auf Medienpolitik im Stile Recep Tayyip Erdogans: Das ZDF löschte am 1. April eine Satire mit heftigen Untergriffen gegen den türkischen Präsidenten aus seiner Mediathek. Es handelte sich um die aktuelle Ausgabe des auf ZDF Neo ausgestrahlten "Neo Magazin Royale" von Jan Böhmermann. "Die Parodie ... entspricht nicht den Ansprüchen, die das ZDF an die Qualität von Satiresendungen stellt", begründete der Sender über Twitter sein Vorgehen. Dies löste wiederum heftige Kritik in sozialen Netzwerken aus.

In der Nacht auf Samstag wurde bei einer Wiederholung der Sendung im Hauptsender ZDF der betreffende Beitrag, wie angekündigt, auch im Fernsehen gestrichen.

Grenzen der Satire

Was war passiert? Moderator Böhmermann wollte mit seinem Gedicht den Unterschied zwischen erlaubter Satire und herabwürdigender Schmähung darstellen. In dem beanstandeten Beitrag, den er selbst als Schmähkritik angekündigt hatte, sagte er unter anderem über Erdogan, er sei "sackdoof, feige und verklemmt", habe einen kleinen Penis und eine Vorliebe für Sodomie. Der Beitrag war eingebettet in eine längere Passage, in der Böhmermann mit seinem Sidekick Ralf Kabelka erörterte, wie weit Satire gehen könne. Kabelka informierte in dem erklärenden Dialog, Schmähkritik sei nicht erlaubt. Als Beispiel für eine solche medienrechtlich bedenkliche Beschimpfung rezitierte Böhmermann dann das beanstandete Gedicht.

Unklar ist, inwieweit Böhmermann mit der Provokation genau das erreichen wollte, was dann eingetreten ist. "Was könnte da jetzt passieren?" fragte er nach dem Vorlesen des Gedichts bei der Erstausstrahlung. Kabelka mutmaßte: "Unter Umständen nimmt man's aus der Mediathek." Was dann tatsächlich geschehen ist.

Auf Twitter wurde dem ZDF vorgeworfen, vor Erdogan einzuknicken. Böhmermann selbst twitterte am Freitag nur "APRIL, APRIL!" Auf Facebook schrieb der Satiriker: "Ich denke, wir haben heute am 1. April 2016 gemeinsam mit dem ZDF eindrucksvoll gezeigt, wo die Grenzen der Satire bei uns in Deutschland sind. Endlich!"

Das ZDF versicherte der dpa aber, dass es sich bei seiner Vorgangsweise nicht um einen Aprilscherz handle. ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler sagte: "Wir sind bekannt dafür, dass wir bei unseren Satire-Formaten breite Schultern haben und den Protagonisten große Freiräume geben.“ Weiter hieß es in der Stellungnahme: "Aber es gibt auch Grenzen der Ironie und der Satire. In diesem Fall wurden sie klar überschritten. Deswegen haben wir in Absprache mit Jan Böhmermann beschlossen, die Passage aus der Sendung herauszunehmen."

Mittlerweile ist die Sendung "Böhmerwie, Böhmerwo, Böhmermann" wieder in der ZDF-Mediathek zu finden, ohne Erdogan-Schmähgedicht.

NDR-Satire sorgte für Irritationen in Türkei

Anlass der umstrittenen Aktion war ein Satire-Beitrag des NDR-Magazins "extra 3" über Erdogan, der heftige Reaktionen der türkischen Regierung ausgelöst hatte. Das Musikvideo hatte sich kritisch mit Verletzungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei sowie mit dem Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Kurden im Südosten des Landes auseinandergesetzt. Die türkische Regierung lud deshalb den deutschen Botschafter vor und verlangte eine Löschung des Beitrags.

Jan Böhmermann sorgt immer wieder bewusst für Provokationen. So fielen in Deutschland viele auf ein Video herein, in dem Böhmermanns Team behauptete, das Stinkefinger-Video des griechischen Ex-Finanzministers Yanis Varoufakis gefälscht zu haben. Zuletzt produzierte er das aufwändige Musikvideo "Be Deutsch", das im Rammstein-Stil Fremdenfeindlichkeit und "WIr sind das Volk"-Rufe verurteilt.

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