Geht den TV-Kanälen jetzt auch noch der Stoff aus?
Zugegeben, es ist jammern auf hohem Niveau. Dass "Twin Peaks" nach 25 Jahren - wenn auch voraussichtlich nicht mit David Lynch am Regiestuhl - fortgesetzt wird, kann niemanden stören. "Fargo", die Serie zum Film aus den 90ern, war sowieso genial. Und über "Better Call Saul", das Spin-off zu "Breaking Bad", freuten wir uns auch noch. Bei so viel Klasse ist die 2016 geplante Fortsetzung von "Full House", die Netflix am Dienstag ankündigte, schon zu verkraften.
Vielleicht kann man auch noch nicht von einem Trend zu Remakes und Fortsetzungen sprechen, eher von einer Frühdiagnose. Wehe nur, wenn diese vage Befürchtung tatsächlich eintreten sollte, dann hat das im Moment viel gelobte US-Fernsehen langfristig ein echtes Problem.
Alte Tugenden, neue Formate
Seit die "Sopranos" 1999 das erste Mal auf dem damals kleinen Kabelsender HBO zu sehen waren, hat sich das Fernsehen Stück für Stück auch filmisch zum Führungsmedium entwickelt. "The Wire", "Breaking Bad", zuletzt "True Detective" oder "Game of Thrones". Jede neue Serie der letzten Jahre übernahm alte Tugenden, die man sonst nur von Kinofilmen kannte - und nagte so weiter am Primat Hollywoods, das noch in den 90er-Jahren neben den größten Stars stets auch die relevantesten Stoffe geliefert hatte.
Und das bis zu dem Punkt, an dem ein Regisseur wie Steven Soderbergh, einst eines der aufstrebenden Talente der US-Filmindustrie, 2012 meinte, er würde lieber nur noch für das Fernsehen drehen, weil man nur dort noch den Mut habe, auch neue Stoffe zu behandeln. Ein Satz, den man in ähnlicher Form inzwischen von Dutzenden Regisseuren, Schauspielern, Drehbuchautoren oder Produzenten vernehmen konnte. Nur dort könne man Themen wie etwa Drogenhandel und -missbrauch auch mit der dafür nötigen expliziten Sprache und Gewalt darstellen.
Ideenlos
Die einzige Antwort, die Hollywood in all den Jahren parat hatte, lautete "Remake". Remakes und Fortsetzungen. Und im Fall von "The Amazing Spider-Man 2" sogar "Remake der Fortsetzung." Rein finanziell gesehen war das zwar nicht die falscheste Reaktion, aber natürlich: Neuigkeitswert im Sinne von wertvoll Neues bieten "Fast & The Furious 7" und aktuell "The Avengers 2 - Age of Ultron" nicht. Dass Superheldenfilme den Status quo amerikanischer Popkultur darstellen, das wollen vor allem kulturpessimistische Zyniker glauben.
Nein, mit seiner Strategie alte Stoffe neu zu beleben, hat sich Hollywoods auch künstlerisch ins Abseits manövriert - und man ist verunsichert. So sehr, dass die Forderung Vin Diesels, sein Film "Fast & Furious 7" müsse kommendes Jahr den Oscar als bester Film gewinnen, sollte sich Hollywood selbst noch ernst nehmen, tatsächlich ernst genommen wurde.
Das liebe Geld
Und jetzt also (vielleicht) auch die viel gelobten Hochglanzserien. Neben den zu Beginn genannten Serien soll demnächst auch noch eine Neuauflage von "Akte X" geplant sein. Und schon "House of Cards" ist ja eigentlich ein Remake einer britischen Serie. Bisher kannte man Serien-Derivate nur von Sitcoms mit Zuschauerzahlen jenseits der 20-Millionen-Marke - und sie waren meist nicht von Erfolg gekrönt. "Joey" floppte nach den "Friends" phänomenal. So wie die "Interns" der "Scrubs". Sogenannte Hochglanz-Serien waren bisher jedoch verschont geblieben.
Nachdem sich auch mit auf kleine Zielgruppen zugeschnittene Serien wie "Breaking Bad" (rund 3 Millionen Seher im Schnitt, 10,2 Millionen zum Staffelende) großes Geld verdienen lässt, scheinen diese Zeiten nun vorbei zu sein. Lassen Sie uns hoffen, dass wir mit dieser Frühdiagnose falsch liegen.
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