EU-Digitalmarkt steckt voll gefährdeter Potenziale

Peter Mayrhofer (twyn group), Lilian Mayer-Janzek und Martina Zadina (IAB Austria) vertraten in Brüssel im Rahmen der Veranstaltung Egange with Policy die Interessen der österreichischen Internet-Werbewirtschaft. (c: iab at)
eu3,4 Millionen Menschen waren im Jahr 2010 in der Internetwirtschaft in der EU direkt und indirekt beschäftigt. Davon waren 1,35 Millionen Menschen direkt in dem Markt tätig. Dieser Wirtschaftssektor hatte in diesem Jahr eine Wirtschaftskraft im Ausmaß von geschätzten 119,8 Milliarden Euro insgesamt. Das war gerade ein Prozent der gesamten Wirtschaftleistungen der EU in diesem Zeitraum. Unmittelbar auf den Kernmarkt entfielen 2010 47,2 Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommen Steve Muylle und Elke Vijverman von Vlerick Business School, die im Auftrag des IAB Europa eine Wachstumsanalyse der Internetwirtschaft anstellten.

Nicht ganz überraschend kommen die Studien-Autoren zu dem Ergebnis, dass der EU-Internet-Markt Aufholbedarf hat und alle Märkte bezüglich ihres erreichten Online-Reifegrades unterschiedlich weit entwickelt sind.

So erbringen die Internet Service Provider die größte Wirtschaftsleistung und weisen damit auch die höchste Mitarbeiterzahl auf. Dieser Bereich des Internet-Marktes ist in Großbritannien, Deutschland und Frankreich am weitesten gediehen und auch konzentriert.

Dagegen wird der Digital Advertising-Sektor mit "80.000 Beschäftigten EU-weit" und einem Anteil am gesamten Beschäftigungsstand der Internet-Wirtschaft in der Europäischen Union mit 5,9 Prozent ausgewiesen.

In der Studie Online Jobs Boosting Europe's Competitiveness wird die Annahme vertreten, dass die Digital Economy im europäischen Wirtschaftsraum um "400.000 bis 1,5 Millionen Jobs" wachsen könnte.

Dafür gibt es jedoch eine Voraussetzung: um dieses Job-Potenzial auszuschöpfen müsste die EU-Internetwirtschaft entweder die digitale Wirtschaft in der USA "widerspiegeln" oder die digitalen Konzepte und Strategie von Schlüsselmärkten des Wirtschaftsraumes umsetzen.

Dadurch könnte der EU-Raum den Wandel in eine "daten-getriebene Ökonomie" vorantreiben und die Ziele der Digital Agenda der EU näherrrücken.

Wie dieses "ambitionierte Ziel" zu erreichen sei, ist in der Vlerick Business School grundsätzlich klar: Online-Service müssen erschwinglich sein. Das hieße in weiterer Folge, dass Rahmenbedingungen bestehen müssen, die die Finanzierung von digitalen Geschäftsmodellen durch Online-Advertising erleichtern und eine Gratis-Verfügbarkeit von Services sicherstellen. Dadurch könnte auch eine derzeit drohende Gefahr vermieden werden: die, eines weiteren, eines zweiten Digital Divides.

Denn in südeuropäischen Märkten müssen EU-Bürger aufgrund der Rezession in ihren Märkten ihre Internet-Anschlüsse aus Kostengründen abmelden.

Der IAB Europe macht auf Basis dieser Faktoren der Analyse darauf aufmerksam, dass eine etwaige Einschränkung von Online-Werbemöglichkeiten auf jeden Fall nachteilig ist. Einerseits wegen einer drohenden Abkoppelung von der digitalen Gesellschaft und andererseits durch die Beeinträchtigung eines dynamischen Wachstumsmarktes im globalen Wettbewerb als auch auf steuerlicher Ebene. Denn ein überreglementierter Markt wirft auch mittelfristig zu wenig Steuermittel ab, die Staaten künftig fehlen, um ihren Aufgaben nachzukommen.

Ein überreglementierte Markt ist wie ein japanischer Bonsai. Dessen ständiges Beschneiden der Wurzeln sorgt dafür, dass die Bäume zwar wunderschön anzusehen sind aber bis an ihr Lebensende klein bleiben und aufopferungsvoll gepflegt werden müssen.

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