E-Commerce-Hürden für stationäre Händler
Allerdings lassen sich verschiedene Schlüsse aus den deutschen Entwicklungen ziehen. Einer davon ist, dass reine Online-Anbieter wie Amazon und Zalando bereits wettbewerbsentscheidende Vorteile erobert haben, die stationäre Einzelhändler nur mit erheblichstem Aufwand generieren könnten.
OC&C Strategy Consultants stellt diese Divergenz anhand des Zalando-Fashion-Umsatzes 2012, den die Berater auf "600 Millionen Euro" beziffern, den Umsätzen von Einzelhändlern wie H&M und C&A, die im Vorjahr 265 und 260 Millionen Euro ausmachten, dar. Zalando erwirtschaft mit dem Bekleidungsverkauf mehr als beide Einzelhandslketten zusammen. Das zeigt ganz klar, dass Offline-Marktanteile nicht äquivalent in den E-Commerce-Markt übertragen werden können.
Das Beratungsunternehmen resümiert, dass "der stationäre Handel falsche Prioritäten setzt". Diese Fehl-Priorisierung sei das Ergebnis der flaschen Interpretation von Online-Kaufentscheidungsverhalten und -Kundenbeürfnissen.
Stationäre Händler klammern sich an die Vorstellung, dass Online-Käufer integrierte Serviceleistungen bevorzugen würden. Richtig sei, so OC&C Strategy, dass diese Konsumentengruppe ein "überzeugendes Warenangebot und die Möglichkeit jederzeit einkaufen zu können" als bevorzugten Convenience-Faktor im E-Commerce ansehen.
Daraus resultiert wiederum eine Kaskade an Fehlschlüssen und mündet darin, dass stationäre Einzelhändler in der nachhaltigen Multichannel-Bindung hinter ihren digitalen Mitbewerbern hinterherhinken. Was sich wiederum mit Einzelhandels-Margen-Niveau und dem, allerdings wieder abflauenden Flächen-Wettbewerb in dem Jahrzehnt in dem Amazon groß werden konnte, erklären läßt.
Die Kundenebene ist sowohl off- als auch online eine sensible Angelegenheit. Laut der vorliegenden Analyse kaufen in Deutschland "gerade einmal 0,1 Prozent der Konsumenten sowohl Online als auch Offline beim selben Händler ein". Die Shopping-Smartness ist äußerst ausgeprägt. Anders betrachtet, könnte man dies als hochentwickelte Illoyalität oder auch als Kundenbindungsunfähigkeit interpretieren. Denn 50 Prozent der Konsument kaufen bei ihren Online-Einkäufen bei anderen Anbietern ein auch wenn, der offline bevorzugte Händler einen Online-Shop betreibt. 49,6 Prozent sind Kombinierer. Sie kaufen sowohl in Web-Shops stationärer Retailer als auch bei Zalando & Co ein.
Auch auf Produkt- und Sortimentsebene sinkt die Loyalität fast schon unter die Wahrnehmungsgrenze. Warengruppen, die sich durch eine hohe Vergleichbarkeit der Produkte kennzeichnen, sind ganz deutlich von mangelnder Kundenbindung betroffen.
Gregor Enderle, OC&C-Parnter und für diese Studie verantwortlich, warnt, dass "Händler, die sich weiterhin darauf beschränken, ihre klassischen Leistungsversprechen aus dem stationären Format in den Online-Bereich zu übertragen, werden als Multichannel-Anbieter langfristig keinen Erfolg haben". Es gehe, wie der Berater überzeugt ist, grundsätzlich darum, dass "eigene Geschäftsmodell mit der Logik des Internets zu verknüpfen". Weniger klischeehaft als diese Aussage ist Enderles Ratschlag an stationäre Händler ihren Multichannel-Vertrieb auf "kanalgerechten Leistungsversprechend und operativer Exzellenz" aufzubauen.
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