Caravaggio: 1969 gestohlen, jetzt rekonstruiert

Caravaggio: 1969 gestohlen, jetzt rekonstruiert
Doku zu Caravaggios Meisterwerk "Geburt Christi"

Alles begann mit einem spektakulären Kunstdiebstahl in der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober 1969: Als das mit 258 x 197 cm ungewöhnlich große Leinwandbild "Christi Geburt mit St. Franziskus und St. Laurentius" von Caravaggio (1571–1610) in der Oratorio di San Lorenzo, einem Gebetshaus des Franziskanerkonvents in Palermo, aus dem Rahmen geschnitten wurde und seither verschwunden ist.

Caravaggio: 1969 gestohlen, jetzt rekonstruiert
Arte Factum
Das Meisterwerk der italienischen Renaissance, eines der Hauptwerke Caravaggios, steht auf der FBI-Fahndungsliste der zehn meistgesuchten Kunstwerke der Welt. Ermittler vermuten, dass es sich im "Privatbesitz" eines sizilianischen Mafia-Bosses befindet.

Kunst-Doku auf Sky

Das Mysterium rund um das 1609 entstandene Meisterwerk des aus der Lombardei stammenden Malers und die aufwendige Prozedur der Gemälde-Rekonstruktion erzählt eine Doku, die ab 6. Jänner auf Sky zu empfangen ist. Zugleich Auftakt für ähnliche Projekte, die der TV-Sender in Zukunft plant.

Lokalaugenschein in den Labors und Ateliers der 2001 gegründeten Firma Factum Arte in Madrid: Sie arbeitet mit einem Team aus Künstlern, Technikern und Konservatoren u. a. seit einigen Jahren an der Herstellung eines Faksimiles vom Grab des ägyptischen Pharaos Tutanchamun.

Illusion eines Originals

Nun will Factum-Arte-Gründer und -Chef Adam Lowe auch die seit Jahrzehnten bestehende Lücke über dem Altar von San Lorenzo wieder schließen: "Wobei es uns nicht darum geht, eine Kopie herzustellen. Das Ziel war, etwas zu schaffen, das in einen Dialog mit Caravaggios Meisterwerk treten kann und das seinen Geist ausstrahlt. Damit die Besucher der Kapelle in Palermo, der wir unsere Nachbildung noch heuer übergeben wollen, künftig wieder den Eindruck haben, ein Caravaggio-Original vor sich zu haben."

Caravaggio hat mit seinem dramatischen Helldunkel die Malerei zweifellos revolutioniert. Worin das Genie des Frühbarock-Malers bestand, erklärt der italienische Kunstexperte Peter Glidewell im KURIER-Gespräch: "Er war ein Farbzauberer. Und das war der Kirche unheimlich. Bischöfe und Äbte staunten darüber, wie Caravaggio die Geschichten der Bibel mit seinem Pinsel zum Leben erwecken konnte."

Drastische Bilder

Und obwohl den Kirchenfürsten die Bildkompositionen oft zu drastisch erschienen, bestellten sie doch Bilder: Auf denen sind die Gesichter der Heiligen nicht idealisiert, sondern realistisch verhärmt und faltig. Die Frauen sind dagegen verführerisch dargestellt.

Obendrein verstand es Caravaggio wie kein anderer, die Figuren in helles Licht zu tauchen und sie vor einem dunklen Hintergrund in Szene zu setzen wie auf einer Theaterbühne. Und war damit stilbildend.

Bei der Herstellung eines Faksimiles von "Geburt Christi" bediente man sich nach dem genauem Studium der Maltechnik des Meisters versierter Künstler, die den Pinselstrich des Vorbildes beherrschen, extrem stark vergrößerter Fotos, die unter anderen Enzo Brai 1968 gemacht hat, höchstauflösender Computer-Scans und spezieller Bildbearbeitungspro- gramme.

Am Bildschirm tüftelt Gabriel Scarpa an jedem Quadratzentimeter stundenlang die Farbtöne aus und bekennt: "Einen Hang zum Perfektionismus muss man dabei schon haben." Schließlich wird alles auf eine Leinwand, "die exakt der nachgebildet ist, wie sie auch Caravaggio verwendet hat, in mehreren Arbeitsgängen im computergesteuerten Digitaldruck aufgetragen, was mehrere Tage in Anspruch nimmt", erklärt Lowe.

Und macht Hoffnung, als er ganz nebenbei die Möglichkeiten von 3-D-Druckern zeigt: Zum 80. Geburtstag des Architekten Norman Foster wurde eine Büste hergestellt. Lowe: "Und von vielen Skulpturen, die im Krieg im Nahen Osten zerstört wurden und werden, können wir in Zukunft vielleicht ein Faksimile herstellen."

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