Wer hier arbeitet, muss sich warm anziehen: Im Kühlraum für temperatursensible Arzneien wie etwa Impfstoffe herrschen frostige Temperaturen. Etwa 1.000 Paletten-Stellplätze sind für diese kühl zu lagernden Produkte reserviert, in der gesamten Halle sind es 10.000. Scheint die Sonne, deckt die hauseigene Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach den Strombedarf im neuen Zentrallager der PharmaLogistikAustriain Wels.
Erst im Frühjahr eröffnet, herrscht jetzt zu Beginn der kalten Jahreszeit Hochsaison. Pro Woche verlassen etwa 10.000 Boxen mit Medikamenten das Lager und werden an Apotheken und Spitäler in ganz Österreich ausgeliefert. „Wir sind ein wichtiges Rückgrat der Medikamenten-Versorgung, hier lagern etwa zwei Drittel aller Grippemittel für Österreich“, berichtet Florian Fritsch, Eigentümer und Aufsichtsratsvorsitzender von Richter Pharma, beim Betriebsbesuch des KURIER.
Die Logistiktochter ist wichtigster Umsatzbringer des Welser Familienunternehmens (siehe Infobox). Mehr als 50 Pharma-Hersteller, darunter Novartis, Pfizer, Takeda oder Abbvie haben ihre Logistik an Richter ausgelagert. Der Schwerpunkt liegt auf Notfallmedizin, Zytostatika und Suchtgiften. Die Drehscheibe ist so wichtig, dass sie vom Innenministerium als kritische Infrastruktur eingestuft wurde. „Wenn ein Flugzeug über unseren Lagerhallen abstürzen würde, hätte Österreich ein massives Problem mit der Arzneimittel-Versorgung“, schildert Fritsch die Bedeutung.
23 Logistik-Standorte
Neben Richter gibt es in Österreich nur noch fünf so genannte „Vollsortimenter“ in der Arzneimittel-Versorgung. Diese halten mit insgesamt 23 Logistik-Standorten die Lieferkette aufrecht. Die drei größten sind Herba Chemosan mit acht Standorten, Kwizda mit fünf und Phoenix mit vier. „Der Lagerbestand der 23 Standorte umfasst 50.000 Artikel.
Er reicht aus, um Österreich drei Wochen lang mit Medikamenten versorgen zu können“, erläutert Monika Vögele, Generalsekretärin des Verbandes der Arzneimittelvollgroßhändler (PHAGO). Durch das Netzwerk könne binnen zwei Stunden jeder Ort und jede Apotheke in Österreich beliefert werden. Im Schnitt erhalten die Apotheken dreimal täglich neue Ware. Notfall-Lieferungen sind zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich.
Lager im Inland
WeilArzneien oft dringend benötigt würden, sei es wichtig, dass österreichische Arzneimittel auch in Österreich lagern, betont Vögele. Der Trend geht in eine andere Richtung. Pharmakonzerne gehen vermehrt dazu über, den Großhandel auszuschalten und liefern wichtige Medikamente selbst an Spitäler. Meist vom Ausland aus. Nicht zuletzt deshalb ist die Zahl der Pharma-Großhändler in Österreich von mehr als 20 auf nur noch sechs geschrumpft. Vögele sieht dadurch die Versorgungsqualität in Gefahr. Hersteller würden die Produktion drosseln und kaum Vorräte anlegen, sobald es billige Generika (Nachahmer-Produkte, Anm.) gibt.
Liefer-Engpässe
Die Großhändler stehen derzeit wegen des so genannten Parallelhandels von Medikamenten selbst in der Kritik. WeilArzneien in ein anderes EU-Land geliefert werden, um dort einen besseren Preis zu erzielen, seien manche Produkte knapp, so der Vorwurf. Die Branchensprecherin widerspricht: „Der Export ist nicht schuld an den Engpässen.“ Exportiert werde nur, wenn Alternativen vorhanden seien. Sie verweist auf die Konzentration der Wirkstoff-Produktion an wenigen Standorten sowie auf Produktionsausfälle.
Dem geplanten, temporären Export-Verbot von Medikamenten in Österreich stehen die Großhändler „grundsätzlich positiv“ gegenüber. Den vorliegenden Verordnungsentwurf lehnen sie jedoch ab. Dieser trage die Handschrift der Pharmahersteller, die allein die Engpass-Liste führen könnten. Weil unklar ist, ob der freie Warenverkehr überhaupt schuld an den Engpässen ist, hält Vögele die Verordnung für EU-rechtswidrig. Richter-Eigentümer Fritsch hält sich aus der Debatte heraus und setzt lieber auf Expansion. Ein angrenzendes, 10.000 großes Grundstück in Wels wurde bereits erworben.
Die Wurzeln eines der ältesten Pharmaunternehmen Österreichs reichen bis ins Jahr 1600 zurück, als mitten in Wels die Adler Apotheke gegründet wurde. Diese befindet sich heute noch in Besitz der Familie Richter/Fritsch. Rund um die Apotheke entstand über die Jahrhunderte ein international tätiger Gesundheitsdienstleister mit 435 Mitarbeitern in Wels und Groß Enzersdorf bei Wien. Im Vorjahr wurden 601 Millionen Euro umgesetzt.
Neben Pharma-Logistik, Großhandel und Dienstleistungen wie patientenindividueller Verblisterung von Tabletten ist Richter als Hersteller und Händler in der Tiermedizin tätig. Der Fokus liegt hier bei Schmerzmitteln. „Auch Tiere haben Schmerzen und immer mehr Menschen ist das bewusst“, sagt Eigentümer Fritsch. Richter verfügt über mehr als 600 Zulassungen am Veterinärmarkt. Seit einigen Jahren ist Richter auch im Bereich Nahrungsergänzungsmittel tätig und mit eigenen Vitaminpräparaten (Supamun) auf dem Markt. Die Eigenproduktion soll in Zukunft noch forciert werden.
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