Umfrage: Mehrheit der Arbeitnehmer für 30- bis 35-Stunden-Woche
Die Arbeitszeit in Österreich ist ungleich verteilt. Die einen wollen mehr arbeiten, die anderen kürzer. In Summe wäre für die Mehrheit der heimischen Arbeitskräfte eine Wochenarbeitszeit zwischen 30 und 35 Stunden ideal. Diesen Befund ergab eine Online-Umfrage unter 3.300 Arbeiterkammer-Mitgliedern, die am Dienstag vorgestellt wurde. Dabei wurden die Gründe für Vollzeit und Teilzeit abgefragt. Teilgenommen haben mehrheitlich Frauen, die in Teilzeit arbeiten, der Großteil in Bildungs-, Handels-, Gesundheits- und Sozialberufen. Elf Prozent waren männlich, der überwiegende Teil davon in Vollzeit.
Hauptmotiv für die Teilzeit sind wenig überraschend Betreuungspflichten. Mehr als jede/r zweite Teilzeitbeschäftigte gibt an, sie müssten Kind oder Pflege von Angehörigen unter einen Hut bringen. Fast ein Viertel meint, dass die Arbeit sehr belastend sei. Die eigene Gesundheit lässt bei einem Fünftel nicht mehr Stunden zu (19 Prozent).
Jede/r fünfte gibt an, in ihrem Betrieb keine Möglichkeit zu haben, länger zu arbeiten. Besonders betroffen sind hier Reinigungs- und Pflegekräfte, wo es fast nur noch Teilzeitjobs gibt. Indes müssen neun von zehn Teilzeitbeschäftigten regelmäßig Mehrstunden leisten, mehr als die Hälfte jede Woche oder zumindest jeden Monat.
Lifestyle-Teilzeit?
Immerhin 23 Prozent Teilzeitbeschäftigte geben an, mehr Freizeit haben zu wollen. Für Sybille Pirklbauer, Leiterin der Abteilung Sozialpolitik in der AK Wien, hat das Motiv aber weniger mit Lifestyle zu tun, sondern sei „mit anderen Faktoren verwoben“, etwa mit der Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder der Sorge um die eigene Gesundheit wegen der Mehrbelastungen. „Der Vorwurf der Lifestyle-Teilzeit ist wirklich respektlos“, ergänzt AK-Präsidentin Renate Anderl. 8 Prozent sagen, sie haben einen zweiten Job, etwa eine selbstständige Beschäftigung in Teilzeit.
Vollzeit wegen sozialer Absicherung
Als Hauptgrund für die Vollzeit wird eine bessere soziale Absicherung genannt (44 Prozent). Vollzeitarbeit wegen eines höheren Einkommens (23 Prozent) und weil die Arbeit in Teilzeit nicht zu bewältigen wäre (22 Prozent), sind weitere wichtige Gründe. 7 von 10 Vollzeitkräften wären grundsätzlich bereit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Dabei gibt es kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen. 30 bis 35 Stunden pro Woche wäre für zwei von drei Befragten ideal, was der Bandbreite entspricht, die sich auch die Teilzeitbeschäftigten vorwiegend wünschen.
„Das 30 bis 35 Stunden ideal sind, bestätigen auch wissenschaftliche Erkenntnisse“, erklärt Pirklbauer. In diesem Bereich seien Menschen langfristig gesund, leistungsfähig und zufrieden. Arbeitsdruck und Arbeitsbelastung hätten in den letzten Jahren massiv zugenommen, doch die Arbeitszeitregeln stammten noch aus einer Zeit, als es nur Fax und Telefon gab. "Menschen sind keine Maschinen, die man durchlaufend arbeiten lassen können, sie ermüden", so Pirklbauer.
"Unsere Befragung zeigt klar: Die Teilzeitbeschäftigen wollen oft mehr arbeiten und insgesamt wollen die Arbeitnehmer eine gesunde Vollzeit, idealerweise 30 bis 35 Stunden", fasst Anderl die Umfrage zusammen. Vollzeit müsse so gestaltet werden, dass die Menschen es gesund bis zur Pension schaffen. Egal ob Voll- oder Teilzeit.
Forderungen der AK
Die AK fordert einmal mehr einen Rechtsanspruch auf Vollzeit, wenn regelmäßig Überstunden geleistet werden müssen. Zudem soll der Mehrarbeitszuschlag auf 50 Prozent angehoben werden. Außerdem müsste das Arbeitszeitgesetz dringend reformiert werden. Die Regierung habe sich wissenschaftlich begleitete Pilotprojekte zu neuen Arbeitszeitformen wie der Vier-Tage-Woche vorgenommen. Diese sollten laut Anderl rasch auf den Weg gebracht werden, um fundierte Erkenntnisse für die konkrete Ausgestaltung zu bringen.
Industriellenvereinigung warnt vor Wohlstandsverlust
Die Industriellenvereinigung (IV) hält die AK-Vorschlägen für das falsche Rezept – gerade in einer Phase der Rezession und des Wohlstandverlustes. „Eine gesetzliche Arbeitszeit von 30 oder 35 Stunden trägt dazu bei, dass unser Wohlstand weiter abnimmt, anstatt ihn abzusichern. Wohlstand wird durch Leistung geschaffen“, erklärt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
Ebenso kritisch sieht die IV einen Anspruch auf Vollzeit einzuführen oder den Zuschlag auf Mehrarbeit von 25 Prozent auf 50 Prozent zu erhöhen. „Letzteres führt vielmehr dazu, die Teilzeit einzuzementieren, anstatt Menschen in Vollzeit zu bringen – eine Aufstockung von Stunden, für die, die es wollen, rentiert sich für diese derzeit finanziell nicht
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