Der Tag der Arbeit wird überall gefeiert, doch die Arbeitsmärkte in der EU ticken ganz unterschiedlich. So pendelte sich die Arbeitslosenquote in der EU zuletzt bei 6 Prozent ein. Zwischen dem Musterschüler Tschechien und Sorgenkind Spanien liegen aber Welten. Österreich rangiert mit einer Quote von 4,7 Prozent (letzter verfügbarer Wert von Februar) aktuell auf dem mittelmäßigen Rang 10. Im Jahresdurchschnitt 2023 belegte Österreich gemeinsam mit Dänemark mit einer Quote von 5,1 Prozent Rang 11.
Lesen Sie, wer die Musterschüler bei der Arbeitslosigkeit sind, wo die Lohnungleichheit am größten ist oder wo die 4-Tage-Woche schon Realität ist:
Eine Übersicht der spannendsten Besonderheiten am EU-Arbeitsmarkt:
1. Tschechien: Die Musterschüler
Das Musterland in der EU in Sachen Arbeitslosigkeit heißt Tschechien. Seit Jahren herrscht dort konstant Vollbeschäftigung.
Mit einer internationalen Erwerbslosenquote von 2,6 Prozent war Tschechien auch im Vorjahr unangefochtener Spitzenreiter vor Polen und Deutschland, die jedoch aufgeholt haben und nur noch knapp dahinterliegen. Das Industrieland hat mit der Konjunkturflaute in der Autoindustrie zu kämpfen.
Der Arbeitskräftemangel ist beim Nachbarn zum Teil noch ärger als in anderen Ländern. Allein in der Landwirtschaft fehlen 10.000 Kräfte, die nun auf den Philippinen und in Vietnam angeworben werden sollen. Zudem arbeiten mehr als 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Tschechien.
2. Griechenland: Die Vielarbeiter
Nirgendwo sonst in Europa arbeiten die Menschen länger und so häufig am Wochenende wie in Griechenland. Erwerbstätige kommen hier auf 41 Stunden in der Woche. Im Schnitt betrug die Wochenarbeitszeit aller EU-Erwerbstätigen (Daten aus 2022) bei 37 Stunden. Die Wochenarbeitszeit geht Jahr für Jahr leicht zurück, auch weil die Teilzeitquote steigt. Hinter Griechenland folgen die meisten osteuropäischen Länder, weil dort die Teilzeitquote sehr niedrig ist.
Österreich liegt mit 35,7 Stunden an fünftletzter Stelle. Am wenigsten an Stunden gearbeitet wird in er Teilzeithochburg Niederlande mit 31 Stunden. Und zum Wochenende: Immerhin 40,3 Prozent aller Griechen am Arbeitsmarkt, selbstständig wie unselbstständig, sind ständig oder regelmäßig auch am Samstag und am Sonntag im Einsatz. Hauptgrund ist der hohe Tourismus- und Agrar-Anteil am Arbeitsmarkt.
Hinter Griechenland folgen weit abgeschlagen Italien und Irland. Österreich liegt mit einer Quote von 24,8 Prozent auf Rang 8. Der EU-Durchschnitt bei der Wochenend-Arbeit liegt bei 22.4 Prozent. Deutschland liegt mit 18,9 Prozent unter dem EU-Schnitt. Das Wochenende genießen können die Litauer. Dort arbeiten nur 7 Prozent der Beschäftigten regelmäßig am Samstag und Sonntag.
3. Die Niederlande: Die Teilzeitarbeiter
Die Niederlande sind Europas Teilzeithochburg schlechthin. Nirgendwo sonst gibt es mehr Teilzeitarbeitsplätze – und zwar für beide Geschlechter. Der Schlüssel dazu heißt 32-Stunden-Woche bei partnerschaftlicher Arbeitsaufteilung und gesetzlichen Anspruch auf Heimarbeit.
Fast 43 Prozent aller Beschäftigten arbeiten weniger als 40 Stunden, bei den Frauen sind es mehr als zwei Drittel, bei den Männern jeder fünfte. Mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 31 Stunden ist das Land daher auch absolutes Schlusslicht in der EU. Österreich liegt mit einer Teilzeitquote von 29,7 Prozent auf Rang 2 im EU-Ranking, bei den Frauen allein beträgt sie 50,3 Prozent (Werte für 2022). So gut wie unbekannt ist Teilzeit in Bulgarien, Slowakei und Rumänien, auch weil das Lohnniveau dort viel geringer ist.
4. Estland: Die höchste Lohndifferenz
Riesige Unterschiede zwischen den EU-Ländern gibt es bei der Lohnschere zwischen Männern und Frauen. Während in Luxemburg Männer und Frauen gleich viel verdienen, liegt der „Gender Pay Gap“ in Estland bei 21 Prozent. Der Gender Pay Gap misst gemäß Eurostat die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes (ohne Sonderzahlungen) der Frauen und Männer im Verhältnis zum Bruttostundenverdienst der Männer.
Österreich (19 Prozent ) und Deutschland (18) folgen nur knapp dahinter. Bemerkenswert ist, dass Estland eine geringe Teilzeitquote hat. Hauptgrund für das ungleiche Einkommen ist dort der starke, männerdominierte Hightech-Sektor. Kaum Gehaltsunterschiede gibt es hingegen in den Vollzeitländern Rumänien und Slowenien.
5. Lettland: Die meisten Chefinnen
Rund 46,1 Prozent aller Erwerbstätigen in der EU sind Frauen. Aber nur jede dritte Führungskraft (34,7 Prozent) ist weiblich. Die meisten Chefinnen gibt es in Lettland, wo knapp 46 Prozent aller Führungspositionen von einer Frau bekleidet werden, vor allem im öffentlichen Dienst. Überdurchschnittlich viele Frauen an der Spitze haben auch Polen und Schweden mit jeweils 43 Prozent. Schlusslicht bildet Zypern mit 21 Prozent.
Österreich hält sich mit 35 Prozent knapp über dem Durchschnitt. Teilzeitland Niederlande liegt mit 26 Prozent weit zurück. Geht es um den Frauenanteil in Männerberufen wie Handwerk sticht Bulgarien hervor. Dort beträgt die Frauenquote bei den Beschäftigten im Handwerk 24 Prozent, EU-weit sind es 10,8 Prozent.
6. Schweden: Die meisten Älteren
Im Kampf gegen den Fachkräftemangel geht es auch darum, ältere Arbeitnehmer länger in Beschäftigung zu halten. Schweden zeigt es vor. Hier stehen 78 Prozent der 55- bis 64-Jährigen voll im Erwerbsleben (Jahresschnitt 2023). Und zwar bei beiden Geschlechtern. Der EU-Schnitt liegt bei 63,9 Prozent, Österreich hinkt mit 57,3 Prozent hinterher, hat aber zuletzt etwas aufgeholt. Schlusslicht bei der Beschäftigung 55plus ist Luxemburg vor Rumänien und Kroatien, wo gerade einmal die Hälfte der Ü55 im Erwerbsleben steht.
Grund für die großen Unterschiede sind die unterschiedlichen Pensionssysteme samt Pensionsantrittsalter aber auch die Einstellung zum Alter generell, etwa was alternsgerechte Arbeitsplätze, Ausgleit-Modelle in die Pension etc. betrifft. Ein weiterer Faktor ist das vergleichsweise hohe Qualifikationsniveau. Auch jenseits der 64 Jahre beträgt die Erwerbstätigenquote in Schweden immer noch 28 Prozent, nur in Estland und Lettland ist sie noch höher.
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