Arbeiten bis ins hohe Alter unpopulär
In Japan ist Arbeiten bis zum Umfallen keine Seltenheit. Jeder zehnte Arbeitnehmer rechnet hier damit, im hohen Alter von 75 Jahren noch voll im Erwerbsleben zu stehen. In den USA peilt ein Viertel der Arbeitskräfte ein Rentenalter jenseits der 70 an. Und in Österreich?
Die Mehrheit, also 60 Prozent der Beschäftigten, erwartet den persönlichen Pensionsantritt zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr. 35 Prozent glauben an eine Pension vor 70, nur fünf Prozent können sich einen längeren Verbleib im Job vorstellen. Damit zählt Österreich zu den Ländern mit den niedrigsten Erwartungen. In Europa erwarten sich nur die Luxemburger einen noch früheren Pensionsantritt.
Für seinen aktuellen "Workmonitor" befragte der Zeitarbeits-Konzern Randstad Beschäftigte aus 34 Ländern. Österreich belegte den neunten Rang. Das früheste Pensionsantrittsalter wird in der Türkei und in Malaysia erwartet.
65plus
Ganz anders fielen die Antworten im nördlichen Europa aus. In den Niederlanden erwarten nur noch 14 Prozent ihren Pensionsantritt bis 65 Jahre, während 86 Prozent erst nach 65 Jahren mit dem Ruhestand spekulieren. Dies hat freilich auch mit der beschlossenen Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre zu tun. Aus diesem Grund erwartet sich in Deutschland nur noch jeder zweite Arbeitnehmer, vor 65 in Rente gehen zu können.
Für Randstad-Österreich-Chef Michael Wottawa ist das Ergebnis keine Überraschung: "In anderen Ländern ist man es längst gewohnt, länger zu arbeiten, die Österreicher wollen aber so bald es irgendwie geht in Pension gehen." Diese Einstellung sei unabhängig vom Gesetzgeber weit verbreitet, angesichts der nötigen Pensionsreformen aber ein "Kopf-in-den-Sand-Stecken". Wottawa wünscht sich daher sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei Arbeitgebern eine andere Einstellung zum länger Arbeiten. Andere Länder würden es vormachen.
Als "ideales Antrittsalter" gilt in Österreich das 60. Lebensjahr, ergab im Vorjahr auch eine Umfrage der heimischen Plattform seniors4success. Für eine Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters konnten sich nur 18 Prozent erwärmen. Aber warum ist länger Arbeiten in Österreich so unpopulär?
Weil die Pension so ein positives Image hat. "Den Pensionsschock gibt es in Österreich nicht. Die Leute freuen sich auf freie Zeiteinteilung, wollen Freundschaften pflegen, endlich auf Reisen gehen und vieles mehr", sagt Ex-WIFO-Chef Helmut Kramer (75), der sich wissenschaftlich mit Alternsfragen beschäftigt. Es gebe aber durchaus ein Ost-West-Gefälle bei der Einstellung. "In Vorarlberg werden Frühpensionisten schief angeschaut, während in Wien jemand, der über die gesetzliche Grenze hinaus arbeitet, fast für verrückt gehalten wird." Für die Einsicht, dass es sinnvoll ist, länger zu arbeiten, müsse der Staat wohl erst in eine wirtschaftliche Katastrophe schlittern, seufzt der Experte. Er sieht dabei auch die Betriebe in der Pflicht. Sie sollen das Arbeitsumfeld so gestalten, dass Mitarbeiter gar nicht frühzeitig in die Pension flüchten wollen.
Vorurteile
Ein späterer Pensionsantritt führt dazu, dass immer mehr über 60-Jährige im Erwerbsleben stehen. Ein in Österreich noch ungewohntes Bild, gespickt mit hartnäckigen Vorurteilen, wie die Randstad-Umfrage ergab. So glaubt jeder dritte heimische Arbeitnehmer, dass ältere Kollegen weniger produktiv, aber dafür öfter krank sind. 68 Prozent unterstützen die Auffassung, dass es Menschen über 55 schwerer fällt, Neues zu erlernen. In anderen Ländern sind diese Ansichten weniger verbreitet.
Wottawa gibt zu, dass es für Zeitarbeitsfirmen extrem schwierig ist, ältere Arbeitskräfte zu vermitteln. Nur 15 Prozent der Randstad-Mitarbeiter sind älter als 50 Jahre. Zeitarbeit werde vor allem von Berufseinsteigern oder zur Überbrückung in der Mitte der Berufslaufbahn genutzt. Beim geplanten Bonus-Malus-System müsste die Branche daher mit Strafzahlungen rechnen.
"Damit wird nichts erreicht", glaubt Wottawa. Es sollte keine Altersfrage sein, ob man sich von einem Mitarbeiter trennt oder nicht. Stattdessen wünscht er sich bessere Rahmenbedingungen wie etwa gleitende Übergänge in die Pension oder neue Lebensarbeitszeitmodelle. Kramer fehlen die finanziellen Anreize für jene, die über das gesetzliche Pensionsalter hinaus arbeiten wollen.
Jahrzehntelang wurde damit Arbeitsmarktpolitik betrieben: Sparpaket nötig? Ach, lasst uns doch die Älteren in Pension schubsen! Im staatlichen und staatsnahen Bereich geschah das noch ungenierter als anderswo – samt des Privilegs für die betroffenen Beamten, ohne Ruhensbestimmungen in der Frühpension weiter dazuverdienen zu dürfen. Ganze Heerscharen von Eisenbahnern, Postlern und Rathausbeamten sitzen nun in der Blüte ihres Lebens im Schrebergartenhaus und haben viel Zeit, das Laub zu rechen. Kein Wunder, dass Umfragen ergeben, dass die Österreicher auch weiterhin mit frühem Pensionsantritt rechnen. Obwohl die körperliche Arbeitsbelastung gesunken und die Lebenserwartung gestiegen ist, schrumpfte die Zahl der im Erwerbsleben verbrachten Jahre sogar. Der staatliche Pensionszuschuss hat Hypo-Alpe-Adria-Ausmaße erreicht: über zehn Milliarden, und das jährlich, müssen ausgezahlt werden, weil die Versicherungsbeiträge nicht ausreichen. Tendenz stark steigend.
Nur langsam wird gegengesteuert, lieber verteilt die Politik weiterhin Zuckerln. Zwar weiß niemand so genau, wie die jüngste Steuerreform finanziert werden soll, aber für Pensionisten gibt es Extrageld. Fad werden muss den Jungrentnern auch nicht: von Seniorenreisen bis zum Gratis-Seniorenstudium reicht das Angebot. Dennoch sind Pensionisten oft überdurchschnittlich sauer auf die Politik. Dahinter versteckt sich manchmal der Frust, kein aktives Mitglied der Gesellschaft mehr zu sein – besonders, wenn man keine Familienaufgaben hat, was in einer kinderarmen Gesellschaft immer öfter zum Normalfall wird. Im besten Falle wird ehrenamtlich gearbeitet, aber das lässt sich hierzulande noch deutlich ausbauen. In Wahrheit stolpern viele Menschen ja völlig unvorbereitet in den dritten Lebensabschnitt. Deswegen ist die geplante, leider nur sehr halbherzige Teilpension ein erster Schritt. Viele weitere müssen folgen.
Kommentare