Richard Bandera: "Araber verstehen Europa nicht"

Emirati sehen das neue Verschleierungsverbot für den öffentlichen Raum relativ gelassen.
Österreichs Wirtschaftsdelegierter in der Golfregion über die Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik und das Verhüllungsverbot.

Richard Bandera ist Wirtschaftsdelegierter in der Golfregion, für die Länder Vereinigte Arabische Emirate, Saudi Arabien, Kuwait, Oman, Katar und Bahrain zuständig.

KURIER: Die Emirati können mit Österreich viel anfangen. Warum?

Richard Bandera: Das stimmt. Wegen des UNO-Sitzes und der OPEC in Wien. Und wegen Zell am See und Salzburg.

Richard Bandera: "Araber verstehen Europa nicht"
Bandera Richard, Wirtschaftsdelegierter Golfstaaten, Emirate

Warum sind diese beiden Städte ein Tourismusmagnet für die Emirati?

Weil dort vor vielen Jahren ein emiratischer Industrieller ein Haus gekauft hat. Er hat so positiv von der schönen Gegend und den Bergen berichtet, das hat sich herumgesprochen.

Der Wahlsieg von Sebastian Kurz war sogar auf den Titelseiten der Zeitungen hier. Warum?

Es ist schon außergewöhnlich, wenn wir in den Emiraten ins Zentrum der Aufmerksamkeit rutschen. Kurz’ steile Karriere und seine Jugend beeindrucken: In den Emiraten wird Alter mit Weisheit gleichgesetzt. Und es wird über den Rechtsruck in Österreich geschrieben. Das wird den Handelsbeziehungen wohl nicht schaden, das Verschleierungsverbot dem Tourismus aber vielleicht schon.

Inwieweit?

Die österreichischen Exporte in die Emirate sehe ich nicht gefährdet. Weil es den Emirati um die Leistung, Qualität und Zuverlässigkeit der Österreicher geht. Hier spielen Herz oder Ärgernis keine Rolle, sondern es geht allein um ökonomische Faktoren. Beim Tourismus ist die Sache sensibler, das Verschleierungsverbot wird stark beobachtet.

Heißt: Weniger Touristen aus der Golfregion für Österreich?

Das hängt davon ab, wie Österreich dieses Gesetz exekutiert. Wenn es behutsam umgesetzt wird, erklärend und nicht strafend, dann kann man Schaden abwenden. Wenn die Polizei sofort den Notizblock mit den Strafen zückt, verstört das die Touristen sicher.

Die Emirati können so ein Gesetz also nachvollziehen?

Wenn man es ihnen erklärt, werden sich die meisten wohl daran halten. Und fürs nächste Mal überlegen, ob sie unter diesen Umständen wieder nach Österreich fahren wollen. Man muss zwei Dinge berücksichtigen: Das Verbot der Vollverschleierung ist etwas, das es in ganz Europa gibt. Jene Emirati, die offen sind zu reisen, haben also keine andere Wahl, als sich anzupassen. Und: Die Anzahl an vollverschleierten Emirati ist sehr gering.

Im Zuge der emiratischen Berichterstattung über Kurz wurde das Thema Migration und Islamfeindlichkeit in den Medien stark behandelt.

Es wird hier wahrgenommen, dass Europa und die USA eine islamophobe Tendenz haben. Hinter vorgehaltener Hand verstehen die Emirati und Saudis die europäische Welt nicht. Sie verstehen nicht, warum wir so viele Flüchtlinge aufnehmen und unsere Sozial- und Gesellschaftsstruktur damit nachhaltig verändern. Hier in den Emiraten gibt es keine Flüchtlinge. Niemand wird hereingelassen, weil sie wissen, dass sie damit Elemente ins Land bekommen würden, die sie nicht kennen und nicht kontrollieren können. Wer hier einreist, braucht ein Visum und einen Arbeitsplatz.

Die Emirate haben 15 Prozent Einheimische, 85 Prozent Ausländer – und keine Kriminalität. Warum?

Weil das Land ein dichtes Sicherheitsnetz hat. Mit Totalüberwachung von Mobiltelefonen und Videoüberwachung auf den Straßen. Auf den ID-Karten sind Transponder, die zeigen, wo sich eine Person bewegt. WhatsApp, Facebook, Google – alles wird mitgelesen.

Ein Überwachungsstaat ohne Polizei auf der Straße.

Stimmt, weil die sitzt in Daten- und Kontrollzentren und überwacht über die Bildschirme.

Sieht man sich die Vorhaben der Emirate an, wie sie sich auf die Zeit nach dem Öl vorbereiten, hat man den Eindruck, das ist alles visionär und geht in die richtige Richtung.

Das ganze Land ist auf die Vision 2030 ausgerichtet. Das sind soziale und wirtschaftliche Aspekte: wie die internationalen Beziehungen sein sollen, wie die Wirtschaft aufgestellt ist, bis hin zu einem Glücksindex, der auf das Wohl der Bürger schaut. Das ganze Land wird darauf ausgerichtet, dass die Einheimischen zufrieden sind. Und alles, was nicht hineinpasst, wird verändert. Das ist der Vorteil einer Monarchie, Klammer auf: Diktatur. Man macht die Dinge einfach.

Herrscher, die es gut meinen?

Ja. Das ist auf ihre Geschichte zurückzuführen und auf die gute, oft westliche Ausbildung. Ganz oben sitzt der Scheich, und darunter ist sein Clan. Um den kümmert er sich, das ist seine Verpflichtung.

Österreich – Emirate: Wirtschaftsbeziehungen

Für Österreich sind die Golfstaaten ein wichtiger Markt. Zwei Prozent der Exporte gehen in die Golfstaaten – obwohl die Region gesamt nur 60 Millionen Einwohner hat, die Emirate nur acht Millionen. Top-Warenexporte sind Maschinen, Baugewerbe, Nahrungsmittel, Holz und Papier. Die Liebe der Emirati zum Mercedes G, der in Graz gebaut wird, brachte allein 70 Millionen Euro Exporterlöse. Österreichische Akteure in den Emiraten sind: Swarovski, Waagner Biro, Doka, voestalpine, Skidata, Unger Stahl, Vamed, Strabag, Umdasch, Rosenbauer.

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