Produktfälschungen: Aufgriffe auf dritthöchstem Stand aller Zeiten

Gefälschte und vom Zoll entdeckte Produkte
Über 128.000 gefälschte Produkte 2024 beschlagnahmt. Besonders gefährlich sind Fake-Medikamente, warnt Finanzministerium.

Zusammenfassung

  • 2024 wurden in Österreich über 128.000 gefälschte Produkte beschlagnahmt, der dritthöchste Wert aller Zeiten.
  • 80 % der als gefährlich eingestuften Fälschungen sind Produkte für Kinder, darunter Spielzeug und Bekleidung.
  • Gefälschte Medikamente sind besonders gefährlich. 378.109 Stück wurden 2024 beschlagnahmt, oft ohne Wirkstoff oder mit Überdosis.

"Produktpiraterie ist kein Kavaliersdelikt. Es schädigt heimische Hersteller, ist Betrug am Konsumenten und im schlimmsten Fall eine Gefahr", sagt Barbara Eibinger-Miedl, Staatssekretärin im Finanzministerium, anlässlich der Präsentation des Produktpiraterieberichts 2024 am Donnerstag. 6.327 Sendungen mit gefälschten Produkten seien im Vorjahr entdeckt worden, dazu kommen 7.147 Sendungen mit gefälschten und anderen illegalen Medikamenten.

Gefährliche Produkte oft für Kinder

Insgesamt wurden 128.898 gefälschte Produkte aufgegriffen - das sei der dritthöchste Wert, der je in einem Jahr in Österreich gemessen wurde, sagt Eibinger-Miedl. Der Preis der Originale dieser Produktfälschungen belaufe sich auf mehr als 38 Millionen Euro - das sei der zweithöchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Entdeckt wurden die Produkte im Postverkehr, vor allem aber beim Import am Flughafen Wien und an den Donauhäfen, erklärt Bernhard Herics von der Abteilung Zoll im Finanzministerium.

Selbst Kettensägen werden gefälscht: Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl und Zollbeamter Bernhard Herics mit beschlagnahmter Ware

Selbst Kettensägen werden gefälscht: Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl und Zollbeamter Bernhard Herics mit beschlagnahmter Ware

Laut Eibinger-Miedl seien 80 Prozent der Fälschungen, die als gesundheitsgefährdend eingestuft wurden, Produkte für Kinder. Darunter fallen Spielzeug, Pflegeprodukte, oder Kinderbekleidung, die etwa chemische Substanzen enthält, die Kinder schaden könnten.

Viagra mit der zigfachen Wirkstoffmenge

Für die gesamte Bevölkerung gefährlich seien gefälschte und illegale Medikamente. Davon wurden 2024 genau 378.109 Stück beschlagnahmt. "Die meisten gefälschten Medikamente kommen über den Internet- und Versandhandel ins Land", erzählt Herics. Er schildert einen Fall, in dem eine Lieferung vermeintlicher Viagra-Tabletten aufgegriffen wurde. Bei einer Analyse ergab sich, dass in 97 Prozent der Tabletten keinerlei Wirkstoff enthalten war, in 3 Prozent der Tabletten allerdings ein Vielfaches der üblichen Wirkstoffmenge.

"Der Medikamentenbereich ist so sensibel", sagt Eibinger-Miedl. "Dahinter steckt jahrzehntelange Forschungsarbeit und Zertifizierung." Medizinprodukte seien ein Beispiel für schutzrechtsintensive Branchen, in denen geistiges Eigentum die Geschäftsgrundlage darstelle, etwa in Form von Patenten. Den Großteil der in Österreich sichergestellten Waren machen laut Bericht vermeintliche Potenzmittel und fruchtbarkeitsfördernde Produkte, Präparate zur Besserung von Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen, Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie schmerz- und entzündungshemmende Medikamente aus.

Selbst Waschmittel wird gefälscht

Laut Herics sei der heimische Zoll international gut vernetzt. Eine besondere Häufung der Produktpiraterie stelle man stets bei Großereignissen, etwa der Fussball-EM im Vorjahr, fest. Die Produktkategorien, bei denen Fälschungen auftreten, werden immer vielfältiger. "Im vergangenen Jahr besonders irritiert hat uns, dass sogar Waschmittel gefälscht wird. Im Wiener Hafen hatten wir einen Transport aus der Türkei mit 16 Tonnen gefälschtem Persil-Waschmittel. Man ist vor nichts mehr gefeit."

Gefälschte Uhren: Nur eine kleine Auswahl der vielen Produktpiraterie-Fälle des Zolls

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Echte Chanel-Handtaschen gibt es nicht um 20 Euro

Eibinger-Miedl und Herics appellieren an Unternehmen, bei der Bekämpfung von Produktpiraterie selbst tätig zu werden. Ohne einen Auftrag des Rechteinhabers könne der Zoll keine speziellen Kontrollen durchführen. Aber auch Konsumenten seien gefordert, beim Shopping genau hinzuschauen und dadurch mitzuhelfen, dass Produkthersteller geschützt und dadurch Arbeitsplätze erhalten werden.

Das Erkennen von Fälschungen sei in vielen Fällen nicht einfach. Man solle besonders auf Verpackungen und Rechnungen achten, wenn man Produkte erwirbt. Manchmal reicht aber auch das Vertrauen darauf, mit einem bestimmten Produkt kein besonderes Schnäppchen entdeckt zu haben. Herics: "Jemand, der sich für Chanel-Handtaschen interessiert, wird vielleicht merken, dass er die nicht um 20 Euro am Markt kaufen kann."

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