Paracetamol vs. Ibuprofen: Wie Medikamente das Denken beeinflussen

Viele Medikamente beeinflussen – oft unbemerkt – unser Denken, meinen Forschende in einer neuen Studie.
Zusammenfassung
- Medikamente beeinflussen kognitive Fähigkeiten, oft unbemerkt und sowohl positiv als auch negativ.
- Benzodiazepine, einige Antidepressiva, Opioide und Paracetamol sind mit kognitivem Abbau verbunden.
- Ibuprofen, Glucosamin und einige Antiallergika zeigen positive Effekte auf das Denkvermögen.
Unsere geistige Leistungsfähigkeit wird oft unbemerkt von Medikamenten beeinflusst – sowohl positiv als auch negativ. Während einige Wirkstoffe das Denkvermögen fördern, können andere es schleichend verschlechtern.
Besonders problematisch ist das im Alter: In den USA hat sich die Zahl älterer Erwachsener, die mindestens drei kognitiv nachteilige Medikamente verschrieben bekommen, seit dem Jahr 2000 verdreifacht. Viele dieser Effekte bleiben unentdeckt, weil sie fälschlicherweise als normale Alterserscheinung abgetan werden.
Was hilft, was schadet?
Eine aktuelle Studie hat nun untersucht, welche Wirkstoffe das Gehirn beeinträchtigen oder unterstützen – mit teils überraschenden Ergebnissen.
Besonders kritisch sind laut den Forschenden Beruhigungs- und Schlafmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine. Sie können das Gedächtnis und die Verarbeitungsgeschwindigkeit merklich verschlechtern. Auch einige Antidepressiva sowie Opioide wie Codein stehen mit kognitivem Abbau in Verbindung.
Eine unerwartete Erkenntnis: Paracetamol, eines der weltweit am häufigsten verwendeten Schmerzmittel, könnte ebenfalls die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Die Untersuchung zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen häufiger Einnahme und schlechteren Ergebnissen in mehreren kognitiven Tests. Auch Protonenpumpenhemmer (PPIs), die gegen Sodbrennen eingesetzt werden, wurden mit einer geringeren geistigen Leistungsfähigkeit assoziiert.
Doch nicht alle Medikamente haben negative Effekte – einige könnten sogar das Denkvermögen stützen. Ibuprofen wurde mit schnelleren Reaktionszeiten und besserer Gedächtnisleistung in Verbindung gebracht. Auch der Wirkstoff Glucosamin für Gelenke und Knorpelaufbau sowie einige Antiallergika wie Loratadin zeigten positive Effekte.
Einschätzung des Experten
Zur Methodik der Studie äußert Rudolf Likar, Schmerzmediziner und Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt, Kritik: „Die Studie wurde nicht nach Altersklassen ausgewertet. Somit bleibt unklar, ob nicht ältere Personen nach der Einnahme von Paracetamol tatsächlich häufiger an kognitiven Defiziten litten als jüngere Studienteilnehmer.“ Diese Differenzierung sei entscheidend, da Paracetamol im Vergleich zu Ibuprofen als verträglicher gilt und insbesondere bei älteren Menschen als sogenanntes „Ausweichmedikament“ eingesetzt wird. Ibuprofen hingegen birgt ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt. Zudem sollte es bei eingeschränkter Nierenfunktion vermieden und durch Alternativen ersetzt werden.
Wirkmechanismen
Ibuprofen wirkt besonders bei Schmerzen, die mit Entzündungen einhergehen – etwa bei chronischem oder akutem Rückenschmerz sowie Gelenksabnutzungen. Neben seiner entzündungshemmenden Wirkung lindert es Schmerzen und senkt Fieber. Paracetamol besitzt dagegen keine entzündungshemmende Wirkung, ist aber ein bewährtes Schmerzmittel für Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Zahnschmerzen und schont den Magen und die Nieren.
Grundsätzlich gilt: Schmerzmittel sollten nicht dauerhaft eingenommen werden. „Medikamente sind keine Dauerlösung und sollten auch wieder reduziert werden“, betont Likar. Er verweist im Fall von Ibuprofen auf die Chronobiologie des Schmerzes: Das Mittel sollte gezielt zum Zeitpunkt des Schmerzes eingenommen werden – nicht darüber hinaus. So kann sich die Niere in den Schmerzpausen erholen. Dennoch gibt es Ausnahmen. „Wer Ibuprofen lange einnimmt, sollte einen Protonenpumpenhemmer zum Schutz des Magens verwenden“, erklärt der Schmerzmediziner. Und hier schließt sich der Kreis zur eingangs erwähnten Studie: „Was wirklich erschreckend ist, sind die Auswirkungen von Protonenpumpenhemmern auf die kognitive Funktion. Diese Medikamente werden oft automatisch älteren Menschen verschrieben, selbst wenn sie sie gar nicht brauchen“, warnt Likar.
Ob es unterschiedliche Schmerzmittel-Typen gibt, also Menschen, die besser auf Ibuprofen oder Paracetamol ansprechen, lässt sich nicht eindeutig beantworten. „Das müsste man genetisch austesten – und das wäre zu teuer.“ Letztlich bleibt nur das Ausprobieren, um herauszufinden, welches Mittel individuell am besten wirkt.
Die vollständige Studie wurde unter dem Titel "The Cognitive Footprint of Medication Use" veröffentlicht und entstand in Zusammenarbeit mehrerer europäischer Universitäten.
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