Anleger zwischen Angst und Hoffnung

Anleger zwischen Angst und Hoffnung
Jeder Anleger hegt in Sachen Euro ganz persönliche Emotionen. Hier drei Geldtipps von Profis für drei sehr unterschiedliche Szenarien.

In den vergangenen Wochen hat sich die Schuldenkrise in der Eurozone derart zugespitzt, dass es mittlerweile ums Ganze geht. Kann die Eurozone tatsächlich mit all ihren Mitgliedern überleben, müssen einige von ihnen raus oder zerfällt die Währungsunion überhaupt? Olli Rehn, EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, hat es vor gut einer Woche auf den – zugespitzten – Punkt gebracht: "Wir kommen nun in die kritische Phase von zehn Tagen, um die Krisenantwort der EU zu beschließen." Der Countdown läuft längst, Donnerstag und Freitag muss auf dem EU-Gipfel in Brüssel ein glaubhaftes Paket geschnürt werden. Glaubhaft bedeutet: Groß- und Kleinanleger müssen wieder darauf vertrauen können, dass Staatsanleihen aus der Eurozone sichere Investments sind.

Kurz vor dem Gipfel ist das Vertrauen in die Lösungskraft der Eurozone zurückgekehrt. Die Aktienkurse stiegen genauso wie die Anleihenkurse. Letzteres drückte die Renditen nach unten, was hoch verschuldeten Staaten Luft verschaffte. Das alles kann aber auch nur ein kurzes Aufflackern gewesen sein. Denn gelöst ist eigentlich noch gar nichts.

Drei Szenarien

Szenario 1: Der Horror
Die Schuldenkrise kann und kann nicht gelöst werden, die Eurozone bricht auseinander, große Euroländer stehen vor der Pleite. Die Renditen von Staatsanleihen schießen in astronomische Höhen. Es folgt eine tiefe Rezession mit hohen Arbeitslosenraten. Das Vertrauen in Papiergeld ist weg. Die Bürger haben Angst um ihr Erspartes und um ihre privaten Zusatzpensionen.

Szenario 2: Durch die rosarote Brille

EU- und Euro-Politiker können sich rasch auf eine glaubhafte Lösung der Krise einigen. Endlich ziehen alle an einem Strang. Die Politik erkennt, dass Schuldenbremsen gut sind, dass aber nicht nur Sparen angesagt sein kann. Es folgen Programme zur Stimulierung der Konjunktur. Eine Rezession kann vermieden werden, mit der Wirtschaft geht es aufwärts.

Szenario 3: Der mühsame Weg zurück
Mit Trippelschritten gelingt es der Politik, der Schuldenkrise zu begegnen. Die harten Sparprogramme bringen eine spürbare Dämpfung der Konjunktur mit sich. Die Krise zieht sich in die Länge, eine tiefe Rezession kann aber vermieden werden. Langsam kehrt das Vertrauen zurück.

Der Horror geht um

Szenario 1: Flucht in Immobilien und Gold

Eine schwere Krise, geprägt vom Auseinanderbrechen der Eurozone und einer langen Rezession, würde zu größeren Verwerfungen auf den Finanzmärkten führen. "In diesem Szenario würde sich die Flucht in Sachwerte, also vor allem Immobilien und Gold, noch verstärken", glaubt Erste-Sparinvest-Chef Franz Gschiegl. Doch vor dieser einseitigen Herangehensweise warnt RLB-NÖ-Wien-Vorstand Gerhard Rehor. "In einer solchen Situation gibt es kein Allheilmittel, von dem man heute schon mit Sicherheit weiß, dass das dann funktioniert." Daher sei es wichtig, auch in diesem Fall sein Vermögen auf mehrere Anlageklassen aufzuteilen.

Reale Vermögenswerte seien mit Vorsicht zu genießen. "Veranlagt man etwa sein gesamtes Vermögen in Immobilien und vermietet diese, könnten mögliche gesetzliche Mietobergrenzen den Veranlagungserfolg zunichtemachen", warnt Rehor. In die gleiche Kerbe schlägt Gerald Diglas von der Fondsgesellschaft Valartis. "Es besteht die Gefahr, dass der Staat auf das Eigentum der Bürger zugreift." Dieses Szenario sei zwar relativ unwahrscheinlich, da der Staat mit der Immobilie im Regelfall nichts anfangen könne. "Man muss aber den Worst Case in Erwägung ziehen."

Laut Rehor ist auch Gold mit hohen Risiken belegt. Denn der Kurs schwanke stark und es sei nicht garantiert, dass sich der Preis in einer Krise positiv entwickle. "Mögliche gesetzliche Verbote für private Anleger Gold zu besitzen könnten zu Problemen führen", so Rehor.

Alternative: Die RLB rät auch in harten Zeiten zu Staatsanleihen der Euro-Kernländer (20 Prozent des verfügbaren Vermögens), zu Staatsanleihen aus den wenig verschuldeten Wachstumsländern sowie Unternehmensanleihen (je 10 Prozent). 25 Prozent der Gelder sollten auf Sparbüchern liegen. Auch im Horrorszenario sollten Aktien im Depot nicht fehlen. Die RLB nennt Großkonzerne mit langfristig etablierten Geschäftsmodellen wie OMV, Verbund, Nestlé oder McDonald’s. Die Sparinvest glaubt zudem an Gesundheitstitel.

Durch die rosarote Brille

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Szenario 2: An Aktien führt kein Weg vorbei.

Klappt eine glaubwürdige Lösung der Schuldenkrise tatsächlich, "würde das bedeuten, dass eine Rallye an den Aktienmärkten bevorsteht", so Erste-Sparinvest-Chef Franz Gschiegl. Anleger, die an ein gutes Ende der Krise glauben, müssten sich daher schon jetzt mit riskanteren Wertpapieren wie etwa Aktien eindecken. Dazu zählt Gschiegl auch Finanz-Titel sowie Aktien aus rasch wachsenden Staaten wie der Türkei oder Russland, "um den Schwung mitnehmen zu können".

Zu einem höheren Aktienanteil rät auch Valartis-Manager Gerald Diglas. Sein Vorschlag: 60 Prozent der Veranlagung sollten Produkten vorbehalten sein, die bis zur Hälfte aus Aktien bestehen. Für weitere 30 Prozent empfiehlt er Anleihen von Staaten und Unternehmen mit guter Bonität (im schlechtesten Fall BBB). Da Edelmetalle für Valartis grundsätzlich zur Veranlagung zählen, rät Diglas auch Anlegern, die durch die rosarote Brille schauen, zu zehn Prozent in Gold- und Silbermünzen investiert zu sein.

Ende gut, alles gut – in diesem Umfeld würden vor allem risikoreiche Veranlagungsklassen wie Aktien und Unternehmensanleihen überdurchschnittlich profitieren, allen voran aus wirtschaftlich rasch wachsenden Ländern (Emerging Markets). Diese Meinung vertritt auch RLB NÖ-Wien-Vorstandsdirektor Gerhard Rehor. Risikobewussten Anlegern empfiehlt er folgende Geldverteilung: 65 Prozent für Aktien und fünf Prozent für Anleihen aus Emerging Markets, sieben Prozent für Unternehmensanleihen, acht Prozent für alternative Investments sowie zehn Prozent für sogenannte Trendfolger-Produkte (Managed Futures). Anlegern, die sich nicht ganz so weit aus dem Fenster lehnen wollen, empfiehlt Rehor, statt auf umfangreiche Aktienkäufe auf Staatsanleihen mittelguter Bonität zu setzen.

Ist das "Rosarote Brille"-Szenario vollkommen aus der Luft gegriffen? Nein, meint Sparinvest-Boss Franz Gschiegl. Er glaubt an ein Szenario zwischen 2 und 3: „Die Welt wird nicht untergehen."

Mühsam, aber aufwärts

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Szenario 3: Das Happy End vorwegnehmen.

Der Weg aus der Schuldenkrise ist steinig und steil – an diese Variante glaubt die Mehrzahl der befragten Experten. Sie gehen davon aus, dass die Wirtschaft der Eurozone das eine oder andere Quartal schrumpfen wird – was de facto einer Rezession entspricht.

In diesem Umfeld "erwarten wir bei Aktien keinen klaren Aufwärtstrend, sondern starke Kursschwankungen", sagt der Chefvolkswirt der BNP Paribas in Deutschland, Reinhold Knaus. Sein Tipp: Aktien aus dem Finanzsektor meiden, dafür zu Titeln mit hohen Dividenden von Konzernen greifen, die ein solides Geschäftsmodell aufweisen. Staatsanleihen mit Top-Ratings seien wegen der tiefen Zinsen kaum interessant. Für Anleger mit einer gewissen Risikobereitschaft stellen Unternehmensanleihen eine Alternative dar. Eine Rezession in der Eurozone kann aber auch diese Papiere noch nach unten drücken. Das würde noch günstigere Einstiegsmöglichkeiten bringen.

Der langsame Weg zurück zur Normalität bedeutet für Erste-Sparinvest-Chef Franz Gschiegl, dass auch die zum Teil massiv unter Druck geratenen Staatsanleihen zu normalen Bewertungsniveaus zurückkehren. Bei Staatspapieren aus Italien oder Spanien würde der

Renditeabstand zu Anleihen aus Deutschland wieder schrumpfen. Die damit einher gehenden Kursgewinne "könnten sich für Anleger bezahlt machen", meint Gschiegl. Von dieser Entwicklung würden auch Unternehmensanleihen bis zur Rating-Stufe BB profitieren. Mit steigender Risikofreudigkeit können Anleger dann auch das Engagement an den Aktienmärkten verstärken. Börsen nehmen ein Happy End für die Wirtschaft in der Regel sechs bis acht Monate mit steigenden Kursen vorweg. Kurzfristig kann es in dieser Phase auch zu einer wahren Aufholjagd bei Finanztiteln kommen. Mittelfristig sieht Gschiegl die größten Chancen bei Aktien mit Bezug zu den Wachstumsländern (Brasilien, Russland, Indien, China sowie Türkei).

Streuen: Auch im vorgegebenen Szenario 2 "ist es sehr wichtig, auf verschiedene Veranlagungsklassen und Strategien zu setzen", so RLB NÖ-Wien-Vorstandsdirektor Gerhard Rehor. Die Kurse werden heftig schwanken. Verluste daraus können nur begrenzt oder vermieden werden, wenn Anleger das Kapital sehr breit streuen. Zur Streuung zählt Rehor: Aktien, Staats-, Bank- und Unternehmensanleihen sowie Produkte aus den Bereichen Absolute Return, Alternative Investments und Managed Futures.

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