Anlagetrends: "Konsum um des Konsums willen sehe ich bedroht"

Anlagetrends: "Konsum um des Konsums willen sehe ich bedroht"
Anti-Globalisierung und Konsum im Wandel: Für Trends wie Wegwerfmode sieht Expertin Kasia Kiladis schwere Zeiten anbrechen.

Wer sein Vermögen auf lange Sicht absichern will, für den sind Quartalsergebnisse weniger spannend als die ganz großen Entwicklungen. Welche Trends haben Profis da auf dem Radar? Der KURIER sprach mit Kasia Kiladis, Investment Director bei Fidelity International in London.

Anlagetrends: "Konsum um des Konsums willen sehe ich bedroht"

Kasia Kiladis, Fidelity International

  • Gegen-Globalisierung

Das Wachstum der vergangenen Jahrzehnte war in erster Linie konsumgetrieben: „Die USA und Europa haben von billigen Importen und Arbeitskräften massiv profitiert. Die Schwellenländer haben darauf ihr Geschäftsmodell gegründet“, sagt Kiladis.

Sobald ein Absatzmarkt gesättigt war oder schwächelte, stand die ganze Welt als neuer Exportmarkt offen. „Diese Form der Globalisierung steht heute weltweit auf dem Prüfstand.“

  • USA im Wahlkampf

US-Präsident Donald Trump hat gute Chancen wiedergewählt zu werden, glaubt Kiladis: "Das Auslagern von Fabriken nach Asien im Zuge der Globalisierung hatte zwar den Aktionären und Finanzmärkten genützt, aber den Arbeitern nicht: deren Löhne stagnierten größtenteils."

Die allgemeine Stimmung gegen Globalisierung und Einwanderung spiele ihm bei diesen Wählern in die Hände. Dass Trump kaum konkrete Erfolge vorzuweisen hat, spiele hingegen kaum eine Rolle: "Seine Wähler lieben es, wenn er Härte gegenüber China demonstriert und verspricht, Jobs in die USA zurückzubringen."

Obendrein ist ihm die Unterstützung von streng religiösen Gruppen und vielen Unternehmern und Bankern sicher: "Ein Trump-Sieg würde sich zumindest für die Finanzmärkte positiv auswirken." Schließlich seien weniger Regulierung und geringere Umweltauflagen "fantastisch für die Finanz- und Energiebranche".

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  • Regionale Größen

Schwieriger wird es für global agierende Konzerne - sie haben immer mehr Handelshürden zu überwinden.   „Amazon, Google, Apple wird es weiterhin geben. Werden sie im selben Tempo weiterwachsen wie die vergangenen zehn Jahre? Vielleicht nicht“, gibt Kiladis zu bedenken. Somit werden Unternehmen interessanter, die im regionalen Markt stark verankert sind.

  • Wachstum gesucht

Viele US-Unternehmen haben zuletzt auf rasche Gewinne gesetzt. Das Cash, das Trumps Steuerreform in die Firmenkassen spülte, wurde in Aktienrückkäufe gesteckt – und hat die Bewertungen an der Börse befeuert. In höhere Löhne oder gar Investitionen floss hingegen weniger. „Wachstum wird künftig schwieriger zu finden sein“, ist Kiladis überzeugt.

Fidelity halte nach zukunftsträchtigen Investitionsfeldern Ausschau – etwa jenen Rüstungskonzern, der eine Cybersicherheitsfirma gekauft hat. Zumal Konflikte seltener mit Panzern als via Internet und Online-Attacken ausgefochten würden.

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  • Techno, Techno

Die technologische Disruption erfasse alle Branchen. Bei Immobilien birgt das spezielles Potenzial für hochmoderne Lagerhäuser und Datencenter. In der Gesundheit sind personalisierte Vorsorge oder Pflegeroboter ein Thema.

Die Aktien von Kreditkarten- und Zahlungsanbietern haben stark profitiert. „Sie sind aber schon sehr teuer“, sagt Kiladis. Großes Potenzial sieht sie im Einsatz Künstlicher Intelligenz bei der Anlageberatung, speziell zur Altersvorsorge.

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Dr. Martens-Schuhe mit Union Jack

Viele Jahre hat der Handel nur in Richtung Internet gedrängt, jetzt schwingt das Pendel zurück. „Die Kunden wollen eine Präsenz vor Ort. Sogar Microsoft hat so wie Apple Flagship-Stores eröffnet.“

Auch die Demografie, die Anti-Globalisierungs- und Klimabewegung verändern Prioritäten. Wenn ein vor Ort hergestelltes Hemd drei Mal so teuer ist, werde man nicht flott zehn Stück kaufen, sondern gut überlegen, ob es einem wirklich gefällt. „Ich glaube, dass Fast Fashion (Wegwerfmode) ernsthaft unter Druck kommen könnte.“

Dr. Martens biete seine Schuhe jetzt in zwei Varianten an – erzeugt in China oder in England, mit Preisaufschlag. In der 24-Stunden-Zustellung der Versandfirmen sieht Kiladis viele verschwendete Ressourcen. „Wir werden sorgsamer werden müssen. Reinen Konsum um des Konsums willen sehe ich bedroht.“

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Carsharing und Ladestationen in London - fast allgegenwärtig

  • Autoindustrie

Risiken ortet die Expertin für die Autoindustrie in Deutschland, Südkorea, Japan, aber auch Österreichs Zulieferer. Nicht nur wegen E-Autos, sondern wegen eines Generationenwandels: „Die Jüngeren kaufen kaum noch Autos.“ Sie finde in London in zehn Minuten Gehzeit jederzeit 20 verfügbare E-Autos zum Ausborgen. „Warum soll ich da den Kaufpreis, Versicherung, Service, Parkplatz, Mautgebühren zahlen – und riskieren, dass mein Auto gestohlen wird?“ Wie überall gebe es auch Gewinner, etwa Anbieter von Sensoren.

  • Steigende Zinsen

Dass Null- und Negativzinsen die neue Normalität sind, glaubt Kiladis nicht. "Wir haben jetzt quasi Heilpflaster auf die gröbsten Probleme geklebt und kitzeln noch die letzten Reste von Wachstum heraus. Aber Zölle wirken inflationär, die Abkehr von der Globalisierung wirkt inflationär. Staatliche Konjunkturankurbelung wirkt inflationär. Und da reden wir noch gar nicht von langfristigen Risiken wie einem Ölpreis- oder Energiekostenschock."

Somit müssten wohl irgendwann auch wieder die Zinsen steigen, folgert Kasia Kiladis. „Das ist jetzt zwar überhaupt nicht absehbar, aber das heißt nicht, dass es nicht passieren wird."

Kasia Kiladis hat in Amherst und Boston (USA) studiert und arbeitete ab 1997 zunächst bei Fidelity Worldwide in Boston und seit 2002 bei Fidelity International in London, wo sie mit Familie lebt.

Fidelity International wurde 1969 gegründet und ist im Besitz des Managements und der Gründerfamilie. Der langfristig orientierte Vermögensberater betreut institutionelle Anleger wie Privatkunden und verwaltet 368 Milliarden Euro Kundenvermögen im Asia-Pazifik-Raum, Europa, dem Nahen Osten und Südamerika. Ein Team von gut 400 Experten und Fondsmanagern recherchiert für die Anlagestrategie vor Ort bei den Firmen und nimmt dafür jährlich an 16.000 Treffen teil.

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