Geflüchtete in Wien auf Jobsuche: "Manche hier haben nie eine Schule besucht"

Vier junge Geflüchtete unterschiedlicher Herkunft schauen freundlich in die Kamera.
Junge Geflüchtete finden schwer Anschluss am Arbeitsmarkt in Österreich. Ein Besuch im Wiener Jugendcollege und Geschichten von jenen, die es versuchen.

Auf einem Arbeitsmarkt, der für junge Menschen ohne Schulabschluss und Deutschkenntnisse kaum Perspektiven bietet, stellt sich nur schwer Optimismus ein. Hazar, Krestina, Yusuf und Kefayatullah sind trotzdem zuversichtlich.

Die Geflüchteten sind Teil des Integrationsprojekts Wiener Jugendcollege, dessen Zahlen vielversprechend klingen: 86 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren schaffen den Pflichtschulabschluss. Am Standort im 2. Bezirk, wo die vier Flüchtlinge teilnehmen, sind es sogar 93 Prozent.

Wie in der Schule

Wer den unauffälligen Neubau in der Praterstraße betritt, wird zwangsläufig in die Schulzeit zurückversetzt. Zwei Burschen stehen zusammen und lachen über ein Handyvideo. Eine Gruppe junger Frauen geht kichernd die Stufen hinauf. Sie kommen aus Afghanistan, Somalia, dem Irak. Sie sind Uiguren aus China und Drusen aus Syrien.

3.120 junge Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte haben bisher an dem Projekt teilgenommen, um sich für Ausbildungen und den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Das Besondere ist der schulähnliche Charakter: Täglich sechs Stunden lang geht es um Spracherwerb und Basisbildung in Mathematik, Englisch und Digitalisierung. Begleitet werden sie mit sozialpädagogischer Betreuung. Es ist der bisher wohl ambitionierteste Versuch in Österreich, Menschen raus aus der Mindestsicherung in ein selbstständiges Leben zu holen.

Eine Gruppe von Personen sitzt in einem Raum vor einer Leinwand des Jugendcollege Wien.

Im Jugendcollege Wien wird versucht, jungen Geflüchteten bei der Arbeitssuche zu helfen.

In einem nüchternen Schulungsraum bekommen die Zahlen Gesichter. Krestina arbeitete nach ihrer Flucht aus Syrien als Erntehelferin in der Türkei, 14 Jahre alt war sie damals. Als sie nach Österreich kam, sprach sie kein Wort Deutsch. Heute, zweieinhalb Jahre später, hat die 19-Jährige ihren Pflichtschulabschluss am Jugendcollege nachgeholt. Im Moment besucht sie einen Sprachkurs auf B2-Niveau. Sie will Krankenschwester werden.

Yusuf aus Mali schickt gerade Bewerbungen raus. Er möchte etwas „mit seinen Händen“ machen – Kfz-Techniker oder Betriebslogistik. Der 23-Jährige ist 2022 alleine nach Österreich gekommen. Er ist ehrgeizig, will „etwas erreichen“. Nur seine Wohnsituation setzt ihm zu: Yusuf teilt sich ein Zimmer mit drei Mitbewohnern.

Im Oktober waren 42.298 Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte in Österreich arbeitslos. Während die Zahl der Männer im Vergleich zum Vorjahr sank, stieg jene der Frauen. Drei von vier leben in Wien, Syrer bilden mit 22.983 mit Abstand die größte Gruppe.

Ziel ist die Lehre

„Manche hier haben nie eine Schule besucht“, sagt Jan Weinreich vom BFI Wien, das das Jugendcollege in der Praterstraße für das AMS betreibt. Es gehe also darum, zuerst das Lernen zu lernen.

Ziel der meisten ist eine Lehrstelle. Es gibt aber auch junge Erwachsene, die die Chance nicht nutzen. „Sie wollen gleich arbeiten gehen“, sagt Bereichsleiterin Sanja Vlahovic Erkan. Die Möglichkeiten beschränken sich aber meist auf Essenlieferant oder Paketzusteller.

Kritisiert werden vor allem die hohen Kosten des Jugendcolleges. 38,17 Millionen Euro fließen in das neue Förderjahr – finanziert von Stadt und AMS. Am Jugendcollege argumentiert man hingegen: Wer junge Geflüchtete am Arbeitsmarkt integrieren will, müsse Geld in die Hand nehmen.

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