AK-Chefin Anderl: „Wer betrügt, muss zahlen“

DOORSTEP VOR DER SITZUNG ZUR INDUSTRIESTRATEGIE IM WIRTSCHAFTSMINISTERIUM
Die Arbeiterkammer hat eine neue Diskussion über die Höhe der Strafen in Sachen Lohn- und Sozialdumping entfacht. Sie fordert eine Novelle des Betrugsbekämpfungsgesetzes.

Allein in der Baubranche beträgt der Schaden durch Lohn- und Sozialbetrug laut Finanzpolizei rund 380 Millionen Euro pro Jahr – darin sind aber nur die unterschlagenen Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge eingerechnet. Schwarz bezahlte Löhne oder zu gering bezahlte Löhne sind nicht erfasst. Doch hier hakt die Arbeiterkammer ein. Sie hat eine Studie in Auftrag gegeben, die zeigt, dass die Strafen für Unterentlohnung seit der Reform des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes im Jahr 2021 gesunken sind.

„Lohnbetrug ist kein Kavaliersdelikt. Wer betrügt, muss zahlen“, sagt AK-Chefin Renate Anderl. „Das Gesetz wurde massiv aufgeweicht, die Strafen sind deutlich gesunken. Das Kumulationsprinzip wurde abgeschafft. Die Strafen haben ihr abschreckende Wirkung verloren.“ Wurde früher ein Unternehmer erwischt, der 20 Mitarbeitern zu geringe Löhne bezahlte, fasste er pro Beschäftigten je eine Strafe aus. Heute ist die Gesetzeslage so, dass der Verstoß nur mit einer Gesamtstrafe sanktioniert wird.

Mehrere Branchen

„Das ist fast ein Freibrief für Unternehmen, ihre Beschäftigten um den hart erarbeiteten Lohn und den Staat um wichtige Einnahmen zu prellen“, sagt Anderl. „Sozialbetrug ist für manche Unternehmen ein profitables Geschäftsmodell geworden.“ Betroffen davon ist nicht nur die Baubranche, sondern auch die Sparten Hotel und Gastronomie, Kleintransporte sowie die Reinigungs- und Bewachungsbranche.

Man muss aber auch wissen, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) die frühere österreichische Gesetzeslage in Sachen Sozialbetrug gekippt hat. Die drakonischen Strafen, die durch das Kumulationsprinzip zustande kamen, wurden als unionsrechtswidrig eingestuft. Vor allem das Fehlen einer Gesamthöchststrafe wurde moniert. Der Gesetzgeber musste daraufhin das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz 2021 reparieren.

309 rechtskräftige Straferkenntnisse

„Mit der Abschaffung des Kumulationsprinzips und der Mindeststrafe wurde ein völlig anderes Strafsystem geschaffen“, sagt AK-Experte Walter Gagawczuk. „Es wäre eine geringfügige Korrektur ausreichend gewesen. Man hätte das Kumulationsprinzip nicht abschaffen müssen.“ Die AK hat die Strafen vor und nach der Gesetzesänderung verglichen. Sie ließ vom Institut L&R Sozialforschung 309 rechtskräftige Straferkenntnisse wegen Unterentlohnung aus den Jahren 2020 und 2022 untersuchen. Die Fälle betreffen Unternehmen im Baugewerbe, die Beschäftigte nach Österreich entsendeten bzw. inländischen Firmen überlassen haben. Bei Firmen mit mehr als drei Beschäftigten sind die Strafen besonders gering.

„Die Strafen sind auf fast ein Drittel gesunken“, sagt Gagawczuk. „Jeder fünfte Arbeitgeber erhielt eine Strafe, die niedriger war als das vorenthaltene Entgelt.“

Paket in Arbeit

Die AK fordert daher höhere Strafen, vor allem dann, wenn sich Unternehmen der Kontrolle entziehen und keine Lohnunterlagen vorlegen.

 Aus dem Sozialministerium heißt es, dass die Regierung an Betrugsbekämpfungs- und Arbeitsrechtspaketen arbeite und das Problem Lohn- und Sozialdumping thematisiere. Man müsse „bei den Strafen ein Maß finden, das erträglich ist , aber auch eine gewisse Abschreckung bietet“.

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