Abkehr vom Massengeschmack: US-Kleinbrauereien auf Erfolgskurs
Am nächsten Morgen geht es gleich um 8.30 Uhr los. Genau 16.000 Flaschen müssen dann voll werden. Zwei Tage hat Bill Butcher dafür Zeit. Er ist ein freundlicher Mann mit festem Händedruck. Für den Gründer von Port City, einer sogenannten Mikrobrauerei am Rande von Alexandria im US-Bundesstaat Virginia, ist das Routinearbeit, sagt er zum KURIER: An zwei Wochentagen wird Bier gebraut, an den nächsten zwei heißt es Abfüllen, ein Tag bleibt für Saubermachen, dann beginnt alles von vorne. „Mikrobrauereien haben nun 14 Jahre ununterbrochenes Wachstum in den USA“, erklärt der Bierbrauer. Im Bier-Geschäft ist er neu. Zwanzig Jahre lang hat er Weine verkauft, auch österreichische Sorten wie Grüner Veltliner seien extrem gut auf dem US-amerikanischen Markt angekommen, erzählt er. Doch vor zweieinhalb Jahren wechselte Bill Butcher seinen Beruf und gründete Port City, weil die Nachfrage nach Bier einfach größer ist.
Die Mikrobrauereien sind in den USA ein boomendes Geschäft. Obwohl es sie schon seit den 1970er-Jahren gibt, haben sie in den vergangenen Jahren eine revolutionäre Entwicklung erlebt. In den 1980er-Jahren gab es acht Mikrobrauereien in den USA, Mitte der 1990er waren es schon etwas über 500. Nun sind es bereits 2400, und ihre Zahl wird bis Endes des Jahres auf 2800 steigen, hat Bob Pease von der US Brewers Association – der Vereinigung der Kleinbrauereien, ausgerechnet. Zwei Gründe gibt es für diese Entwicklung: „Zum einen geht es um den Geschmack und der Qualität“, sagt Pease. Große Bierkonzerne könnten da mit ihrer Massenproduktion einfach nicht mithalten. Um den Sachverstand hinter dem Brauprozess zu betonen, heißen offiziell die kleinen US-Brauereien eigentlich nicht „Mikrobrauereien“, sondern „craft breweries“ – handwerkliche Brauereien also. Das Produkt, das sie auf dem Markt bringen, nennt man dementsprechend „craft beer“, was etwa wie „handgeschöpftes Bier“ zu verstehen ist.
Innovationen
„Ein weiterer Grund für die Popularität dieser Brauereien ist der Prozess der Entdeckung neuer Biere“, so Pease. Butcher stimmt ihm zu. „Craft-Bier-Trinker suchen immer nach etwas Neuem“, meint Butcher. Und wenn ihnen ein Bier nicht schmeckt, dann probieren sie es nicht ein zweites Mal. Die Konkurrenz im Geschäft sei also hart und getrieben vom Konsumentengeschmack und nicht von Marketingstrategien, meint Pease.
Butcher findet Bierbrauen spannend. „Weil man den Prozess und den Geschmack mehr beeinflussen kann“, erklärt er. Vier Biersorten hat sein Port City ständig im Programm, dazu kämen ein paar Saison-Biere. „Mein Lieblingsbier ist unser IPA – unsere India-Pale-Ale-Variation,“ sagt der Brauer. IPA, das einen starken Hopfen-Geschmack hat und oft etwas bitter ist, sei gerade das populärste Bier in den USA. Da man keinem Reinheitsgebot unterliegt, kann man wirklich kreativ werden – Koriander, Ingwer, Schokolade oder etwa auch lokale Indianer-Kräuter sind oft in den lokalen Biersorten zu finden.
Eigentlich ist das meiste, was aus den US-Kleinbrauereien kommt, Ale. „Die Mikrobrauereien machen nicht viel Lager-Bier, da es sechs Wochen Produktion braucht statt nur drei Wochen bei den Ales“, sagt Butcher. Diese Biere seien auch nicht mit Konservierungsmittel bearbeitet, haben eine kürzere Haltbarkeit als die Produktion der großen Bierhersteller, und werden meistens nur lokal vertrieben.
Expansion
Trotzdem exportieren manche schon – nach Kanada, Großbritannien, Schweden und sogar Japan und China, sagt Pease von der Brauervereinigung. US-Mikrobrauereien präsentieren sich im Herbst auch am drinktec in München – eine der führenden Getränke-Messen.
Bis zu sechs Millionen Fässer darf man im Jahr produzieren, um sich in den USA eine Mikrobrauerei nennen zu dürfen. Samuel Adams aus der Ostküstenstadt Boston gilt als die größte mit zwei Millionen Fässern jährlich. Port City hat mit 3000 Fässer begonnen, und will dieses Jahr auf 9000 erhöhen. „Unsere größte Herausforderung ist es, der steigenden Nachfrage nachzukommen“, erklärt Butcher.
Wenn die Kleinbrauereien auch aufholen und in einer lukrativen Nische sitzen: Ihr Anteil am gesamten US-Biermarkt ist mit sechs Prozent aber immer noch sehr überschaubar. Allein Marktführer Anheuser-Busch InBev verkauft jährlich fast zehn Mal so viel Bier wie alle Kleinbrauereien zusammen.
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