Abfertigung neu: Jeder wollte der Erfinder sein

Der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (VP) sprang seinem Regierungspartner trotzdem zur Seite und sprach ebenfalls davon, nicht immer nur 130 km/h zu fahren.
Ein Rückblick auf das „Megaprojekt“ der schwarz-blauen Regierung.

Die ÖVP lud zur „Rucksack-Aktion“. Vor der Rampe des Parlaments posierten VP-Mandatare mit Rucksäcken für Fotografen und Kameraleute. Stunden später wurde die „Abfertigung neu“ beschlossen. Der Rucksack als Symbol für den Abfertigungsanspruch, der beim Jobwechsel mitgenommen wird.

Angeblich gab es damals nur Sieger. Die Neuregelung der Abfertigung mache nämlich „alle Arbeitnehmer zu Siegern“, verkündete FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess Passer stolz. Sie lobte die „historisch bedeutsamste Leistung für die Arbeitnehmer der letzten Jahrzehnte.“ Die FPÖ startete eine bundesweite Werbeaktion um die „freiheitliche Urheberschaft“ der „Abfertigung neu“ zu betonen.

Das war für die ÖVP inakzeptabel. Das „Megaprojekt“ (Copyright beim damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel) sei viel mehr eine ÖVP-Idee, reklamierte Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat die Urheberschaft für die Volkspartei: „Die ÖVP ist jahrelang mit ihrem Antrag auf Neugestaltung der Abfertigung an den Sozialdemokraten gescheitert.“

Prompt traten SPÖ-Politiker zur Gegendarstellung an. In Wahrheit handle es sich bei der „Abfertigung neu“ um einen „großen Erfolg der Sozialpartner“, lautete die Botschaft der seinerzeitigen SP-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures. Einen immerhin noch „beträchtlichen Erfolg“ der Sozialpartner vermochte Nationalratspräsident Heinz Fischer zu erkennen.

Es gab 2002 auch einige Kritiker, deren Warnungen aber in der Jubelstimmung untergingen. Die „Abfertigung neu“ bedeute auch „große Risiken“, hieß es in einer Aussendung der grünen Gewerkschafter. Die erhoffte Verzinsung von sechs Prozent über 20 bis 30 Jahre sei nämlich „unrealistisch.“

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