„Aber meistens ist er schneller“

„Aber meistens ist er schneller“
Die Manns über gutes Brot, den schlechten Stand von Familienbetrieben und die Tücken des Berufs

Unterschiedlicher könnten Vater und Sohn auf den ersten Blick nicht wirken: Vater Kurt Mann (67), der Arbeitsmensch, Sohn Michael Mann (40), der Lebemensch. Nach einem Gespräch erkennt man rasch, dass die beiden viel gemeinsam haben, vor allem Humor.

Ist in Zeiten von #MeToo der Spruch „Der Mann, der verwöhnt“ noch zeitgemäß?

Kurt Mann: Es stimmt, er ist ein bisschen zweideutig, aber man kann ja auch mit Essen verwöhnen. Den habe ich schon in meiner Jugend kreiert, seit 30 oder 40 Jahren gehört der zur Marke. Ich denke nicht daran, ihn zu ändern, der gehört dazu.

Österreicher sind auf ihre Brotkultur stolz. Zu Recht?

Michael Mann: Die Qualität österreichischer Lebensmittel ist spitze, das gilt auch für Brot. In Frankreich und Italien gibt es gute, aber wenig verschiedene Produkte. Kreationen wie bei uns gibt es nirgendwo. Wir haben 250 Artikel, davon 30 Brot- und mindestens 30 Gebäcksorten.

Sie sagten einmal, dass den Leuten zu wenig bewusst sei, was Familienunternehmen leisten. Was meinen Sie damit?

Kurt: Ich habe viele Mitarbeiter schon jahrelang. Mein Logistikleiter ist als Lehrling gekommen und geht jetzt bald in Pension. Viele arbeiten auch in zweiter Generation für mich, der Sohn meines Backstubenleiters sitzt in der EDV, auch der Geschäftsführer ist in zweiter Generation. Familienunternehmen schaffen Arbeitsplätze, investieren privates Geld, bilden tausende Lehrlinge aus, die Eigentümer arbeiten 80 Stunden die Woche und haben das volle Risiko. Familienunternehmen sind eine tragende Säule der Gesellschaft und bekommen trotzdem wenig Anerkennung. Sie müssen Steuern, Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld zahlen. Es fragt mich keiner, ob ich Umsatz verliere, weil der Sommer zu heiß war. Stattdessen wird sofort gestraft, wenn einmal etwas nicht passt. Anerkennung hat man wenig.

Wann übernimmt der Sohn?

Kurt: Ich übergebe noch nicht, ich will noch nicht in Pension gehen. Mein Beruf ist mein Hobby, das gibt man nicht auf, außer man ist krank. Ich brauche noch was, und ich will auch noch. Wenn ich nur noch Fahrradfahren kann, wäre das traurig. Ich sage immer: als Selbstständiger hat man das Privileg, nie in Pension gehen zu müssen.

Der Übergang läuft fließend?

Michael: Ja. Ich komme eigentlich aus dem Verkauf, habe in der Bäckerei gearbeitet, in den Filialen und bin jetzt wieder zurück in die Produktion. Außerdem gibt es auch einen Geschäftsführer, der viele Agenden trägt. Da sind wir gemeinsam gut aufgestellt, der Übergang kann ruhig fließend gehen.

Kurt: Die Jugend ist anders, sie will mehr Freizeit. Für mich gilt: Arbeit ist Freizeit, Stress die Freude an der täglichen Arbeit. Es gibt keine Woche, wo ich nicht zwischen 4:15 und 4:45 Uhr aufstehe. Das ist schon später als früher. Früher war ich Tag und Nacht erreichbar, habe selber Maschinen gerichtet und bin um drei Uhr aufgestanden.

Michael: Wir sind ein Familienbetrieb. Was der Vater als Leidenschaft und Hobby sieht, ist für mich ein gelernter Beruf, ich habe ja auch die Ausbildung zum Bäckermeister gemacht.

Was ist das Schwierigste an dem Beruf des Bäckers?

Kurt: Man kann nicht vorarbeiten, alles muss genau fertig sein. Fleisch oder Getränke kann man vorbereiten, aber wir müssen täglich frisch backen. Semmeln halten vier bis fünf Stunden, Brot länger. Wenn die Anlage steht, ist oft nicht genug Zeit, in der nötigen Größenordnung nachzuproduzieren. Wir haben vielleicht ein Reserve-Zeitfenster von 15 Minuten. Es reicht ein Stromausfall oder eine kaputte Steuerung. Wenn das Brot länger als zehn Minuten über der Zeit im Ofen ist, ist es schwarz, dann ist es verbrannt, unverkäuflich. Bis der Techniker den Fehler findet, ist es oft zu spät. Abgesehen davon ist es ein schöner Beruf, backen ist wie Kunst, man weiß nie, was herauskommt, es wird nie gleich.

Was hat der Sohn vom Vater und was hat der Vater vom Sohn gelernt?

Michael: Ich kann mir nur Sachen herausziehen, die für mich okay sind. Vier Stunden schlafen ist es nicht. Ich bin auch nicht so ein Zahlenmensch wie er, das kann man nicht lernen. In der Produktion fallen ihm immer Sachen auf, die man verbessern kann. Ich schaue dann, ob ich das auch kann, und das vor ihm sehe. Aber meistens ist er schneller.

Kurt: Ich habe von seiner Lässigkeit bei der Kindererziehung gelernt. Ich habe ein Kind, das ist noch keine sieben Jahre alt, so wie seine Tochter. Ich und meine Frau sind sehr vorsichtig, mein Sohn nimmt alles locker. Das ist „management by chaos“, das funktioniert oft besser.

Wo liegen die Schwierigkeiten im Geschäftsleben?

Kurt: Die größte Konkurrenz sind die Supermärkte und Tankstellen, deren Ware kommt oft aus ganz Europa. Unser Betrieb war immer für Filialen bestimmt, wir haben 70 Prozent Eigenumsatz. Es ist schwierig geworden bezahlbare Filialen zu eröffnen, zum Teil gibt es unverschämte Ablösen. In der Rotenturmstraße gibt es ein Geschäftslokal mit 60 Quadratmetern um 800.000 Euro Ablöse und 5500 Euro Miete netto. Da kommt noch einiges dazu. Das kann man nichts mehr verdienen.

Michael: Ein Problem sind die Personalkosten, die liegen bei uns bei 45 bis 55 Prozent. Sie steigen jährlich um 2,2 bis 2,7 Prozent, das kann man nicht aufs Produkt schlagen.

Kurt: Und die Auflagen. Früher ist man, wenn man eine neue Filiale eröffnet hat, auf das Magistrat gegangen. Heute muss man zu fünf Verhandlungsterminen mit 20 Beamten. Früher gab es noch Verwarnungen, heute wird sofort gestraft.

Wie läuft das Geschäft?

Kurt: Der Brotmarkt ist bei den Bäckern stark rückläufig, immer mehr wird im Supermarkt gekauft, zurzeit rund 80 Prozent. Der Brotumsatz geht auch zurück, weil die Familien kleiner werden, ein halbes Kilo ist da oft schon zu viel.

Helfen da neue Kreationen?

Michael: Da sind wir immer dran. Es ist nicht leicht, der Vater hat überall seine Finger im Spiel. Wir versuchen gerade eine Zimtschnecke zu kreieren, mit Streichkäse drauf. Doch die könnte ihm zu süß sein. Es ist nicht einfach, ihm etwas zu verkaufen.

Kurt: Ich glaube, dass ich einen guten Geschmack habe und abschätzen kann, was der Österreicher oder der Wiener isst. Was ich nicht esse, will ich auch niemand anderem verkaufen. Der Trend geht zu kleinen Betrieben, die Leute gehen dort gerne einkaufen. Sie halten die Preise hoch und haben Brot wieder wertvoll gemacht. Das muss man ihnen hoch anrechnen. Michael: Es gibt einen Hype, die Leute interessieren sich wieder für Brot. Wir wollen in Zukunft trotzdem nicht reine Brotfilialen machen, sondern einen Kaffeebereich dazu einrichten. Da kann man mehr Umsatz machen, die Leute geben mehr Geld für Kaffee aus als in der Konditorei. Da führt der Weg der Bäcker hin.

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