60 Jahre Visa: „Wir sehen einen Trend weg vom Bargeld“

Kurt Tojner (li.) und Albrecht Kiel
Kontaktloses Bezahlen beschleunigt die Entwicklung. Investitionen in Partnerschaften mit Start-ups und Fintechs.

Visa befindet sich zum runden Jubiläum mitten in der Transformation vom Karten- zum Technologiekonzern.

KURIER: Was unterscheidet Österreich von anderen Märkten beim Zahlen mit Karte?

Albrecht Kiel: Die Österreicher sind beim kontaktlosen Zahlen besonders aktiv – allein im letzten Jahr haben sich die Kontaktloszahlungen verdoppelt. Als nächster Schritt kommt sicherlich das mobile Bezahlen. Laut dem Beratungsunternehmen Gartner wird es weltweit 20 Milliarden vernetzte Geräte bis 2020 geben. Jedes davon – egal ob Auto, Stereoanlage, Kühlschrank – birgt theoretisch Möglichkeiten zu bezahlen. Visa wird sich im Internet of Things wieder komplett neu erfinden.

Hat es einen solchen Umbruch in der Geschichte des Bezahlens schon einmal gegeben?
Kiel:
Die Erfindung des Visa Net, Ursprung unseres Netzwerkes, vor 60 Jahren, war schon revolutionär. Die Digitalisierung bringt nun enorme zusätzliche Beschleunigung beim bargeldlosen Zahlen.

 

Gibt es etwas, wo Österreich im Vergleich zu anderen Ländern beim Zahlen nachhinkt?

Kurt Tojner: Eine vermeintliche Schwäche ist vielleicht die Kultur der Barzahlung; sie ist lange eingeprägt und verändert sich nur langsam. Vor fünf Jahren war das Bezahlen von Alltagskäufen mit der Karte noch kein Thema. Das wird jetzt durch das kontaktlose Zahlen befeuert. Auch läuft die Nutzung von Bankomat- und Kreditkarte zunehmend parallel. Früher wurde die Bankomatkarte im Umfeld von 40 Kilometern zum Wohnort genutzt, die Kreditkarte war hingegen eher auf Reisen und bei größeren Anschaffungen ein Thema. Das verändert sich.

Und der große Hang zum Bargeld?

Kiel: Den Hang zum Bargeld sehe ich nicht als besondere österreichische Schwäche. Auch Verbraucher in anderen Märkten haben hierfür eine Schwäche. Dagegen ist nichts einzuwenden. Es soll einen vernünftigen Zahlungsmix geben, wir sind nicht auf dem Kriegspfad mit Bargeld. Wir sehen aber einen Trend weg von Bargeld, der durch die Einführung von kontaktlosem Bezahlen beschleunigt wird.

Können Sie nachvollziehen, dass es Kartenverweigerer sowohl auf Kunden- als auch auf Geschäftsseite gibt?

Tojner: Vor einigen Jahren war Zahlen mit Kreditkarte für den Händler noch teurer; solche Dinge brennen sich ein und manche, vor allem kleinere Händler, nehmen daher auch heute noch keine Kartenzahlung an – durch die Regulierung wurden die Gebühren wesentlich gesenkt. Wir haben dadurch auf der Akzeptanzseite auch schon sehr viele dieser kleineren Partner dazu gewonnen, etwa Bäckereiketten. Vor Jahren war es nicht denkbar, 70 Cent mit einer Karte zu bezahlen. Dieses Eis bricht langsam. Vor allem kontaktlos zu bezahlen wird von den Endkunden gefordert. Seit vier Jahren wird ohnehin jedes neue Terminal mit Kontaktlosfunktion ausgeliefert.

Kiel: Der Trend geht langsam weg von Bargeld, das ist für uns die wichtigste Nachricht. Wir haben aber keine Mission, wir sehen einen gesunden Trend und das reicht uns auch.

Tojner: Der Endkunde entscheidet über das Zahlungsmittel. Erst wenn er sieht, es ist nicht nur sicher, sondern auch bequem, ändert er sein Verhalten.

Kiel: Und es wird immer einfacher und bequemer. Zuerst zahlt man mit Karte, dann mit Alltagsgegenständen wie Fitnessarmband, Handy, Smartwatches oder Wearables. Diese Dinge verstärken den Trend zum bargeldlosen Zahlen. Mit unserer Visa Developer Platform haben wir unser Netzwerk geöffnet für Banken, Mobilfunker, Händler, Technologiekonzerne und Entwickler, um kundenorientiertere Entwicklungen zu beschleunigen und gemeinsam zu kreieren. Die Menschen wollen nicht zahlen, sondern etwas kaufen und das wollen wir erleichtern.

Wird es in einigen Jahren noch Bargeld geben?

Kiel: Noch hat Bargeld weltweit einen 80-Prozent-Anteil und es wird auch in einigen Jahren noch Bargeld geben.

Tojner: Der Bezahlvorgang per se wird sich sicherlich verändern. Schlange stehen an der Kasse wird über kurz oder lang der Vergangenheit angehören. Und es wird dank Apps das Zahlungsverhalten transparenter und kontrollierbar für den Karteninhaber.

Das sehen Kritiker anders. Mit Karte zahlen bedeute, den Überblick zu verlieren.

Kiel: Und wir glauben genau das Gegenteil. Bei Bargeld wissen Konsumenten manchmal nicht mehr genau, wo was ausgegeben wurde. Bei elektronischen Zahlungen schon, wo Kunden Umsätze und Ausgaben in Echtzeit einsehen können.

Wie stehen Sie zu digitalen Währungen wie Bitcoins?

Kiel: Wir beobachten das Thema, es ist eine interessante Technologie. Wir beschäftigen uns damit auch in einem Forschungszentrum in Palo Alto und sind grundsätzlich immer interessiert an innovativen Ansätzen, um Zahlungen schnell und effektiv zu verarbeiten.

Der Umsatz im eCommerce ist deutlich stärker als im stationären Handel, die Wachstumsraten von Visa sind da aber nicht so hoch. Woran liegt das?

Kiel: Da kommt es auf die Vergleichsgröße an, die man heranzieht. Generell steht Visa dem Wachstum im eCommerce wahrscheinlich nicht nach. Wir haben weltweit durchaus ein sehr gesundes Wachstum und wir profitieren ganz massiv vom eCommerce. Denn im Offline-Bereich gibt es noch immer Bargeld als Konkurrenz, das fällt im Internet komplett weg. Wir sehen daher eCommerce sehr positiv – es passt genau zu unserem Konzept und unserer Strategie.

Dafür gibt es mehr Konkurrenz im Internet.

Kiel: Es gibt ganz beeindruckende Player und das ist auch einer der Gründe, warum wir das Thema Kooperation und Partnerschaften für so wichtig halten, wie etwa mit Fintechs.

Tojner: Wir haben in der DACH-Region die Visa-Everywhere-Initiative ausgeschrieben. Das ist eine Einladung an Startups und Fintechs in zwei Bereichen: Wie kann man das tägliche Bezahlen für den Endkunden noch besser machen und zum anderen, wie ein Bezahlsystem in der Zukunft ausschauen kann. Es gab mehr als 200 Bewerbungen, darunter mit der Park-App Parkbob auch ein Finalist aus Österreich.

 
Kiel: Der Wettbewerb ist ein Zeichen unserer Bestrebung, europaweit in den nächsten Jahren in den Bereich Fintechs zu investieren. Daneben haben wir mehrere Innovationszentren in Europa, wo wir unter anderen zu Biometrik forschen. Die Digitalisierung ist mannigfaltiges Thema, bei dem alle Marktteilnehmer einen Dauersprint hinlegen.

Wie sieht ihre Strategie bei Fintechs konkret aus?
Kiel:
Es ist vieles vorstellbar – Kooperationen oder auch Investments. Generell verfolgen wir ein stufenweises Vorgehen. Wir wollen eine Firma zuerst kennenlernen, indem wir kooperieren. Darauf lässt sich ein Investment dann gut begründen.

Die Beteiligungen sind bisher aber noch überschaubar.
Kiel:
Ja, wir sind momentan dabei, unser Engagement zu intensivieren. Wir gehen dabei sehr selektiv vor, weil die Lösung passen muss.

Visa im Überblick

Der Konzern Visa hat seinen Ursprung  1958, als in Kalifornien die Bank of America ihre erste Kreditkarte unter dem Namen  BankAmericard herausbrachte. 1976 erfolgte die Umbenennung in Visa, 2008 der Börsegang. Mit der Karte kann bei 46 Mio. Geschäften und Dienstleistern in 200 Ländern gezahlt werden. Im Vorjahr wurden 169 Mrd. Transaktionen verarbeitet. 3,3 Mrd. Karten werden weltweit genutzt.

Europa-Manager Albrecht Kiel ist bei Visa seit 2015 verantwortlich  für Zentraleuropa.  Er begann seine Karriere bei Unilever im Marketing. Danach hatte er diverse Positionen in der Medienbranche  inne. Von 1998 bis 2013 war er in leitenden Positionen bei Versicherungen tätig, danach als Unternehmensberater.

Österreich-Chef Kurt Tojner ist seit 2008  Country Manager für Österreich. Zuvor war er sieben Jahre  im Produktmanagement der Erste Bank, zuletzt dort Leiter des Kartengeschäfts.

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