"36 Wochen Hölle": Designer Kiska schildert spezielle Aufträge

"36 Wochen Hölle": Designer Kiska schildert spezielle Aufträge
Warum Industriedesign heute mehr leisten muss, als schön auszusehen. Und warum sich Gerald Kiska um Europa sorgt.

Designer Gerald Kiska über Gemeinsamkeiten von Sportschuhen und Motorrädern, selbstfahrende Rasenmäher und ein Auto für Frau Merkel.

KURIER: Was muss Industriedesign können?

Gerald Kiska: Begehrlichkeiten wecken. Jemanden dazu bringen, etwas haben zu wollen.

Und funktionell?

Design ist die Verbindung von Funktion und Ästhetik. Die Grundanforderungen sind bei jedem Produkt anders, müssen aber erfüllt werden. Daher haben wir uns auf drei Bereiche begrenzt. Fahrzeuge, Sport- und Lifestyle-Artikel und Werkzeuge für Profis, wie Kameras, Bohrmaschinen oder Ferngläser.

Ändern sich die Anforderungen an Produkte?

Sie werden komplexer, weil die Produkte nicht mehr nur physisch, sondern auch vernetzt sind. Digitalisierung hält im Design Einzug, man muss haptisch, visuell und interaktiv denken. Vor 25 Jahren haben ein Block und ein Bleistift gereicht, um sich als Designer selbstständig zu machen. Mittlerweile ist es eine investmentintensive Branche geworden, von 3-D-Drucker bis CNC-Fräse, digitale Tablets und VR-Meetings braucht man so ziemlich alles.

Wie sind Sie ausgerechnet zu diesen drei Bereichen gekommen?

Mit KTM als Leitkunden sind wir in den Zweirad-Bereich gekommen. Der vereint in gewisser Weise alle drei in sich: Sport, Werkzeug und Fahrzeug. Dort lernt man Skills, die man für andere Produkte verwenden kann, aber nicht für alle. Stefan Pierer (KTM-Eigentümer) hat sich von Anfang an zu 100 Prozent auf uns verlassen. So konnten wir früh eine eigene Designsprache für KTM entwickeln, die kantig und aggressiv ist. Husqvarna haben wir ganz anders positioniert, hier steht der Genuss am Motorradfahren im Vordergrund. Weniger aggressiv, dafür cool.

Es würde also zu kurz greifen, KISKA als Industriedesigner zu bezeichnen?

Wir machen mehr, wir übernehmen auch die strategische und gestalterische Betreuung einer Marke. Wir haben Schneideplätze für Videos, ein eigenes Filmteam, vom Kommunikationsdesign der Website bis zur Broschüre machen wir alles. Wir haben auch ein Research-Team, um Verbrauchergewohnheiten zu erfahren und Experten, die Portfoliostrategien entwickeln. Wir sind eigentlich ein Markenentwicklungsunternehmen.

"36 Wochen Hölle": Designer Kiska schildert spezielle Aufträge

"36 Wochen Hölle": Designer Kiska schildert spezielle Aufträge

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"36 Wochen Hölle": Designer Kiska schildert spezielle Aufträge

"36 Wochen Hölle": Designer Kiska schildert spezielle Aufträge

"36 Wochen Hölle": Designer Kiska schildert spezielle Aufträge

Was waren die schlimmsten und die schönsten Aufträge, die sie angenommen haben?

Das hängt meist zusammen. GM Company wollte, dass wir für sie in 36 Wochen ein fahrfertiges Konzeptfahrzeug bauen, in dem Frau Merkel auf der IAA in Frankfurt (Automobilmesse, Anm.) Platz nehmen konnte. Wir haben es geschafft, aber die 36 Wochen waren die Hölle. Versagen gibt’s nicht in dieser Branche, sonst war es der letzte Auftrag, den man bekommen hat. Die Branche hat einen ausgeprägten Termindruck. Aufträge sind oft in einen Event eingebunden oder für den Kunden hängt ein wichtiger Termin davon ab.

Wie sind Sie von KTM-Motorrädern zu Adidas-Sportschuhen gekommen?

Die haben mehr miteinander gemeinsam, als man glaubt. Zum Beispiel ähnliche Materialien. Der Schaum in der Sohle ist ein geeignetes Material für einen Sitz. Ein Torsionsstab aus Leichtbau steuert in der Sohle die Verdrehung. Es sind viele Quererkenntnisse erzielbar, Know-how in einem Bereich bringt zugleich Know-how für einen anderen.

Welchen Stellenwert genießt das Industriedesign eigentlich in Österreich?

Dass man die Industrie zum Design bringen muss, ist seit Jahren vorbei. Design entwickelt sich in einem symbiotischen Verhältnis zur Industrie und entlang der industriellen Entwicklung eines Landes. Italien ist stark bei Möbel-, Mode- und Fahrzeugdesign, Deutschland durch die Nachkriegszeit bei Investitionsgütern, wie klassische deutsche Marken wie Braun, Krupp, AEG oder Siemens zeigen. Österreich ist kein klassisches Zuzugsland für Designer (lacht). Heute gibt es viel weniger Kunden als vor 25 Jahren.

Wie sieht die Industriedesign-Branche in Österreich aus?

Es gibt ungefähr hundert in Österreich, die davon leben können, davon ein bis zwei Hände voll namhafte Unternehmen. Die Unternehmen insourcen Design zunehmend, vor allem im Fahrzeugbereich. Wir und KTM sind da eine Ausnahme. In den letzten drei bis fünf Jahren sind auch viele unabhängige Studios von großen Beratungsunternehmen wie McKinsey oder Accenture gekauft worden.

Warum das?

Sie haben erkannt, dass man mit Design strategische Weichenstellungen in Unternehmen beeinflussen kann. Denn die beste Strategie nutzt nichts, wenn man sie nicht auf den Boden bringt. Design ist das Mittel, mit dem eine bestimmte Strategie durch das Produkt übersetzt werden kann. Ich sage immer, es ist leicht, ein Drehbuch zu schreiben, aber es ist schwer, einen Film daraus zu machen. Funktionell und gut aussehen reicht heute nicht. Man muss das Markenversprechen transportieren.

Welchen Stellenwert hat Digitalisierung im Industriedesign?

Das wird ein stärkeres Thema werden. Mit einem Projektor in der Küche kann man die perfekte Kochanleitung projizieren, nach der man dann gleich kochen kann. Das Küchenkastl schaut dann natürlich anders aus. Oder der Kühlschrank, der erkennt, dass die Milch sauer wird. Fahrzeuge, die miteinander kommunizieren oder Produkte, die mit Konsumenten kommunizieren. Erst wurden die Produkte smart, sie jetzt zu vernetzen, ist das Gebot der Stunde. Vor fünf Jahren war ein selbstfahrender Rasenmäher eine Sensation. Heute ist es eine, wenn man keinen hat.

Wird KISKA weiter expandieren?

Wir suchen neue Kunden in neuen Gefilden, wie derzeit in Indien, aber wir planen dort keine Dependance. Die Hinwendung zu Asien ist mit der Sorge über die Entwicklung in Europa verbunden.

In welcher Hinsicht?

Chinesen und Inder sind wesentlich kompromissloser beim Einsatz neuer Technologien, vor allem beim Einsatz webbasierter Technologien. Die beiden Länder haben das Gefühl, das Beste liegt noch vor ihnen. In Europa denkt man, das hat man hinter sich. Der eine will gewinnen, der andere nicht verlieren.

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