26 Fragen an die Bahnbosse
KURIER: Wie sehen Sie die Konkurrenz?
Christian Kern: Das wird das Bahnfahren interessanter machen, wird eine höhere Aufmerksamkeit bringen. Also durchaus positiv.
Stefan Wehinger: Sehr positiv. Konkurrenz belebt das Geschäft.
Wie haben Sie sich gegen den Konkurrenten gerüstet?
Kern: Wir haben unsere Kundenservice-Standards und die Pünktlichkeit deutlich verbessert, an der kulinarischen Qualität gearbeitet. Wir haben mehr als hundert Maßnahmen durchgesetzt und uns gezielt vorbereitet.
Wehinger: Für uns gibt’s nur ein Rüsten für den Kunden. Was die ÖBB heute und in Zukunft macht, wird unser Produkt nicht verändern. Unser Produkt ist im Kern, ha ha, festgelegt. Und misst sich daran, was der Kunde braucht.
Was bedeuten mehrere Bahnbetriebe für die Kunden?
Kern: Dass Sie in Zukunft zwischen Pepsi und Coca-Cola unterscheiden können. Aber es bleibt Cola.
Wehinger: Einen Riesenfortschritt. Es ist gut, die Wahl zu haben. Und es ist gut, dass der Monopolist sich dadurch auch verändert. Plötzlich W-LAN am Zug. Plötzlich Jausensackerln. Plötzlich Ticketangebote – auch wenn die nicht ganz legal sind.
Wäre es besser, die ÖBB bleibt ein Monopolist?
Kern: Die Schweizer Bahn ist das große Vorbild in Europa. Ein integriertes Unternehmen, ohne Wettbewerb, mit klaren Vorgaben. Bahn ist ein sehr komplexes System. Das funktioniert nicht wie Gurkenhandel. Internationale Beispiele zeigen: Wettbewerb ist bei der Bahn nicht immer eine Verbesserung für die Kunden.
Warum ist es besser, dass die ÖBB kein Monopolist bleibt?
Wehinger: Eben aus diesen (oben genannten, Anm.) Gründen.
Wie viele Bahn-Konkurrenten wird es in zehn Jahren geben?
Kern: Im Personenverkehr wird es sich in engsten Grenzen halten. Einen wird’s geben, wenn nicht den, dann einen anderen.
Wehinger: Etwa zehn, mit uns. Vor allem internationale Konzerne, die sich am lukrativen österreichischen Markt im Ausschreibungswettbewerb bemühen.
Ist die WESTbahn in Ihrer Vorstandssitzung jedes Mal Thema?
Kern: Nein. Bei Weitem nicht. Wir konzentrieren uns auf unser eigenes Unternehmen.
Ist die ÖBB in Ihrer Eigentümersitzung jedes Mal Thema?
Wehinger: In unserer? Nein. Die ÖBB ist nie Thema, außer wir ärgern uns über polemische Presseaussendungen.
Bahnfahren in Österreich: zu billig?
Kern: Es ist sehr kostengünstig. Billig ist eine Frage des Standpunkts – aber billiger als in vergleichbaren Ländern.
Wehinger: Bahnfahren ist in Österreich im internationalen Vergleich kaufkraftbereinigt wesentlich günstiger. Das rührt daher, dass der Steuerzahler einen hohen Anteil an Subvention zahlt. Das ist eine politische Entscheidung, keine Marktentscheidung.
Können Sie das 15-Euro-Ticket mit ruhigem Gewissen anbieten? (Die ÖBB boten zur Eröffnung des neuen Westbahnhofs Tickets auf der Weststrecke um 15 Euro an. Die Westbahn zog nach: Wien-Salzburg: 7,50 Euro.)
Kern: Ja, mit bestem Gewissen. Wir bekommen mehr Menschen in unterausgelastete Züge. Unser Ziel: neue Kunden in jene Züge, wo wir mit freien Plätzen durch die Gegend fahren.
Können Sie das 7,50 Euro Ticket mit ruhigem Gewissen anbieten?
Wehinger: Ja. Wir sind auch bei den Preisen niemandem Rechenschaft schuldig.
Sind diese Niedrigpreise einmalig oder ein wiederkehrendes Glück für die Bahnfahrer?
Kern: Wir sind gerade dabei, das Preissystem umzustellen. Dort, wo wir mehr Gäste in unsere Züge bekommen wollen, wird das so oder so ähnlich auch in Zukunft existieren. Es geht um eine Umverteilung der Kundenströme.
Wehinger: Wir werden uns vorbehalten, immer wieder Aktionen zu machen, um Produkte vorzustellen. Ich möchte nicht ausschließen, dass das schon bald wieder passiert ... vielleicht zum Start.
Könnte das Ende des Preiskampfes sein, dass sich ÖBB und WESTbahn auf höhere Preise einigen?
Kern: Ganz sicher nicht. Einigen bestimmt nicht, das lässt das Wettbewerbsrecht nicht zu. Höhere Preise will der Konkurrent. Dafür sehen wir im Moment keine Grundlage.
Wehinger: Ich glaube nicht, dass wir uns auf irgendwas einigen. Das wäre nicht legal und nicht gut für den Kunden. Der Markt bestimmt den Preis.
Dass die WESTbahn die rentabelste Strecke fährt – ist das unfair?
Kern: Das freut uns nicht, aber es ist verständlich. Warum sollten sie es bei den Unrentablen probieren?
Wehinger: Das ist ein von den Gewerkschaften und den ÖBB gern verbreitetes Vorurteil. Die wirklich lukrativen Strecken sind jene, die die ÖBB im B-Netz befährt. Jede dieser subventionierten Strecken würde wir gerne zu den gleichen Konditionen befahren. Tatsächlich ist es schwer, sich auf der Westbahn durchzusetzen. Hier gilt der freie Wettbewerb.
Wo wollen Sie in den nächsten fünf Jahren ausbauen?
Kern: Wir wollen auf der Südbahn aufholen, und im Westen weiter ausbauen, um signifikant mehr Bahngäste zu haben. Wir setzen auf den Nahverkehr: Auf der Weststrecke werden sich die Bahnfahrer um 60 Prozent bis 2025 erhöhen. Unser Konkurrent ist nicht die WESTbahn, sondern das Auto. Wir holen uns Marktanteile von der Straße.
Wehinger: Richtung Osteuropa, in die zentraleuropäischen Länder. Und im Rahmen der Ausschreibungen, die in Österreich stattfinden werden müssen.
Wann fahren Sie in der Gewinnzone?
Kern: Ab 2013.
Wehinger: Ab dem ersten Jahr werden wir unsere Kosten tragen können. Wir planen, im fünften operativen Jahr kumulativ positiv zu sein.
Warum nimmt man besser Ihren Zug?
Kern: Wir sind schneller, fahren weiter, sind besser vernetzt. Mit dem Railjet 15 Minuten schneller in Salzburg, mit dem ICE etwa gleich schnell.
Wehinger: Unser Hauptasset ist es, Menschen und Mitarbeiter zurück auf den Zug zu bringen. Alle anderen Dinge wie größere Tische oder schönere Sitze werden sich schnell abbrauchen, weil sich die Leute dran gewöhnen.
Wann gibt’s W-LAN am Zug?
Kern: Ab 11.12., Schritt für Schritt, in einzelnen Zügen. Ende 2012 dann in allen Railjets.
Wie oft fällt bei Ihnen das W-LAN zwischen Wien und Salzburg aus?
Wehinger: Laut neuester Messung: Wir haben Connectivity auf 98,13 Prozent der Strecke. Drei Minuten Ausfall auf einer Sechs-Stunden-Fahrt.
Wer redet bei Ihren Entscheidungen am meisten mit?
Kern: Unsere Mitarbeiter und die zuständigen Manager.
Wehinger: Ich.
Beim digitalen Fahrplan Scotty gibt es ein Gerichtsurteil. Ist das fair? (Das Kartellgericht entschied: In den elektronischen ÖBB-Fahrplan Scotty muss die Westbahn aufgenommen werden.)
Kern: Es gibt eine einstweilige Verfügung, das ist kein Gerichtsurteil. Das ist höchst ungewöhnlich, wir glauben nicht, dass das hält. Das wäre so, als ob Sie auf der AUA-Homepage einen Air-France-Flug buchen könnten. Wir haben das Scotty aufwendig entwickelt, da steckt viel Geld drinnen. Jetzt müssen wir es einem Wettbewerber schenken. Wir werden die WESTbahn in das Fahrplantool aufnehmen. Vorübergehend.
Wehinger: Die verzweifelte Polemik der ÖBB finde ich hier abscheulich. Das ist das Urteil eines Gerichtes. Wir haben seit Monaten darauf hingewiesen, dass die ÖBB diesen Prozess verlieren wird – es gibt ein fast identisches Urteil in Deutschland. Hier ist zu hinterfragen, ob das Management seiner Aufgabe nachgekommen ist, entsprechend vorzusorgen.
Was soll mit den bereits gedruckten Fahrplänen passieren?
Kern: Wir hätten gerne unsere Kunden sehr rasch informiert. Das können wir jetzt nicht. Wir werden sehen, wie wir da weiter vorgehen.
Wehinger: Das ist nicht unsere Sache. Ich hoffe, das ÖBB-Management hat sich das schon vor Monaten überlegt.
Raucherabteil und Klotrennung: Ist das Wettbewerbsentscheidend?
Kern: Ganz und gar nicht. Der Kollege Wehinger hat 2007 Raucherabteile bei der ÖBB mit großer Überzeugung abgeschafft. Dass er sie jetzt promotet ... jeder Krämer lobt seine Ware. Das Häuslthema ist bei Bahnen wesentlich – die Trennung aber das letzte Teilchen der Problemlage.
Wehinger: Ist es nicht. Das sind aber die kleinen Dinge, die das Marketing spannend machen. Damit platzieren wir uns am Markt. Die ÖBB waren ein Sparringpartner: Sie haben aus jedem Nieser einen großen Schnupfen gemacht. Das hat unseren Markenwert gehoben.
Sie wollen keine gegenseitige Anerkennung der Tickets. Warum?
Kern: Man muss sich entscheiden: Will man Wettbewerb oder ein Monopol, das aus zwei Anbietern besteht? Wenn man einen Einheitsbrei möchte, hätte man dem Herrn Haselsteiner eine Beteiligung an der ÖBB einräumen können.
Wehinger: Das ist absolut notwendig für den Kunden und im Sinne des Kunden.
Was kostet ein Hundeticket von Wien nach Salzburg?
Kern: Meine Hundeexpertise ist begrenzt. Wir haben zwei Hasen, die fahren gratis. Ich schätze: 15 Euro. (ÖBB-Tagesticket für einen Hund: 2,90 Euro, Anm.)
Wehinger: Für Hunde in Boxen nichts. Für die an der Leine fünf Euro.
Welche Gesprächsbasis haben Sie mit der Westbahn?
Kern: Mit dem Hans Peter Haselsteiner eine sehr gute.
Welche Gesprächsbasis haben Sie mit der ÖBB?
Wehninger: Mit den Fachleuten ein sehr gutes. Mit den neu dazugekommenen Kommunikatoren ein weniger gutes. Wir sprechen eine andere Sprache.
Wie viele Verfahren laufen aktuell?
Kern: Ich habe bei drei aufgehört zu zählen – es gibt Verfahren, Beschwerdebriefe, das geht hin und her.
Wehinger: Wir haben den Bund in zwei Fragen geklagt. Es gibt einige Eingaben beim Regulator und anderen Behörden.
Haben Sie Kerns bzw. Wehingers Telefonnummer in Ihrem Handy?
Kern: Ich kenne ihn ehrlich gesagt nicht. Haselsteiners Nummer habe ich, wir telefonieren, wenn es wichtig ist.
Wehinger: Nein, ich habe Herrn Kern bisher nicht kennenlernen dürfen. Ich habe mehrfach angeboten, mich ihm darzustellen. Hat er bisher abgelehnt.
Wie viele Bahnkilometer fahren Sie im Monat?
Kern: Etwa 2000 im Schnitt.
Wehinger: Mindestens 1500.
Wie lange werden Sie diesen Job machen?
Kern: Zumindest noch neun Jahre.
Wehinger: Kann ich nicht sagen. Es ist die schönste Aufgabe, die ich je wahrgenommen habe. Da mir 26 Prozent gehören, werde ich das nicht für ein paar Dollar mehr an den Nagel hängen.
ÖBB: 1000 Loks, 3200 Mitarbeiter
Die staatliche ÖBB hat über 1000 Loks (Personen- und Güterverkehr zusammen), befördert jährlich 210 Millionen Passagiere. Die Bahn erhält vom Staat Subventionen als Abgeltungen für Verkehrsverbindungen, die sich betriebswirtschaftlich nicht rechnen:Aktuell sind das für den Personenverkehr 560 Millionen Euro. Die ÖBB Personenverkehr AG hat rund 3200 Mitarbeiter. Christian Kern ist seit 2010 CEO der ÖBB-Holding.
Westbahn: 7 Züge, 200 Mitarbeiter
Eigentümer sind zu je 25,93 Prozent Ex-ÖBB-Vorstand Stefan Wehinger, die Familienstiftung von Strabag-Chef Hans-Peter Haselsteiner und die französische Staatsbahn SNCF. 22 Prozent hält die Schweizer Augusta-Holding. Die Westbahn fährt mit sieben Doppelstock-Zügen, bisher wurden 130 Millionen Euro investiert. Das Unternehmen beschäftigt rund 200 Mitarbeiter. Stefan Wehinger ist CEO und Miteigentümer.
Westbahn: 7 Züge, 200 MitarbeiterEigentümer sind zu je 25,93 Prozent Ex-ÖBB-Vorstand Stefan Wehinger, die Familienstiftung von Strabag-Chef Hans-Peter Haselsteiner und die französische Staatsbahn SNCF. 22 Prozent hält die Schweizer Augusta-Holding. Die Westbahn fährt mit sieben Doppelstock-Zügen, bisher wurden 130 Millionen Euro investiert. Das Unternehmen beschäftigt rund 200 Mitarbeiter. Stefan Wehinger ist CEO und Miteigentümer.
-
Hintergrund
-
Bilder
-
Hauptartikel
-
Hintergrund
-
Bilder
Kommentare