12-Stunden-Tag: Junge wollen nicht länger arbeiten
Noch drei Monate haben die Sozialpartner Zeit, sich auf flexiblere Arbeitszeiten sowie einen kollektivvertraglich abgesicherten Mindestlohn von 1500 Euro in allen Branchen zu einigen. Anstatt im Stillen Kompromisse zu suchen, messen sich Gewerkschaft und Wirtschaftskammer lieber im täglichen "Hau-den-Lukas" und richten sich Unfreundlichkeiten aus.
Am Sonntag legten sich Friseure, Floristen und Textilreiniger bezüglich der raschen Anhebung des Mindestlohns in ihren Branche quer. Am Montag konterte die Angestelltengewerkschaft GPA-djp und zementierte ihre Ablehnung eines 12-Stunden-Arbeitstages ohne finanzielle Abgeltung ein. Laut einer von der Gewerkschaft in Auftrag gegebenen IFES-Umfrage lehnen 76 Prozent von 800 befragten Angestellten eine Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit ohne Gegenleistung ab. Interessantes Detail: Bei den jüngsten Arbeitnehmern (16 bis 29 Jahre) wollen sogar 88 Prozent nicht länger arbeiten. "Karriere, Erfolg und Aufstieg ist nicht mehr das zentrale Thema dieser Generation", interpretierte IFES-Studienautor Georg Michenthaler. Bei den 30- bis 39-Jährigen sind 67 Prozent gegen eine Ausweitung. Die größte Zustimmung für den 12-Stunden-Tag gibt es bei den Akademikern, wo immerhin jeder Vierte dafür ist.
GPA-djp-Vorsitzender Wolfgang Katzian fühlt sich durch die Umfrage bestätigt: "Die Arbeitszeitgestaltung ist jetzt schon sehr flexibel möglich. Die Arbeitgeber sollen endlich sagen, welches Problem mit einem 12-Stunden-Tag gelöst werden soll." Werde mehr Flexibilität gewünscht, dann koste das auch etwas, betonte Katzian und bezeichnete die Verhandlungen diesbezüglich als "sehr schwierig". Einen Abtausch "mehr Flexibilität gegen 1500 Euro Mindestlohn" werde es nicht geben. Das wäre eine unfaire Rechnung, denn der höhere Mindestlohn würde nur rund 300.000 Arbeitnehmer betreffen, der 12-Stunden-Arbeitstag aber alle.
Spätere Angleichung
Kompromissbereiter zeigt sich der Gewerkschafter beim Mindestlohn. Die 1500 Euro müssten nicht für alle Branchen schon mit 1. Juli 2017 kommen, aber auch nicht erst am "Sankt-Nimmerleins-Tag". Im Tourismus gibt es bereits eine Sozialpartner-Einigung für 2018. Bei den Friseuren (Mindestlohn 1137 Euro, Anm.) liegen die Positionen weit auseinander. Die Friseurinnung will eine schrittweise Angleichung erst bis 2025, die zuständige Dienstleistungsgewerkschaft vida jedoch sofort.
Wahrnehmungsunterschiede zwischen den Sozialpartnern gibt es auch in ihrer Ansicht zum Wirtschaftsstandort Österreich. Dieser werde von Wirtschaftsvertretern bewusst schlechtgeredet, damit Verschlechterungen für die Arbeitnehmer leichter durchzusetzen seien, meint Katzian. Der "Abgesandelt"-Sager von WKO-Boss Christoph Leitl hätte eine bestimmte Stimmung verbreiten sollen, "aber der Schmäh is net einigonga".
Laut IFES-Umfrage schätzen die Beschäftigten die wirtschaftliche Lage Österreichs im europäischen Vergleich besser ein als die Unternehmen. 69 Prozent der Befragten gehen ferner davon aus, dass sich Österreich in den kommenden fünf Jahren positiv entwickeln wird. Allerdings gibt es je nach Branche beträchtliche Unterschiede. Während 75 Prozent der Arbeitnehmer im Tourismus optimistisch in die Zukunft blicken, wird in der Finanzbranche Trübsal geblasen.
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