Wenn Körper und Technik eins werden

Das Convergence-Symposium fand Mitte Oktober in Wien statt.
Convergence-Symposium: Wissenschafter diskutierten, wie Technologie und Künstliche Intelligenz die Gesellschaft verändern können.

Wie stark werden unsere Leben und Körper in Zukunft mit Technik verwoben sein? Darüber diskutierten Forscher*innen verschiedenster Felder beim Convergence-Symposium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF). Die Verschmelzung von Mensch und Technik, sogenannte Cyborgs, gibt es im Film seit Jahrzehnten. Doch die Grenzen, was ein Cyborg ist und was nicht, sind fließend. Durch unsere Smartphones, die wir rund um die Uhr bei uns tragen, stehen uns Möglichkeiten offen, die vor wenigen Jahrzehnten noch undenkbar waren.

Wir sind Cyborgs

Menschen verwenden neue Technologie seit jeher, um sich einen evolutionären Vorteil zu sichern. „Wenn sich eine Gruppe Schimpansen mit Werkzeugen zusätzliche Nahrungsquellen erschließt, dann erhöht das ihre Überlebenschancen“, erklärt Bioinformatiker Christoph Bock. „In diesem Sinne ist auch der Werkzeuge benutzende und wetterfest gekleidete Mensch ein Cyborg, oder zumindest ein technologisch erweiterter Mensch. Smartphones sind quasi das nächste Level.“

Für Aufsehen sorgte am Symposium auch der „dritte Daumen“ der Forscherin Dani Clode (siehe unten). Mit der Prothese kann die Britin deutlich mehr Dinge greifen, als Menschen mit einer „normalen Hand“. Laut Christiane Wendehorst, Präsidentin der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, könnten in Zukunft immer mehr Menschen ihre körperlichen Fähigkeiten durch Technik verbessern. „Der Einsatz von technologischen Prothesen bei gesunden Menschen ist heute schon Realität. So kommen bei Arbeitskräften, die schwere Lasten heben müssen, Exoskelette zum Einsatz“, sagt die Datenethikerin. „Dass sich Menschen in naher Zukunft gesunde Gliedmaßen amputieren lassen, um von besseren Funktionalitäten zu profitieren, halte ich für wenig wahrscheinlich. Eine Stimulierung der Gehirnfunktionen würden aber vermutlich viele Menschen in Anspruch nehmen.“

Ethische Probleme

Von Gehirnfunktionen könnten künftig auch Computer profitieren. Künstlich herangezüchtete Gehirnzellen, sogenannte Organoide (siehe unten), liefern zumindest in der Theorie hohe Rechenleistung bei geringem Energieverbrauch. Die Forschung dazu befindet sich noch in den Kinderschuhen. „Ein paar Schritte noch, dann können wir uns wohl auf Informationsverarbeitung mittels Organoiden einstellen“, ist Michael Stampfer, Geschäftsführer des WWTF, überzeugt. „Ethisch wird es aber eine Mammutaufgabe, einen Konsens zu finden, wie diese Möglichkeiten reguliert werden sollen.“ Es ist nämlich gar nicht einfach zu sagen, wann aus einer Ansammlung von Gehirnzellen ein selbstständig denkendes Gehirn wird.

Ein dritter Daumen als Erweiterung des Körpers

Wenn Körper und Technik eins werden

Dani Clode war als Sprecherin beim Symposium zu Gast. 

Mit ihrem „dritten Daumen“ war Prothesendesignerin Dani Clode beim Convergence-Symposium auf jeden Fall ein Hingucker. Den falschen Daumen aus Kunststoff kann Clode unabhängig von ihren anderen Fingern bewegen. Sie steuert ihn mit ihren Zehen – über Druckknöpfe in ihren Schuhen.

Der zusätzliche Daumen erlaubt es Clode, mit einer Hand eine Tasse zu greifen und ihren Inhalt gleichzeitig mit einem Löffel umzurühren. Für Clode ist die Prothese eine Erweiterung ihrer Fähigkeiten. Menschen, denen Finger abgetrennt wurden, können mit dem Daumen zumindest einen Teil ihrer verlorenen Handfunktion zurückerlangen.

Der „dritte Daumen“ soll laut Clode zum Denken anregen, was eine Prothese überhaupt bedeutet. Das Wort kommt nämlich vom altgriechischen „prósthesis“ und bedeutet lediglich „Hinzufügung“.

„Organische Intelligenz“ aus der Petrischale

Wenn Körper und Technik eins werden

Die Organoide sind zu klein, um als Intelligenz zu gelten. 

Könnten die Computerprozessoren der Zukunft aus menschlichen Hirnzellen bestehen? Dieser Frage geht der Forscher Thomas Hartung von der Johns Hopkins Universität auf den Grund. Er will Künstliche Intelligenz und Organische Intelligenz verknüpfen und züchtet dafür Hirne in der Petrischale. Dieses sogenannte Hirnorganoid wird aus menschlichen Hautzellen hergestellt, die zuvor in einen stammzellenähnlichen Zustand umprogrammiert wurden. Daraus entstehen dann 50.000 Nervenzellen – in etwa so viel, wie im Nervensystem einer Fruchtfliege. Um eine Organische Intelligenz zu kreieren, brauche man mindestens zehn Millionen Zellen, so Hartung.

Ein solches „Computer-Gehirn“ hätte viele Vorteile: Es lernt schnell und verbraucht wenig Energie. Zudem könnten daran neue Medikamente getestet werden, ohne dass Tiere zu Schaden kommen.

Weiche Roboter mit sanftem Touch

Wenn Körper und Technik eins werden

Weiche Greifer eignen sich für zerbrechliche Dinge. 

Eine Silikonstruktur mit mehreren ballonartigen Kammern und etwas Druckluft: Mehr braucht es nicht, um einen Greifer zu bauen, der Tomaten pflücken kann, ohne sie dabei zu zerdrücken. Für den Forscher Johannes Overvelde von der Johns Hopkins Universität beherbergen solche weichen Roboter eine Art Intelligenz, denn sie kommen ganz ohne Steuerung aus. Sie machen genau das, was ihr Aufbau, das Material und das pneumatische System vorgeben.

Momentan arbeitet Overvelde zusammen mit Chirurgen an einem künstlichen Herzen aus weichen Materialien. Von der Leistungsfähigkeit eines Herzens, das pro Jahr etwa 30 Millionen Mal schlägt, ist der Forscher allerdings noch weit entfernt. Auch Probleme wie Energieeffizienz oder Stromversorgung sind noch zu meistern. Forscher Overvelde ist aber überzeugt, dass weiche Roboter eine Zukunft haben. Für die Landwirtschaft sind sie etwa ideal, weil sie eng mit Menschen zusammenarbeiten können, ohne sie zu verletzen.