KI in der Medizin: Chancen und Risiken

Wissenschaftstalk "Spontan gefragt": Moderator und Genetiker Markus Hengstschläger (re.) diskutierte mit seinen Gästen Verena Scheitz und Georg Langs über das Thema "Künstliche Intelligenz in der Medizin".
Vorhersage von Therapiechancen: Im Wissenschaftstalk „Spontan gefragt“ dreht sich alles um künstliche Intelligenz in der Medizin.

Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) machen vor keinem Bereich halt – auch nicht vor dem Gesundheitswesen. Die Ärzt*innen werden zunehmend durch kognitive Systeme unterstützt – von der Telemedizin bis zu Roboterassistenz bei Operationen. Einen wichtigen Part nimmt KI bei der personalisierten Medizin ein. Moderator Markus Hengstschläger wendet sich an Georg Langs, der an der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien zu diesem Thema forscht: „Was genau machst du?“ „Wir verwenden maschinelles Lernen, einen Bereich der KI, mit dem Hauptziel, Vorhersagen darüber zu treffen, wie eine Krankheit verlaufen und ob die geplante Therapie funktionieren wird“, antwortet der Mathematiker. Dabei würden Daten der Bildgebung mit Patient*innendaten zusammengeführt, um ein Profil zu entwickeln, so Langs.

„Konkret geht es in dem vom WWTF geförderten Projekt um Brustkrebspatient*innen, die vor ihrer Operation eine Chemotherapie durchlaufen. Mit Magnetresonanz kann man die weichen Teile des Gewebes und Tumors sehr gut abbilden und ihre Funktion im betroffenen Gebiet erkennen. Das Problem ist, dass wir nicht wissen, wie diese Funktion mit dem Erfolg der Therapie zusammenhängt. Wir verwenden maschinelles Lernen dafür, um das zu erkennen.“ Verena Scheitz wirft ein: „Bei der Entwicklung von Medikamenten ist bekannt, dass sie für Männer gemacht werden. Frauen würden eigentlich andere Wirkstoffe benötigen“, sagt die ORF-Moderatorin und Schauspielerin. „Du arbeitest mit Daten von Frauen – können die Forschungsergebnisse irgendwann für alle passen?“ Es sei sehr wichtig, keine Inselmodelle zu schaffen, betont Langs. „Bei der Validierung ist es von Bedeutung, alle Patient*innengruppen darzustellen, heterogene Daten zu sammeln und mit anderen Kliniken zusammenzuarbeiten, denn diese Modelle lernen von Beobachtungen.“

„Wie funktioniert maschinelles Lernen?“, fragt Markus Hengstschläger. Im Prinzip sei es einfach, erläutert der Mathematiker. „Künstliche neuronale Netze sind dem nachempfunden, was in unserem Gehirn passiert. Es sind viele, miteinander verbundene Neuronen, die sich gegenseitig Informationen weiterleiten. Unsere Aufgabe ist es, sie so zu trainieren, dass sie Tumore erkennen, Prognosen über den Therapieverlauf stellen und eine gültige Aussage treffen können.“

KI in der Medizin: Chancen und Risiken

Georg Langs

Georg Langs studierte Mathematik an der TU Wien und promovierte in Informatik an der TU Graz. Danach war er PostDoc am Applied Mathematics Laboratory der École Centrale Paris sowie Research Scientist im Computer Science and Artificial Intelligence Lab des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo er bis heute eine Research Affiliate Position innehat und bei der er einen Teil des Jahres als Mitglied der Medical Vision Group verbringt. Seit 2011 ist Langs an der Medizinischen Universität Wien tätig, wo er das Computational Imaging Research Lab an der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin leitet, sowie eine Professur für Maschinelles Lernen in der medizinischen Bildgebung ausübt. Er hat über 200 peer reviewed Artikel im Bereich des maschinellen Lernens und der medizinischen Bildgebung veröffentlicht. Zudem ist Langs Mitgründer und Chief Scientist des Spin-offs contextflow. GmbH.

KI in der Medizin: Chancen und Risiken

Verena Scheitz

Die Wienerin studierte nach der Matura Schauspiel und Tanz am Konservatorium in Wien. Im Anschluss absolvierte sie in Salzburg das Studium der Rechtswissenschaften. Aber es zog Verena Scheitz auf die Bühne: Zunächst spielte sie im Theater in Wien, Baden, Regensburg, Bautzen und Klagenfurt, dann entdeckte sie ihre Liebe zum Kabarett. Scheitz war Mitglied der Gruppe Heilbutt und Rosen sowie SimpsonPaschkeScheitz. Auch mit ihren Soloprogrammen „Scheitz dir nix“ und „Iss was G“Scheitz“ war sie erfolgreich unterwegs, ihr neues Programm „Scheitz renoviert“ steht in den Startlöchern. Ihre Vielseitigkeit stellt Verena Scheitz immer wieder unter Beweis. So trat sie unter anderem auf der Seebühne Mörbisch in Operetten auf, wirkte in zahlreichen Fernsehproduktionen mit und gewann 2016 Dancing Stars. Seit 2019 moderiert sie abwechselnd mit Norbert Oberhauser das beliebte Vorabendmagazin „Studio 2“ im ORF. Ab Oktober  ist Scheitz im Musical „Kiss me Kate“ auf der Bühne Baden zu sehen.

Herausforderungen

Wie sehr KI in der Medizin schon angekommen sei, will Markus Hengstschläger wissen. Es gebe viele Anwendungen in der Praxis, entgegnet Georg Langs. „Ein Beispiel aus der Radiologie: Wenn im CT ein kleines Lungenknötchen entdeckt wird, kann KI eingesetzt werden, um eine Risikovorhersage zu treffen. Aber vieles befindet sich auch erst in der Forschung.“ Verena Scheitz fragt nach: „Wenn in der Diagnose bei Krebspatient*innen KI eingesetzt wird, hat das dann auch für die Therapie Auswirkungen oder wird dennoch das Schema F durchgezogen?“ Das sei ein Teil seines Forschungsprojekts, entgegnet Langs. 

„Unser Modell beinhaltet auch eine Unterstützung bei Entscheidungen, denn es soll erkennen, ob etwa eine systemische Therapie so gut anspricht, dass eine Operation nicht mehr nötig ist.“ „Ich bin dennoch kein Fan von KI“, sagt die Kabarettistin. „Ersetzen sie irgendwann die Ärzt*innen?“ Georg Langs verneint. „Vor fünf Jahren wurde am Ende von Kongressen den Radiolog*innen die Frage gestellt, ob sie Angst davor hätten, durch KI wegrationalisiert zu werden. Und da gab es große Sorge“, erzählt er. „Mittlerweile hat sich das geändert: Die Mediziner*innen erkennen KI als das, was es ist: ein Werkzeug, das sie unterstützt.“ 

Markus Hengstschläger bringt einen weiteren Punkt ins Spiel: „In den USA haben einige wenige Unternehmen Zugriff auf alle Daten. Wie wird das im Gesundheitsbereich in der Zukunft aussehen?“ „Mein Wunsch ist, dass der Zugang der Daten kontrolliert wird, damit diese für die Wissenschaft zugänglich bleiben, denn sie sind die Basis für solche Modelle“, betont der Wissenschafter. „Es darf nicht sein, dass nur Unternehmen Daten sammeln und sich dadurch einen Vorsprung aufbauen, der nicht mehr transparent ist.“ Er vertraue in diesem Punkt aber auf die EU-Projekte, die daran arbeiten, Daten international zu sammeln und für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Genauso wichtig sei aber, dass die Patient*innen der Verwendung ihrer Daten zustimmen, sagt Georg Langs: „Die Daten aus der täglichen Praxis sind für die Forschung unglaublich wichtig, weil nur so der Blick auf das Ganze geöffnet wird und nicht nur auf eine kleine Studienkohorte.“

Hier geht’s zur Sendung „Spontan gefragt“: