Auf hohem Niveau

EM27 SUN Spektrometer am Dach des Schwackhöfer-Hauses der BOKU.
In Wien testet eine Forschungsgruppe neue Messmethoden für das - und Methan-Monitoring.

Global gesehen, sind Städte für etwa 80 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und über 70 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. „Das liegt zum einen natürlich daran, dass sich im urbanen Bereich besonders viele Menschen finden, denn Treibhausemissionen hängen eng mit menschlichen Aktivitäten zusammen“, sagt Dr. Bradley Matthews, wissenschaftlicher  Mitarbeiter an der BOKU Wien und am Umweltbundesamt. „Zwar ist die Pro-Person-Emission in Städten normalerweise geringer als  im ländlichen Raum, aber  geografisch gesehen sind diese Standorte größere Emissionsquellen pro Quadratkilometer.“ Daher sind es auch die urbanen Ballungszentren,  die im Kampf gegen  den Klimawandel eine entscheidende Rolle spielen. 

Auf hohem Niveau

Die Eddy-Kovarianz-Messstation am A1 Funkturm. 

Lokale Emissionen erfassen

Um Maßnahmen setzen zu können, die den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren, muss man zunächst deren Quellen kennen. „Man muss sozusagen die Luftschadstoffemissionen verstehen, um handeln zu können“, sagt Matthews. „Weiß man, welche Sektoren Emissionen verursachen und in welchem Ausmaß,  kann man gezielt Maßnahmen erarbeiten und umsetzen.“ Vor diesem Hintergrund wurde bisher die Bundesländer-Luftschadstoffinventur erstellt. „Dafür werden die Emissionen mit Statistiken zu sozio-ökonomischen Aktivitäten hochgerechnet“, erläutert der Forscher. „Und genau da liegt das Problem: Die benötigten Daten sind für die  nationale Ebene vorhanden, auf Gemeindeebene aber oft nicht.“ Für Städte wie Wien ergeben sich daher Unschärfen, die es auszumerzen gilt.

Im Rahmen des vom WWTF geförderten Projekts „Vienna Urban Carbon Laboratory“ (VUCL), ein Konsortium aus der BOKU, der Technischen Universität München, dem Umweltbundesamt und der A1 Telekom Austria, testet das interdisziplinäre Team die Anwendbarkeit verschiedener Messmethoden für das urbane Gebiet. „Wir konzentrieren uns dabei nicht nur auf CO2, sondern erstmals auch auf Methan, das ebenfalls ein relevantes Treibhausgas ist“, so Matthews. „Diese Messmethoden können Aussagen über die Konzentration von Treibhausgasen in der Luft oder ihren vertikalen Austausch liefern und so eine zweite Schätzung zu der Inventur darstellen – wobei man klar sagen muss, dass wir noch in der Forschung sind. Das heißt, wir überprüfen diese als Methoden selbst.“

Erste Erkenntnisse

Im Vorläuferprojekt „CarboWien“, das ebenfalls von Bradley Matthews geleitet wurde, kam die Eddy-Kovarianz-Methode zum Einsatz, die sich im Fall landwirtschaftlicher Flächen oder Wälder vielfach bewährt hat. Als Standort wurde der A1 Funkturm am Arsenalgelände gewählt: Die zentrale Lage bei einer gleichzeitig großen Messhöhe machten ihn ideal für das Forschungsprojekt. Von 2018 bis 2020 wurde so die CO2-Konzentration und die vertikale Windgeschwindigkeit in einer zeitlichen Auflösung von 20 Messungen pro Sekunde gemessen. Durch die hohe Messfrequenz wurde die Berechnung von halbstündlichen Mittelwerten für den vertikalen turbulenten CO2-Austausch zwischen Stadt und der atmosphärischen Grenzschicht ermöglicht. „Wir erkannten ein plausibles Niveau und zeitliche und räumliche Variationen in den Messungen“, fasst Matthews die Ergebnisse, die auch publiziert wurden, zusammen. „Vor allem sahen wir, dass die Jahresbilanz, die wir von den Messungen ableiten konnten, denen der Bundesländer-Luftschadstoffinventur sehr ähnlich ist.“

Für das Projekt VUCL wurden nun weitere Messmethoden am Arsenalgelände und an weiteren Standorten (BOKU-Schwackhöfer-Haus, Spetterbrücke-Garage und Zentralfriedhof) implementiert. Bis 2025 werden Messdaten geliefert. „Das macht das Projekt einzigartig, weil wir mit verschiedenen Messmethoden arbeiten“, so Matthews. „Grundsätzlich setzen bislang weltweit wenige Städte solche Messungen operativ um.“

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Ein Klimaschutzprogramm ist abhängig von seinem Monitoring – wertvolle, unterstützende Daten könnten unsere Messungen liefern

von Bradley Matthews, wissenschaftlicher Leiter des Projekts VUCL

Evaluierungen ermöglichen

Wenn sich die Messmethoden bewähren, könnten sie einen wichtigen Baustein bei Klimaschutzmaßnahmen darstellen. „Im Kampf gegen die Klimakrise ist ein funktionierendes Monitoring von großer Relevanz“, so der Projektleiter. „Nur so kann man die  Wirkung von gesetzten Maßnahmen evaluieren – Messdaten zeigen, ob sie funktionieren oder ob es zusätzlichen Handlungsbedarf gibt.“ Die Bundesländer-Luftschadstoffinventur wird dadurch nicht abgelöst. „So hat man Vergleichsergebnisse“, betont Matthews. „Unsere Daten können die Inventuren validieren und verifizieren, wenn die Zahlen ähnlich sind. Der Wert ist nicht zu unterschätzen, auch wenn man ein Modell hat, muss dieses überprüft werden. Dafür gab es bisher technisch nicht die Möglichkeit.“

Der Wiener Klimafahrplan sieht über 100 Maßnahmen vor, die umgesetzt werden sollen, um die Stadt bis 2040 klimaneutral zu machen. Das Projekt VUCL kann dabei im besten Fall unterstützend wirken. „Wie bereits erwähnt, sind wir noch in der Forschung“, schließt Bradley Matthews ab. „Wenn unsere Messysteme aber das Monitoring der Stadt unterstützen können, ist das ein großer Mehrwert im Kampf gegen die Klimakrise.“

forschung.boku.ac.at