Auch eine Frage des Lebensstils

Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen an der ersten Stelle der Todesursachen in Österreich, doch die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, kann jeder selbst signifikant reduzieren.
Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat man zum Teil selbst in der Hand.

Rund 17,3 Millionen Menschen sterben weltweit jährlich an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und trotz des beachtlichen medizinischen Fortschritts werden kardiovaskuläre Erkrankungen, wie sie auch genannt werden, in den kommenden Jahren noch weiter ansteigen. „Dazu zählen die koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, aber auch etwa Herzklappenfehler, Herzrhythmusstörungen oder rheumatische oder entzündliche Herzkrankheiten“, erklärt Thomas Dorner, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Public Health und Experte im Bereich Gerontologie und Gesundheitsförderungsforschung.

Häufig wird unter kardiovaskulären Erkrankungen die Arterienverkalkung (Atherosklerose) und ihre Folgen verstanden. Dabei verlieren die Wände der Blutgefäße immer mehr an Elastizität, verhärten und verdicken sich und können schließlich durch die Ablagerung von Blutfetten und Kalk verstopfen. Je nachdem, welche Gefäße betroffen sind, kann es zu einer Unterversorgung des Herzens, des Gehirns oder der Lunge führen – und im schlimmsten Fall zum Tod durch Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer Lungenembolie.

Unterschätzte Gefahr

Ein Großteil der Erkrankungen wäre vermeidbar, doch das Bewusstsein dafür fehlt. „In Österreich weist die Bevölkerung große Wissenslücken allgemein in Bezug auf ihre Gesundheit sowie im speziellen auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf“, fasst Dorner die Studienlage zusammen. Im Vergleich zu anderen Ländern steht Österreich in Sachen Gesundheitskompetenz damit nicht gerade gut da. Insbesondere die Bedeutung der Vorsorge wird immer noch gering geschätzt und welch gewichtigen Einfluss etwa Ernährung und Bewegung auf die Lebensqualität haben.

Auch eine Frage des Lebensstils

Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen an der ersten Stelle der Todesursachen in Österreich, doch die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, kann jeder selbst signifikant reduzieren. 

Risikofaktor Lifestyle

Überwiegend sitzende Tätigkeiten, gepaart mit einem Überangebot an Nahrungsmitteln: Der sogenannte „westliche Lebensstil“, ein Phänomen der Wohlstandsgesellschaft, mag bequem sein, ist tatsächlich aber lebensgefährlich. Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen in Österreich zu den häufigsten Todesursachen und sind neben genetischen Dispositionen vor allem vom Lebensstil abhängig. Hinzu kommen (unter anderem) Umweltbelastungen, Stress und psychische Faktoren, die der Gesundheit auf Dauer schaden.

Die Ursachen und Zusammenhänge der einzelnen Faktoren werden laufend erweitert, im Wesentlichen lassen sich laut Dorner aber vier medizinische Risikofaktoren identifizieren: „Starkes Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes mellitus und ein ungünstiges Lipidprofil bedingen die Verstopfung der Blutgefäße und liegen kardiovaskulären Ereignissen, wie etwa Herzinfarkt und Schlaganfall, zugrunde.“ Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung, Rauchen und Stress schaffen dafür ungünstige Voraussetzungen.

Auch eine Frage des Lebensstils

Im Gegensatz zu anderen Faktoren, haben wir auf Lebensstilfaktoren direkten Einfluss

von Thomas Dorner, Public-Health-Experte

Stilbruch

Auch in der Therapie kommt dem Lebensstil eine Schlüsselrolle zu. „Dazu gehören vor allem Gewichtsreduktion, Bewegung und Ernährungsoptimierung“, erläutert der Gesundheitsexperte. „Diese haben auch den Vorteil, dass dadurch nicht nur die Krankheit besser bewältigt werden kann. Sie können auch zu einer besseren Lebensqualität führen, zu einer Risikoreduktion für andere Krankheiten beitragen und insbesondere bei älteren Menschen die Selbstständigkeit fördern und aufrechterhalten“, ergänzt Dorner, der auch als Leiter der Akademie für Altersforschung am Haus der Barmherzigkeit tätig ist.

Neben den individuellen Maßnahmen ist auch die Gesellschaft gefragt. Etwa müssen wir als Gemeinschaft die notwendigen Maßnahmen setzen, um ein gesundheitsförderliches Umfeld zu schaffen. Das betrifft zum Beispiel die Wohnverhältnisse, den Arbeitsplatz, das Gestalten und Erhalten von Grünflächen oder die Kennzeichnung von gesunden Lebensmitteln.

„Auf Ebene der Gesundheitssysteme geht es darum, die gesundheitlichen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln“, ergänzt Dorner als dritten Punkt.

Luft nach oben

Um die Situation zu verbessern, gibt es laut Dorner auch Optimierungsbedarf in der Forschung. „Studien über das Wissen und Bewusstsein liegen bereits länger zurück, oder sind sehr fragmentiert. Würden uns dazu mehr Forschungsergebnisse vorliegen, könnten gezieltere Maßnahmen getroffen werden“ erklärt er. Weiters bemängelt der Experte den unzureichenden Zugang zu jenen Gesundheitsdaten, die für wissenschaftliche Analysen nötig wären.

„Um mehr über die Zusammenhänge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen samt Risikofaktoren, inklusive Lebensstilparametern, sozio-demografischen Faktoren oder Faktoren der physischen und sozialen Umwelt herleiten sowie Maßnahmen setzen zu können, müssten die Daten verschiedener Datensätze und Dateneigentümer pseudonymisiert miteinander verknüpft werden. Diesbezüglich ist in Österreich noch vieles in Entwicklung – und im internationalen Vergleich liegen wir hier weit zurück“, kritisiert Dorner.

Er fordert eine Neuorientierung des Gesundheitssystems, das den Menschen in den Mittelpunkt rückt und ein präventives Umfeld schafft.