„Angst vor Herzinfarkt ist gesunken“

Gastronomin Eva-Maria Gensbichler im Gespräch mit Kardiologin Irene Lang und Moderator Markus Hengstschläger.
Spontan gefragt: Wie es in Österreich um die Herzgesundheit steht und was es mit dem „gesunden Achterl Wein“ auf sich hat.

Hören wir doch mehr auf unser Herz. Ein Satz, den man im Alltag gern einmal von Familienmitgliedern oder Freunden als Ratschlag gesagt bekommt. Doch was großteils für zwischenmenschliche Beziehungen gilt, gilt auch für unseren Körper. Denn medizinisch gesehen, sollten wir uns tatsächlich mehr auf unser Herz konzentrieren. Selbst wenn Herz-Kreislauferkrankungen in Österreich die Todesursache Nummer eins sind, kümmern sich nur die wenigsten darum, ihr Herz auch fit zu halten.

Um das Thema Herzgesundheit geht es auch in der neuen Ausgabe des Wissenschaftstalks „Spontan gefragt“ auf KURIER.TV. Darin besprechen Irene Lang, Professorin für Gefäßbiologie und stellvertretende Leiterin der klinischen Abteilung für Kardiologie an der MedUni Wien, und Eva-Maria Gensbichler, Gastronomin und Inhaberin des „Xandl Stadl“ im Salzburger Hinterglemm, Fragen rund um unser Herz. Wie bleibt es gesund? Welche Rolle spielen Ernährung und Stress wirklich und gibt es das „gesunde Achterl Wein“ überhaupt?

Fehlendes Bewusstsein

Beim Thema Herzgesundheit stellt Expertin Lang den Menschen in Österreich ein dürftiges Zeugnis aus. „Ich denke, dass die Wahrnehmung für Herzgesundheit in Österreich schlecht ist“, erklärt sie und führt das fehlende Bewusstsein auf einen durchaus überraschenden Grund zurück: „Dadurch, dass wir einen Infarkt medizinisch mittlerweile so gut versorgen können, ist auch die Angst davor gesunken und damit auch das Bewusstsein, einen Infarkt zu vermeiden. Vor Krebs fürchten sich die Menschen, aber vor einem Herzinfarkt nicht mehr.“ Dabei sollte man Herz-Kreislauferkrankungen keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. Immerhin sind sie für 38 % aller Todesfälle in Österreich verantwortlich. Eine schockierende Zahl, jedoch könnten viele Tote durch einen angepassten und gesunden Lebensstil vermieden werden. Worauf es dabei ankommt, weiß Irene Lang: „Mit Sicherheit weniger Fleisch konsumieren. Man kann den Schweinsbraten mit Kruste essen, aber eben nicht jeden Tag. Wenn man den Fleischkonsum auf einen Tag in der Woche beschränkt, dann ist schon viel getan.“

Dass der kulinarische Trend mittlerweile aus gesundheitlichen und Umweltgründen stark in Richtung Vegetarismus und Veganismus geht, hat auch Gastronomin Gensbichler erkannt. „Vegetarische und vegane Speisen sind freilich auch bei uns ein Thema. Wir haben noch keine vegane Karte, aber dadurch, dass wir frisch kochen, kommunizieren wir mit den Gästen und schauen, dass wir auch die Veganer zufriedenstellen“, so Gensbichler.

Ein Achterl in Ehren

Zum Essen gehört freilich der Genuss und für viele beinhaltet das auch das eine oder andere Gläschen Wein. Daher nutzte Gensbichler die Gelegenheit und fragt die Expertin, wie es denn eigentlich um das sogenannte „gesunde Achterl Wein“ steht? „Alkohol ist einfach schlecht, vor allem wenn er chronisch konsumiert wird. Auf der anderen Seite ist Alkohol, besonders Rotwein, eine Quelle für sogenannte Sirtuine, denen ein Anti-Aging-Effekt bzw. Anti-Stress-Effekt nachgesagt wird. Genießt man das Glas Wein also an einem schönen Ort mit jemandem, den man gut leiden kann, kann es auch belebend wirken, weil es die Herz-Hirn-Achse aktiviert“, so Lang.

Herz und Hirn

Denn unser Herz und unser Kopf sind wesentlich enger miteinander verbunden, als viele glauben wollen. Bei vielen äußert sich das unter anderem durch Herzrasen in Stresssituationen. Auch Gastronomin Gensbichler kennt dieses Phänomen und will von der Expertin wissen, was man dagegen tun kann. „Herzrasen ist ein Teil des Lebens. Lesen Sie Gedichte von Goethe oder von Schiller, in irgendwelchen Formen kommt Herzklopfen darin vor. Herz und Hirn hängen ganz eng miteinander zusammen. Das Beste in so einem Fall ist daher, sich an diese Herz-Hirn-Achse zu erinnern und Techniken anzuwenden, die an Yoga und Meditation angelehnt sind. Ein besonders einfacher Trick ist, manchmal auch ganz tief durchzuatmen und sich die Zeit zum Reflektieren zu nehmen.“

Also hören wir nicht nur auf unser Herz, sondern achten wir auch darauf.

Es ist nicht immer nur das Cholesterin

Bei Herzinfarkten spielt das LDL-Cholesterin, also das schlechte, weiterhin eine große Rolle, jedoch gibt es hier eine Entwicklung, die aufhorchen lässt, wie Irene Lang, von der MedUni Wien, erklärt. „Die Herzinfarkte sind mittlerweile anders. Durch die Einnahme von Cholesterinsenkern haben die Patientinnen und Patienten oft geringe LDL-Werte.“ Es spielen also noch andere Faktoren bei einem Infarkt mit, beispielsweise entzündliche Mechanismen, so Lang. Seit 2018 sucht sie  nun im Rahmen eines Forschungsprojekts, das auch vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) gefördert wird, nach solchen Mechanismen, die einen Gefäßverschluss verursachen.

„Verschlüsse entstehen zum Beispiel auch durch die Aktivierung von neutrophilen Granulozyten. Das sind weiße Blutkörperchen, die eigentlich eine Abwehrfunktion haben, indem sie Fremdkörper wie, Bakterien, Pilze oder Viren abschirmen. Dabei spannen sie ihre DNA-Stränge wie eine Art von Netz über den Fremdkörper und setzen ihn fest.“ Bei einer überschüssigen Reaktion dieser Zellen können so aber auch Gefäße verstopfen. „Wir haben gefunden, dass bei einem Infarkt 80 % des Verschlusses im Gefäß durch diese Zellreaktion verursacht werden können. Es gibt also irgendwo einen Fremdkörper, der sie aktiviert, aber wir wissen noch nicht, wer es ist. Das ist das Interessante“, erklärt sie. Ihr Ziel für die Forschung ist klar: Die gewonnenen Erkenntnisse sollen als Basis für potenzielle Medikamente verwendet werden können. 

„Angst vor Herzinfarkt ist gesunken“

„Angst vor Herzinfarkt ist gesunken“