RunNa: Des Läufers Peitsche heißt GPS-Uhr

Punkt für Punkt wird alles aufgezeichnet
Anhand modernster Technik werden Läufer (fast) von Kopf bis Fuß vermessen. Gut, schlecht?

158. 5:50. 170. 52. An alle Mathematiker, die sofort eine gefinkelte Zahlenreihe vermuten: Stopp. Denn nein, es steht kein Fragezeichen am Ende und man braucht sich demnach nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, wie es weitergehen könnte. Bei den Zahlen handelt es sich nur um die Aufzeichnung einer meiner Läufe: Herzfrequenz, Pace, Schrittfrequenz, VO2max. Knallharte Fakten also, die mir zeigen, wie gut ich an dem Tag wirklich drauf war. Soll einem zumindest so verkauft werden. Doch ist das so? Brauche ich all diesen Schnickschnack, um zu wissen, wie es um mein Läuferleben steht. Klare Antwort: nein! Aber interessant ist es allemal.

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Ich habe meine Wunderwuzzi-Uhr, die mich beinahe besser kennt als mein Internist und dabei auch noch die Uhrzeit anzeigt, noch nicht einmal ein Jahr. Davor hatte ich eines der Vorgängermodelle, das sich im Wesentlichen auf Pace, Rundenzeit, Gesamtzeit, Herzfrequenz und das Einspeichern einzelner Trainings beschränkte. Eigentlich war ich damit rundum zufrieden. Eigentlich. Bis auf das GPS-Signal, das mich an manchen Tagen minutenlang nicht nur sprichwörtlich im Regen stehen ließ, bis es endlich summte und „Signal gefunden“ angezeigt wurde. Dazu kamen Abweichungen bei der Distanz. Das war schließlich der Grund, mich um ein neues Modell umzusehen.

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Insgesamt 17 Seiten hat die Gebrauchsanleitung meiner neuen. Gelesen habe ich sie nie. Die Uhr ist zum Glück so selbsterklärend, dass man eigentlich gar nichts falsch machen kann. Und den ganzen Schnickschnack messen tut sie sowieso. Neben den üblichen Parametern stehen da noch so Dinge wie Bodenkontaktzeit, Schrittlänge, vertikales Verhältnis, Belastungswert, Erholungszeit und Laktatschwelle. Mein Highlight ist die Erholungszeit, die nach harten Trainings schon einmal 72 Stunden betragen kann. Drei Tage nicht laufen? Netter Versuch, liebe Uhr.

Schauen oder nicht schauen

Ruhig bleiben. Noch langsamer. Der Puls muss unten bleiben. Schauen: super. Wieder schauen: an der Grenze. Nochmals schauen: passt. Gedanken wie diese hatte ich bei den vergangenen Longjogs oft. So oft, dass ich mittlerweile lieber Intervalle gelaufen bin, als den sonntäglichen langen Lauf zu absolvieren. Und das heißt was! Dieses zwanghafte Einbremsen, obwohl das Wohlfühltempo höher wäre, stresste mich. Und auch im umgekehrten Fall: War Halbmarathontempo am Plan, hatte ich oft schon davor eine Blockade im Kopf, die die Beine zu Betonklötzen machte.

Das hat auch mein Trainer Harald Fritz mitbekommen. Seine Angabe vergangenen Sonntag lautete daher: „Keine Pace, keine Kilometer, nur die Gesamtzeit.“ Gut. Also lief ich. 90 Minuten im Wohlfühltempo und anschließender böser Endbeschleunigung mit 30 Minuten im Halbmarathontempo sowie zehn Minuten auslaufen. Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich auf die Pace schauen wollte. Fehlanzeige. Da war nichts zu sehen, außer den Minuten, die bereits vergangen sind.

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Nach exakt 130 Minuten konnte ich schließlich abdrücken und alle Fakten checken. Alles in allem hat mich mein Gefühl richtig angeleitet. Beim Wohlfühltempo, wie auch beim anschließenden Tempolauf. Bei den 30 schnellen Minuten war ich zwar die ersten drei Kilometer ein paar Sekunden langsamer als gedacht, dafür den Rest der Zeit schneller. Mein Fazit: Werde ich nun öfters machen. Parameter ausblenden. Nur nach Gefühl laufen. Macht Spaß. Überraschungseffekt inklusive.

Sklave der Uhr

Dennoch möchte ich meine Uhr nicht missen. Während viele die Vermessung der Läuferwelt verteufeln, bin ich ein Fan von Pace, Hf und Co. Denn ich laufe auf Basis eines Laktattests, den ich in regelmäßigen Abständen mache und schwöre daher auf pulsorientiertes Laufen. Warum, wieso, ist hier nachzulesen. Die Uhr grundsätzlich zu verteufeln, macht daher meiner Meinung nach keinen Sinn. Gerade in meiner Anfangszeit war sie für mich eine hilfreiche Orientierung, um meine einzelnen Puls-Bereiche richtig einschätzen zu können. Ich wäre sonst immer zu schnell gelaufen und hätte mir nie eine gute Grundlage aufgebaut.

Nur auf das Gefühl hören will ich auch heute nicht. Es macht mir Spaß alles schwarz auf weiß oder besser eigentlich bunt auf schwarz zu sehen. Es motiviert mich, wenn ich plötzlich schneller bin, als das Gefühl vorgibt. So geschehen am Freitag beim 10k Tempodauerlauf. Eigentlich hätte ich langsamer sein „dürfen“. Wollte ich nicht. Es lief einfach zu gut, sodass ich immer schneller wurde und zur neuen inoffiziellen 5er PB lief. Der Blick auf die Uhr hat mich dieses Mal beflügelt. Die Uhr als Peitsche, um mich noch weiter anzutreiben. Positiv. In dem Moment fühlte ich mich unendlich kraftvoll. Stark.

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Beide Seiten können also täuschen und jeder muss für sich selbst die richtige Balance finden, um nicht – wie es so schön heißt – „Sklave der Uhr“ zu werden. Das sieht auch Andrea Engleder, Sportpsychologin in eigener Praxis und am Zentrum für Sportwissenschaft Auf der Schmelz in Wien so. „Es ist dann sinnvoll mit Zeiten zu arbeiten, wenn es darum geht eine Veränderung zu markieren, etwas zu schaffen. Die eigenen Ziele können bestärkt werden. Zur Gefahr wird es, wenn das persönliche Wohlbefinden im Sinne von 'mein Tag/Leben ist nur dann gut, wenn es erreicht wurde' davon abhängig ist und nicht mehr erkannt wird, was mir gut tut und gut gelingt“, meint Engleder.

Mein Fazit lautet: Auf die eigenen Bedürfnisse schauen und mal nicht hinschauen. Und vor allem realistisch bleiben, sich richtig einschätzen. Denn: Wer sein Ego streicheln will, ist bei so einer Wunderwuzzi-Uhr ebenfalls richtig. Auch die Wettkampfzeiten werden anhand der Trainings berechnet und vorhergesagt. Krieg ich schon hin. Im nächsten Leben dann. Da werd ich zum Wunderwuzzi. Ganz sicher.

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Autorin Natascha Marakovits finden Sie auch auf Instagram.

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