Licht als lebenswichtiger Stimmungsmacher

Licht ist im Winter Mangelware.
Grau in Grau mit einigen wenigen Lichtblicken, an denen die Sonne ein bisschen scheint: So ist das an Dezembertagen wie diesen. Jeder Lichtstrahl ein Luxus.

Kein Wunder, dass sich viele Menschen schon jetzt nach mehr Sonne und Licht sehnen. Dabei kommt es auf die Dosis an. Um gesund zu bleiben, brauchen wir ein bestimmtes Maß an Licht – nicht zu viel, nicht zu wenig. Licht und Sonnenschein wirken positiv auf die Stimmung und beeinflussen die innere Uhr, das haben sehr viele Studien bewiesen. Zudem wird erst unter Lichteinstrahlung das für den Menschen wichtige Vitamin D erzeugt (siehe Bericht links). Im Vorjahr konnten Wissenschaftler des Georgetown University Medical Center nachweisen, dass sich Licht direkt auf das Verhalten der für das Immunsystem so wichtigen T-Zellen auswirkt. Speziell Licht im blauen Wellenbereich hat hier einen Booster-Effekt, die Zellen werden aktiver.

Der Mensch im Licht-Takt

Licht, genauer gesagt der Wechsel von Hell und Dunkel, gilt als wichtigster Taktgeber für das rhythmische Wesen Mensch mit seinen Millionen innerer Uhren. Erst seit einigen Jahren ist bekannt, wie Licht über das Auge genau "verarbeitet" wird. Am Ort des Geschehens, der Netzhaut, gibt es spezielle Zellen, sogenannte photosensitive Ganglienzellen, die wie Sensoren wirken. Anders als die normalen Sehzellen wandeln sie das Licht nicht in Sinneseindrücke um, sie steuern stattdessen die innere Uhr. So weiß der Körper genau, wann er was zu tun hat – also um welche Zeit bestimmte Hormone ausgeschüttet werden oder die Körpertemperatur gedrosselt bzw. angekurbelt werden soll. Gerät diese innere Uhr außer Takt, dann führt das zu gesundheitlichen Problemen. Eindrucksvoll ist das am Beispiel Schichtarbeit zu sehen, wo Menschen Höchstleistungen zu einem Zeitpunkt bringen müssen, an dem ihr Körper auf Schlaf und Regeneration eingestellt ist.

Im Herbst-Winter-Tief

Wie sehr der Mensch ein lichtabhängiges Wesen ist, zeigt außerdem das Phänomen der Herbst-Winter-Depression. Durch den für die Jahreszeit typischen Lichtmangel kommt es zu Stimmungsschwankungen, die saisonal abhängig sind – also im Herbst beginnen und im Frühjahr enden. Die dahinter liegenden Mechanismen sind komplex, vor allem aber funktioniert die Produktion des Glückshormons Serotonin nicht mehr. "Es wird bei Patienten mit saisonal abhängiger Depression angenommen, dass es eine besondere Sensibilität in Bezug auf verschiedene Neurotransmittersysteme gibt. Besonders hervorstechend ist dabei das serotonerge System – es ist bekannt, dass es von Licht beeinflusst wird", sagt Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Dietmar Winkler von der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie.

Die davon Betroffenen werden antriebslos, müde, schlafen und essen mehr. Was vielen von ihnen hilft, ist Lichttherapie, die u. a. an der Ambulanz für Herbst-Winter-Depression am Wiener AKH angeboten wird. Das künstliche Licht sorgt dafür, dass die innere Uhr wieder in Takt kommt. Viele Betroffene helfen sich außerdem mit privaten "Lichtduschen", hier ist allerdings Vorsicht angesagt. Denn nicht alle Lampen sind gut geeignet, es kommt auf die Luxstärke und den Abstand zum Gerät an (siehe Interview unten).

Dosis Dunkelheit

Doch auch zu viel Licht kann schaden – der Mensch braucht, um gesund zu bleiben, die richtige Dosis Dunkelheit. Längst leben wir in einer 24/7-Welt in dauerhaft hell erleuchteter Umgebung, auch Licht-Smog genannt. Die echte Nacht existiert kaum mehr, wie Bilder der amerikanischen Weltraumbehörde NASA eindrücklich zeigen. Das irritiert die innere Uhr ebenfalls. Denn nur im Dunklen kann der Mensch das Schlafhormon Melatonin bilden, es braucht nur wenig Licht, damit dieser Prozess gestört wird. Besonders heikel: kaltes LED-Licht, typisch für von Computer, Tablets, Smartphones. Mit fatalen Folgen wie zum Beispiel weniger Schlaf und mehr Stress.

KURIER: Wie viele Menschen haben Herbst-Winter-Depressionen?

Assoc. Prof. Dietmar Winkler: Wir haben im Vorjahr die erste epidemiologische Studie zur Herbst-Winter-Depression in Österreich publiziert. Es sind – je nachdem, welche diagnostischen Kriterien man anlegt – 1,9 oder 2,4 Prozent der Bevölkerung. Der Anteil der subsyndromalen (Anm.: leichte Form) saisonal abhängigen Depression liegt etwa bei 15 Prozent.

Wer ist vermehrt betroffen?

Frauen sind zirka doppelt so häufig betroffen wie Männer in klinischen Populationen – das sind jene Menschen, die zu uns in die Ambulanz kommen. In unserer Studie haben sich keine signifikanten Geschlechtsunterschiede gezeigt, interessanterweise.

Was sind typische Symptome?

Die Herbst-Winter-Depression ist vor allem durch den Zeitpunkt des Auftretens charakterisiert – heißt: ein regelhaftes Einsetzen und Zurückgehen der Symptome. Dieser Zeitraum ist für jeden individuell, das kann etwa Oktober bis Februar sein. Die Symptome können wie bei einer nicht saisonalen Depression sein, vor allem hinsichtlich Stimmung, Antrieb und Vegetativum (Anm.: autonomes Nervensystem, das wir nicht bewusst steuern können). 75 Prozent aller Patienten leiden unter Schlafvermehrung und Appetitsteigerung, oft verbunden mit einem Heißhunger auf Kohlenhydrate. Die Menschen nehmen tatsächlich auch zu in der Winterzeit.

Licht lässt sich nicht "sammeln"?

Wenn man das wie einen Speicher sieht, hält das maximal für zehn Tage an, dann beginnt sich dieser Effekt langsam zu vermindern. Es ist daher nötig, dass diese Patienten täglich entweder künstliches Licht konsumieren oder in den Süden fahren, in die Berge, oberhalb der Wolkendecke, wo eine höhere solare Imission da ist. Oder an sonnigen Tagen auch im Winter vermehrt ins Freie gehen.

Worauf muss man beim Kauf einer Lichtdusche achten?

Sehr wichtig ist die Beleuchtungsstärke, die in Lux gemessen wird. Sie ist abstandsabhängig. Wir sagen, es ist eine sehr gute und helle Lampe, wenn sie 10.000 Lux in etwa 50 bis 70 cm Entfernung hat. Das entspricht, wenn es Leuchtstoffröhren sind, einem Anschlusswert von etwa 200 Watt. Je schwächer das Gerät, desto länger muss die Therapiedauer sein. Das ist bei 5000 Lux im therapeutischen Abstand eine Stunde pro Tag, bei 10.000 eine halbe Stunde, bei 2500 Lux sind es zwei Stunden. Da muss der Patient sehr lange jeden Tag im Winter vor der Lampe sitzen. Es wäre daher geschickter, einmalig in ein etwas stärkeres Gerät zu investieren. Bei der Lichttherapie ist es außerdem sinnvoll, dass man nebenbei auch was machen kann und nicht nur auf die Lampe starrt – zum Beispiel etwas lesen, schreiben, arbeiten. Das hält die Patienten bei der Stange. Hier brauchen sie einen gewissen Mindestabstand, sonst kriegen die Betroffenen zwischen sich und die Lampe kein Buch mehr hinein.

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