Wie kann ich Diabetes akzeptieren?

366 Mio. Menschen leiden weltweit an Diabetes mellitus. 9% der Österreicher sind Diabetiker.
Es gibt Wege sich Kompetenzen anzueignen, die ein weitgehend normales Leben ermöglichen.

Für viele Menschen ist die Diagnose im ersten Moment schon eher ein Schock“, sagt Birgit Harb, Psychotherapeutin und Diabetes-Fachpsychologin. Folgt man den Phasen der Krankheitsbewältigung, sei das aber nicht untypisch. Auf diese Erstreaktion, die häufig von einem Verleugnen – „es nicht wahrhaben wollen“ – begleitet wird, folgen manchmal Wut und Aggression sowie Phasen der Depression und Trauer, bis eine positive Bewältigung dieses Prozesses zur Akzeptanz der Erkrankung stattfinden kann. Nicht nur die Patienten selbst, häufig auch deren Angehörige durchlaufen diese Phasen: „Warum hat es gerade mein Kind getroffen?“ lautet etwa eine jener Fragen, die sich Eltern erkrankter Kinder stellen.

Wie Betroffene auf die Diagnose konkret reagieren, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Unter anderem von der Art der Erkrankung selbst: Diabetes Typ-1 und Typ-2 unterscheiden sich nicht nur anhand des Alters zum Zeitpunkt der Erstmanifestation, sondern auch in ihrer Behandlung. Daraus ergeben sich jeweils unterschiedliche Kombinationen aus Ausgangssituationen – Patienten in allen Altersgruppen und Lebensphasen – und Therapie-Aufwand und Anforderungen.

Wie kann ich Diabetes akzeptieren?

Mit der Erkrankung leben lernen

Die Akzeptanz der Diagnose sei, so Harb, auch vom sozialen Umfeld und psychischen Konstitution wie Persönlichkeit, Erfahrungen mit Erkrankungen, typischen Problembewältigungsstrategien der Patienten abhängig: „Welche innere Einstellung habe ich zu der Erkrankung? Welche Gedanken mache ich mir dazu? Wie erlebe ich die Situation?“ Je nach Lebensabschnitt knüpfen sich unterschiedliche Probleme und Befürchtungen sowie Strategien und Unterstützungsangebote an die Diagnose. Bei Menschen im fortgeschrittenen Alter stehen oft Ängste über Folgeerkrankungen im Zentrum, vor allem wenn es in der Familie bereits ähnliche Krankheitsfälle gab. Jugendliche nehmen die Erkrankung dagegen häufig als zusätzliche Belastung beim Hineinwachsen in die Erwachsenen-Rolle wahr.

„Um die Diagnose anzunehmen, braucht es die emotionale Auseinandersetzung mit der Krankheit. Das beinhaltet auch ein Zulassen negativer Emotionen in Form von Hadern, wütend sein, Verlust erleben und Traurigkeit“, so die Psychologin. Voraussetzung für den Abbau irrationaler Ängste und die erfolgreiche Bewältigung dieses Prozesses sei ein entsprechendes Umfeld, das diese Auseinandersetzung und den Erwerb der dafür notwendigen Kompetenzen begleitet. Der Diabetiker-Schulung fällt daher eine Schlüsselrolle zu: Sie umfasst nicht nur Aufklärungsarbeit über die Erkrankung, sondern vermittelt auch essenzielle Fertigkeiten im alltäglichen Umgang mit dieser, wie das richtige Verhalten bei Über- oder Unterzuckerung. Ist diese erfolgreich, können Patienten lernen, ein selbst- und nicht vom Diabetes bestimmtes Leben zu führen. Ein essenzieller Bestandteil der Schulung ist die emotionale Auseinandersetzung mit der Erkrankung.

Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

Die Erkrankung betrifft nur in den seltensten Fällen die Patienten allein, sondern stellt auch deren Angehörige vor Herausforderungen. Im besonderen Maße trifft dies bei Kindern zu: „Wenn ein Kind an Diabetes erkrankt, braucht das die Akzeptanz der gesamten Familie. Manchmal kann die Erkrankung zu Rivalitäten unter den Geschwistern führen, weil das betroffene Kind mehr Unterstützung und Aufmerksamkeit braucht“, schildert Harb. Auch an die Pubertät an Diabetes erkrankter Kinder knüpfen sich spezifische Diskrepanzen: Aufgrund der Erkrankung der Kinder besteht eine stärkere Abhängigkeit von den Eltern, während der Entwicklungsauftrag jener Phase lauten würde, sich aus jener Abhängigkeit zu lösen.

An Diabetes erkrankte Kinder stellen auch das mit der medizinischen Betreuung betraute Fachpersonal vor spezifische Herausforderungen, wie die Psychologin erklärt: „Bei Kleinkindern geht es darum, altersgerechte Erklärungen zu finden, um überhaupt ein Verständnis für die Erkrankung und Behandlung, wie zum Beispiel Blutzuckermessungen und Insulinbehandlung, zu schaffen. Dafür arbeitet man dann etwa mit Stofftieren. Bei Kindern im Grundschulalter versucht man dann bereits unter Einbeziehung von Pädiatern, Diabetes-Beratern, Diätologen, Psychologen altersgerechte Schulungen durchzuführen.“

Unabhängig vom Alter und der Lebenssituation der Personen mit Diabetes gilt aber, dass sich weder diese noch deren Angehörige mit der Krankheit im Stich gelassen fühlen müssen. Es gibt ein breit gestreutes Angebot von Therapeuten, Psychologen und Selbsthilfegruppen für unterschiedlichste Altersgruppen und Lebenssituationen.

- Werner Sturmberger

Wenn die Diagnose und die damit verbundenen Ängste Patienten und Patientinnen über den Kopf zu wachsen drohen, können bereits im Krankenhaus, wo die Erkrankung meist erstmalig diagnostiziert wird, Klinische- und Gesundheitspsychologen hinzugezogen werden. Mit dem „Problem Areas in Diabetes“- Fragebogen steht zudem ein Selbstbeurteilungsverfahren zur Verfügung, das Erkrankte dabei unterstützt, sich Klarheit über mögliche vorliegende Ängste zu verschaffen. Beim Wunsch nach weiterführender Unterstützung in der Krankheitsverarbeitung, der Förderung der Diabetesakzeptanz und der Gesundheitskompetenz können sich Betroffene und Angehörige an die Therapeuten der Arbeitsgruppe Psychodiabetologie wenden.

Wenn Sie mehr zu Fachbegriffen, zum Krankheitsverlauf oder zu den neuesten Behandlungsmethoden wissen wollen, einfach Ihre Fragen hier absenden. Unsere Diabetes-Expertinnen und –Experten werden sie umgehend beantworten. Die Antworten werden gesammelt einmal pro Woche hier veröffentlicht.

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