"Wir essen schneller, süßer und fetter"

Die Zahl der fettleibigen Menschen hat sich verdoppelt.
Spezialist Hermann Toplak über die Zunahme der Diabetes-Fälle.

Übergewicht ist die Hauptursache, warum Menschen an Diabetes Typ-2 erkranken. Das meint auch Internist Hermann Toplak, der im kommenden Jahr das Amt des Präsidenten der Österreichischen Diabetesgesellschaft antritt. 1979 hat er bereits die Österreichische Adipositas Gesellschaft gegründet. Jetzt bringt er seine Expertise in den Kampf gegen Diabetes ein.

Die Zahl der an Adipositas Erkrankten hat sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt. Wieso ist unser Kalorienhaushalt immer mehr gestört?

Hermann Toplak: Die Gründe liegen in der zunehmenden Technisierung. Sie bedingt, dass das Leben immer schneller abläuft, und dass wir, ohne es zu merken, enormen Stress ausgesetzt sind. Wir essen schneller, süßer und fetter. Wir sollten wieder bewusster essen. Das geht aber nur, wenn man erst einmal zur Ruhe kommt. Dann schaltet man auch das Hirn ein. Die Gefahren, die in Fertiggerichten liegen, werden global unterschätzt. Sie sind die größten Zuckerfallen.

Und der Mangel an Bewegung?

Die Leute benutzen keine Stiegen mehr, sondern nur noch Lift und Rolltreppe. Das Schlimmste sind diese horizontalen Förderbänder am Flughafen! Die meisten Österreicher gehen nur noch 300 bis 800 Meter am Tag. Wir sind aber dafür gebaut, 15 bis 17 Kilometer täglich zu Fuß zu gehen. Uns muss wieder bewusst werden, dass Bewegung etwas Gutes ist.

Und wenn jemand sagt, er hat keine Zeit?

Die Zeit, die man für eine Stunde Bewegung verwendet, geht einem am Ende des Tages sicher nicht ab, die Arbeit wird trotzdem fertig. Bei Schülern steigert sie sogar die Leistungsfähigkeit um 25 Prozent.

"Wir essen schneller, süßer und fetter"
Interview mit dem Grazer Internisten Professor Hermann Toplak am 29.09.2015 in Wien.

Mehr Kinder sind übergewichtig und bekommen in Folge Diabetes Typ-2. Wie kann das verhindert werden?

Wenn sich die Mutter während der Schwangerschaft einseitig ernährt oder raucht, stört das die Entwicklung des Kindes. Dieses Verhalten verändert den Insulinhaushalt des Kindes. Dadurch steigt für das Kind die Gefahr, später an Diabetes zu erkranken. Nach der Geburt werden Babys sehr früh auf Babynahrung umgestellt. Die wird extrem gesüßt, damit die Kinder sie anstelle der Muttermilch akzeptieren. Damit beginnt eine Zuckersucht, die Kinder immer wieder zu Süßem treibt. Das kann man aber aberziehen. Man sollte dem Kind nichts krampfhaft wegnehmen, ihm aber zeigen, dass es auch etwas anderes gibt, das gut schmeckt.

Wie ist die Stellung adipöser Patienten im Gesundheitssystem?

Wir bräuchten ein System, in dem die Leistungen, die der Patient wirklich braucht, bezahlt werden. Wir haben das Problem, dass nur die chirurgische Operation bezahlt wird, aber weder die Vorsorge noch die Nachsorge.

Gibt es bald neue Medikamente gegen Adipositas?

Ja, die werden nur ziemlich teuer sein.

Wird es deswegen zu Problemen für die Patienten kommen?

Dem Patienten wird zwar ein Reha-Aufenthalt um rund 4500 Euro erstattet. Dafür könnte er ein ganzes Jahr lang jedes Monat für eine halbe Stunde zu mir in die Ordination kommen. Man muss die Menschen in ihrem täglichen Leben begleiten und die Herausforderungen praktisch aufarbeiten. Bei der Reha passiert es aber oft, dass man sein Übergewicht beim Reingehen am Eingang abgibt und beim Ausgang wieder in Empfang nimmt.

Welche Ziele verfolgt die Adipositas-Forschung?

Das Problem hängt möglicherweise mit unserem Mikrobiom zusammen. Wahrscheinlich ist, dass wir mit einseitiger und zuckerhaltiger Kost eine gewisse Form von Darmbakterien selektionieren können, die dann die Gewichtszunahme fördern. Wenn man vielseitig isst, bedeutet das, dass sich auch andere Bakterien entwickeln. Es gibt aber auch andere Dinge, die uns für Diabetes prädestinieren, etwa die Genetik.

- Magdalena Meergraf

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