"Österreicher sind bei Gesundheitskompetenz schlecht"

 
Robin Rumler, Präsident der Pharmig, beklagt das mangelnde Grundverständnis für Gesundheit in Österreich.

Österreich ist Weltmeister beim Rauchen. Aber auf diesen Titel sollten wir nicht stolz sein. In keinem anderen Land der Welt gibt es einen so hohen Raucheranteil in der Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig ist Österreich innerhalb Europas bei der Durchsetzung von Gegenmaßnahmen an letzter Stelle. Für Robin Rumler, Präsident der Pharmig und Geschäftsführer des Pharmakonzerns Pfizer Austria, ist das nur symptomatisch für den oft zu lässigen Umgang der Österreicher mit ihrer Gesundheit. Daher fordert er im Interview eine grundlegende Gesundheitsschulung, die bereits im Kindergarten beginnen soll.

Die Zahl der Diabetiker in Österreicher steigt, die Zahl der Raucher ist weltrekordverdächtig. Haben die Österreicher einen Hang zum Fatalismus?

Robin Rumler: Österreich liegt bei allen internationalen Vergleichsuntersuchungen bei der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung, eine Art PISA-Test für Gesundheitswissen, ganz schlecht. Die Gesundheit und das Streben, möglichst lange ohne schwerwiegende Erkrankung älter zu werden, ist hierzulande leider kein erstrebenswertes Gut, sondern wird beiläufig zur Kenntnis genommen. Dann greifen wir wieder zu Bier, Schnitzel und Sachertorte, als gäbe es kein Morgen. Und dann wundern wir uns, wenn chronische Erkrankungen wie Diabetes oder Lungenkrebs und COPD Rekordwerte erreichen. Gerade bei Diabetes ist die Prophylaxe ausbaufähig.

"Österreicher sind bei Gesundheitskompetenz schlecht"

Wie kann die Gesundheitskompetenz verbessert werden?

Im Gegensatz etwa zu Deutschland oder den skandinavischen Ländern ist Gesundheit, gesunde Ernährung und Bewegung bei uns in der breiten Öffentlichkeit noch viel zu wenig Thema. Das Grundverständnis für eine gesunde Lebensführung wird in den Kindergärten und Schulen gelegt. Die Streichung der täglichen Turnstunde ist leider genau das Gegenteil. Daher erreichen die Österreicher im Durchschnitt 59,7 gesund gelebte Jahre, während die Norweger im Schnitt auf 71 Jahre ohne Beeinträchtigung durch Krankheiten kommen. Das müssen wir grundlegend ändern.

Ist an dieser lässigen Haltung gegenüber der eigenen Gesundheit nicht auch die gute Gesundheitsversorgung in Österreich schuld. Ganz nach dem Motto: "Wenn mir etwas wehtut, wird es schon repariert werden"?

Wir können froh sein, in einem Land mit einem derart guten Gesundheitssystem zu leben. Es ist eine Einstellungsfrage. Diese Einstellung entsteht, weil Gesundheit nicht von Politikern und der Gesellschaft vorgelebt werden. Und es lässt sich eben vieles nicht kurieren, bestenfalls therapieren, siehe Diabetes.

Trotzdem ist die Gesundheitsbranche ein wichtiger Faktor in der österreichischen Wirtschaft. Ist das nicht ein Widerspruch?

Österreich hat in der Medizin eine lange und große Tradition. Österreichs Mediziner zählen zu den besten der Welt. Hierzulande bekommt jeder, egal über welches Einkommen er verfügt, immer die am neuesten Stand der Forschung seienden Medikamente. Daher gibt es hier Therapieerfolge, die in vielen anderen Ländern nicht möglich sind. Damit dieses Gesundheitswesen aber weiter bestehen kann, müssen wir es fit für die Zukunft machen.

"Österreicher sind bei Gesundheitskompetenz schlecht"

Es ist zwar gut, aber teuer. Schuld daran seien die hohen Medikamentenkosten, sagt der Hauptverband.

Die Medikamentenkosten betragen in Österreich nur zwölf Prozent der gesamten Ausgaben für die Gesundheit. Während alles andere teurer geworden ist, haben sich diese Kosten im letzten Jahrzehnt deutlich verringert (siehe Grafik, Anm. d. Red.) Weitere Reduktionen würden hier die Forschung in Österreich gefährden. Österreich ist dank der guten Ausbildung von Ärzten und Wissenschaftlern zwar ein guter Standort für Pharmaforschung, aber diese ist teuer. Sie wird nahezu ausschließlich privatwirtschaftlich finanziert. Damit weiter neue Produkte entwickelt werden können, müssen die Unternehmen auch die Möglichkeit haben, ihre Investitionen in die Forschung wieder zu verdienen.

Wenn Sie mehr zu Fachbegriffen, zum Krankheitsverlauf oder zu den neuesten Behandlungsmethoden wissen wollen, einfach Ihre Fragen hier absenden. Unsere Diabetes-Expertinnen und –Experten werden sie umgehend beantworten. Die Antworten werden gesammelt einmal pro Woche hier veröffentlicht.

Kommentare