Das Diabetes-Monster zähmen

Frank Westermann und sein Team haben eine App erfunden, mit der sich Diabetes via Smartphone bekämpfen lässt.

Wir wollten mit unserem Diabetes besser klarkommen und haben die App sozusagen aus Eigenantrieb gegründet", erzählt Frank Westermann über die Anfänge von MySugr, der mittlerweile erfolgreichsten Diabetiker-App. Die Handyanwendung mit dem lustigen Maskottchen soll Patienten helfen, sich spielerisch mit ihrer Erkrankung zu arrangieren. Das ultimative Ziel ist es, am Ende des Tages das eigene "Diabetes-Monster" zu zähmen.

Das Diabetes-Monster zähmen
MySugr

Während es zu Beginn noch jährlich 1000 Nutzer waren, überwachen jetzt schon täglich 1000 Diabetiker ihren Blutzucker mit dem Diabetes-Monster. Mehr als die Hälfte davon in den USA. "Das Ziel bis zum Jahresende sind eine halbe Million User und im nächsten Jahr eine Million", zeigt sich Westermann optimistisch. Dazu hat er allen Grund, denn das Marktpotenzial für das Unternehmen ist groß: 387 Millionen Diabetiker weltweit – Tendenz steigend. Das Gründungsteam aus Frank Westermann, Frederic Debong, Gerald Stangl und Michael Forisch hat sich seit dem Jahr 2012 auf mittlerweile 20 Mitarbeiter erweitert. Die Hälfte lebt selbst mit Diabetes und bringt ihre Erfahrungen in die Produktentwicklung ein.

Elektronisches Tagesbuch

In dem virtuellen Tagebuch kann man seinen Blutzucker, eine Essensbeschreibung mit der Menge an Kohlenhydraten, einem Foto und der Lokalität eingeben und auch, wie viele Insulineinheiten man spritzt. Es hilft dabei, rückwirkend nachverfolgen zu können, wie sich bestimmtes Essen auf den Glukosehaushalt ausgewirkt hat. MySugr lässt sich mit dem Blutzuckermessgerät verbinden, sodass die Daten automatisch übertragen werden. Das funktioniert auch schon mit den ersten kontinuierlichen Glukosemessgeräten.

Das Diabetes-Monster zähmen
MySugr

Dem Diabetes wird durch eine originelle sympathische Monsteranimation ein Gesicht gegeben, die die Therapie mit Motivation und Feedback unterstützt. Für jede Aktion in der App bekommt man Punkte und Reaktionen. Die fallen, je nachdem wie hoch der Blutzucker ist, unterschiedlich aus. Die Anwendung sei auch für Kinder ideal, so Westermann – weil man sich als Elternteil vom eigenen Handy in den Account des Kindes einloggen und dessen Blutzuckerwerte und Insulindosen mitverfolgen kann. (Kostenpunkt: 2,99 Euro monatlich oder 27,99 Euro im Jahr).

Medizinprodukt

"Eines der Probleme, das wir lösen wollen, ist, dass man als Diabetiker nur alle drei Monate einen kurzen ärztlichen Check hat. Aber die eigentliche Therapie passiert in der Zeit dazwischen, wo man auf sich selbst gestellt ist. Da ist es wichtig, dass man gut ausgebildet und motiviert ist", so Westermann. Hier hakt MySugr ein – in Zusammenarbeit mit ärztlichen Beratern, die dabei helfen, die App vom medizinischen Aspekt her aktuell zu halten. Denn MySugr ist ein Medizinprodukt und wird natürlich ständig überprüft. "Wir sind im Moment ein Medizinprodukt der Risikoklasse 1. Aber bald wird es einen Bolusregulator geben, der die benötigte Insulinmenge vor einer Mahlzeit berechnet." MySugr ist die erste App, die so eine Zertifizierung erhält.Erst kürzlich erhielt das Start-up eine Finanzspritze in Höhe von 4,2 Millionen Euro. Zu den Geldgebern zählten Alt-Investor "XLHealth", "Roche Ventures" und "iSeed Ventures". Die Investitionen sollen vor allem in die internationale Expansion gesteckt werden. Die größten Wachstumschancen rechnet sich MySugr dabei in den USA aus. Immerhin gibt es hier die meisten Diabetiker.

- Magdalena Meergraf

Liegt die Diagnose Typ-2-Diabetes erst einmal vor, müssen Betroffene ihren gewohnten Lebensstil radikal ändern. Um diese Aufgabe zu bewältigen, stehen Schulungen am Therapieplan. Für das von MySugr eigens entwickelte Onlinetraining von Typ-2-Diabetikern übernimmt die Sozialversicherungsanstalt (SVA) die Nutzungskosten. Voraussetzung ist, dass man sich in deren Gesundheitsprogramm „Therapie Aktiv“ einschreibt. Der zehnteilige Videokurs basiert auf dem Standardcurriculum der Einschulung, die auch Diabetologen ihren Patienten geben. „Wir haben dieses Curriculum so interessant wie möglich gestaltet“, so Westermann.

Das Diabetes-Monster zähmen

Wenn Sie mehr zu Fachbegriffen, zum Krankheitsverlauf oder zu den neuesten Behandlungsmethoden wissen wollen, einfach Ihre Fragen hier absenden. Unsere Diabetes-Expertinnen und –Experten werden sie umgehend beantworten. Die Antworten werden gesammelt einmal pro Woche hier veröffentlicht.

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