Diagnose Diabetes – was dann

Diagnose Diabetes – was dann
Das ist keine Sache von Tipps und Tricks, sagt Psychologin Friederike Eizenberger.

Die meisten Menschen wissen, wie man ein gesundes Leben führt. Es praktisch umzusetzen, fällt den selben Menschen aber häufig schwer. Mit ein paar Tipps und Tricks ist es nicht getan, um langfristige und stabile Lebensstilveränderungen auf den Weg zu bringen. Ein Gespräch mit Friederike Eizenberger, Fachpsychologin Diabetes sowie Klinische- und Gesundheitspsychologin.

Die Diagnose Diabetes ist ja für viele Menschen ein Schock. Wie kann man damit umgehen?

Friederike Eizenberger: Das ist ganz schlimm bei jungen Menschen, wie es bei Diabetes Typ-1 der Fall ist. Die stehen häufig am Anfang ihres Berufslebens und wollen die Diagnose dann gar nicht wahr haben. "Wer will mich denn noch mit Diabetes? Niemand." Da bricht eine Welt zusammen. In solchen Fällen muss man der Person erst einmal Halt geben. Dann geht es darum, den Prozess auf dem Weg zur Akzeptanz zu unterstützen. Die Betroffenen gewinnen wieder eine gewisse Freundlichkeit sich selbst und ihrem Leben gegenüber.

Kann man das vielleicht sogar produktiv verarbeiten und nützen, um auch andere Änderungen im Leben anzustoßen?

"Die Krise als Chance begreifen." Das sagt man immer so flapsig, aber das ist natürlich ein ganz intensiver Prozess. Ich hatte schon Klienten, die durch die Auseinandersetzung mit der Erkrankung gelernt haben in anderen Kontexten, wie zum Beispiel Beziehungskonflikten, ihren Raum einzufordern und für sich und ihre Bedürfnisse einzustehen.

Wie erleben das Menschen, die mit Diabetes Typ-2 diagnostiziert werden und sich häufig im mittleren Lebensalter befinden?

Die psychologischen Hintergründe sind bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes komplett unterschiedlich. Menschen, die an Typ-1 erkranken, sind sehr motiviert, wieder bestmöglich zurück in ihr Leben zu finden. Bei Typ-2 ist es häufig so, dass die Erkrankung unbemerkt voranschreitet, bis Folgeerkrankungen oder erste körperliche Gebrechen auftreten. Die Sorge um den Arbeitsplatz – wenn ich Diabetes habe, bin ich nicht mehr so konkurrenzfähig – ist oft größer als jene um die eigene Gesundheit.

Es fehlt häufig an Krankheitsbewusstsein und Behandlungsmotivation. Verantwortung für den Verlauf der Erkrankung trägt dann der Arzt oder das Diabetes-Team. Diesen Menschen fällt es schwer, die Motivation zu finden, die es braucht, um die Erkrankung erfolgreich zu behandeln. Konkret bedeutet das, lieb gewonnene Gewohnheiten – Essen, Rauchen, Trinken, Bewegungsmangel – zu überdenken und zu verändern. Manche Betroffene begreifen ihren Diabetes als Familienschicksal: "Das ist genetisch bedingt, dagegen kann ich nichts machen." Dabei wäre es wichtig, das Schicksal anderer Menschen aus dem Freundeskreis oder Familie vom eigenen zu trennen.

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Friederike Eizenberger

Welche Rollen spielen die Diabetiker-Schulungen dabei?

Wenn die Betroffenen eine Diabetes-Schulung erhalten, sind sie erst einmal beruhigt, weil ihnen sehr viel Wissen vermittelt wird. Das verringert die Angst enorm. In den Diabetiker-Kursen ist der motivationale und psychologische Aspekt aber leider vollkommen unterbeleuchtet. Gut gemeinte Vorsätze verschwinden hinter den Gewohnheiten der Patienten. Eine schlechte Stoffwechsellage steht aber häufig in Wechselwirkung mit seelischen Faktoren. Es braucht eine entsprechende psychologische Begleitung, um den Patienten die Möglichkeit zu eröffnen, sich selbst als die primäre Ressource für die Diabetes-Therapie zu begreifen.

Können diese Ängste nicht ein Anstoß sein, um ein gesünderes Leben zu führen?

Angst ist ein schlechter Ratgeber. Das kann kurzfristig positiv sein, ist aber eine Form von Motivation, die mir nicht gefällt. Langfristig bringt das Null, weil die Menschen nicht ins Handeln kommen. Die Zeitverzögerung zwischen Wissensvermittlung und Handlung ist groß, das erhöht das Risiko für eine Krankheitsentwicklung. Spätestens seit Freud wissen wir ja: Ängste werden abgespalten und verdrängt. Da kann man noch so hässliche Bilder auf Zigarettenpackungen geben. Wenn das wirklich einen Effekt hätte, dann dürften die Menschen gar nicht mehr rauchen. Man muss den Menschen sagen, wenn du das wirklich willst, dann kannst du das erreichen. Das muss aber freiwillig passieren. Im Idealfall motiviert die Diagnose dazu, über sich selbst nachzudenken. Das ist aber nur der erste Schritt.

Woher nimmt man dann die Disziplin, um ein gesünderes Leben zu führen?

Ich verzichte in meinen Ansätzen völlig auf das Konzept der Disziplin. Es braucht auch nicht die nächste Beratung mit Tipps und Tricks. Dass kann kurzfristig hilfreich sein. Aber langfristig – und für so eine Veränderung braucht es nachhaltige Motivation – reicht das nicht.

Woher kommt dann diese Motivation?

Die kann nur von einem selber, von innen heraus kommen. Das kann ich nicht für jemand anderen erarbeiten, nur initiieren. Es geht um den inneren Prozess und die ureigensten Bedürfnisse und Wünsche. Der Arzt kann mir noch so oft sagen, ich soll zu rauchen aufhören. Wenn das nicht von mir kommt, wird es nicht funktionieren.

Wie vermeidet man Rückfälle in unliebsame Verhaltensmuster?

Man muss den Rück- als Vorfall begreifen. Sich fragen, wann trinke oder rauche ich denn? Wann esse ich, obwohl ich gar nicht hungrig bin? Im Workshop lasse ich meine Klienten eine Lebensgewichtskurve zeichnen. Wann war ich wie schwer und wann ist was passiert? Häufig hören die Menschen zum Beispiel zum Rauchen auf und nehmen dann dafür zu – ersetzen einfach nur ein Übel durch ein anderes. Um so etwas zu vermeiden, muss man keine Therapie machen. Die meisten Menschen wollen sich ändern und brauchen einfach nur ein wenig Unterstützung dabei.

- Werner Sturmberger

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