Spätfolgen verhindern

Spätfolgen verhindern
Was unbehandelter Diabetes über längere Zeit im Körper auslösen kann.

Diabetes Typ-1 und Typ-2 unterscheiden sich zwar in Ursache und Krankheitsverlauf, sie können aber zu denselben Folgeerkrankungen führen. In beiden Fällen kann der Betroffene aber spätere Komplikationen verhindern, wenn er die Therapieempfehlungen umsetzt.

95 Prozent aller Diabetiker haben einen Typ-2-Diabetes. Ein Mix aus schlechter Ernährung und wenig Bewegung oder genetischer Vorprägung führt zu Insulinresistenz. Dieser Diabetes bleibt nach seinem Auftreten oft längere Zeit unbemerkt. Genau darin liegt die Gefahr. Beim Typ-1 fällt das Risiko einer späten Diagnose weg: Die Autoimmunerkrankung, die zu Insulinmangel führt, entwickelt sich meist schon im Kindes- und Jugendalter.

Gefahr für Blutgefäße

Ist der Blutzucker schlecht eingestellt, kann dies die kleinen Blutgefäße schädigen. So zum Beispiel an der Netzhaut, was zu Gesichtsfeldverlusten führen kann – die diabetische Retinopathie. Jedes Jahr erblinden 200 Menschen an den Folgen. Die diabetische Netzhautveränderung ist wie die altersbedingte Makula-Degeneration eine der häufigsten Ursachen für Erblindung. Für beide Erkrankungen wird derzeit an der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien an der Effizienz mehrerer Medikamente geforscht. "Unsere Analysen und Studien bilden eine Basis für die Zulassung neuer Medikamente. Bei der Behandlung der diabetischen Netzhautdegeneration zeigten aktuelle Studien, dass ein Arzneimittel – Aflibercept – anderen Mitteln überlegen sein könnte", so Forschungsleiterin Ursula Schmidt-Erfurth.

Auch Nerven können bei zu hohem Blutzucker geschädigt werden – die diabetische Neuropathie. Patienten ohne Schmerz- empfinden sind besonders gefährdet für ein diabetisches Fußsyndrom. Chronische Wunden können im schlimmsten Fall eine Amputation notwendig machen. Jedes Jahr werden 2500 Amputationen an Patienten mit Diabetes vorgenommen, das sind 62 Prozent aller Fälle. Auch die diabetische Nephropathie fällt unter die möglichen Spätfolgen bei zu hohem Blutzucker, weil die Nieren schlechter durchblutet werden und sich ihre Funktion verringert.

Herzerkrankungen

Die mit Abstand häufigsten Formen der Langzeitkomplikationen sind Herzerkrankungen, Herzinfarkte und Schlaganfälle. Gerade bei Typ-2-Diabetikern kommen neben hohen Blutzuckerwerten auch Fettstoffwechselerkrankungen und Bluthochdruck vor, was sich wiederum ungünstig auf die großen Blutgefäße auswirkt. Eine "maßgebliche Änderung" in der Behandlung zeigt laut Deutscher Diabetes Gesellschaft das Ergebnis einer neuen Studie, die auf der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes vorgestellt wurde. Sie gibt Grund zur Hoffnung: Das Medikament Empagliflozin senke neben dem Blutzucker die Rate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weil auch der Blutdruck gesenkt wird. Zudem entsteht ein Kalorienverlust, der zu Gewichtsabnahmen bei Patienten führt.

Verhindern kann man Spätfolgen außerdem durch eine Veränderung des Lebensstils – mit mehr Bewegung und richtiger Ernährung. "Wichtig ist, dass man mit dem behandelnden Arzt immer einen Blutzuckerbereich als Ziel festlegt", so Friedrich Hoppichler, Diabetes-Spezialist und ärztlicher Direktor des Krankenhauses Barmherzige Brüder in Salzburg. "Diese Zielwerte soll nicht nur der Arzt kennen, sondern auch der Diabetiker. Denn jeder ist sein eigener Gesundheitsmanager."

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Diabetes-Strategie

Seitens des Bundesministeriums für Gesundheit wird derzeit ein Konzept entwickelt, das die Eckpunkte zur Entwicklung einer österreichischen Diabetes-Strategie festlegt. "Um dem Diabetes auf breiter Basis, sowohl präventiv als auch in der Versorgung, zu begegnen", heißt es aus dem Ministerium. Ein breit angelegter Strategie-Entwicklungsprozess, der alle wesentlichen Stakeholder involviert, ist für nächstes Jahr geplant. "Mir geht es aber dabei nicht primär um die Verhaltensprävention, sondern um die Verhältnisprävention", so Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser auf Anfrage: "Nicht der erhobene Zeigefinger trägt zur Gesundheit der Menschen bei, sondern das entsprechende Angebot an Bewegungs- möglichkeiten und gesunder Ernährung – und zwar nicht nur in ausreichender Menge und Qualität, sondern auch möglichst niederschwellig verfügbar."

Prävention statt Reparatur

Die Initiative SIPCAN (Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition), vor zehn Jahren von Friedrich Hoppichler gegründet, engagiert sich besonders für Präventionsprogramme in Schulen: "Wir setzen auf schulische Gesundheitsförderung, denn gerade im Kindesalter ist es besonders wichtig, Übergewicht vorzubeugen um dadurch Diabetes im späteren Alter zu vermeiden."

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Primar Univ Prof Dr Friedrich Hoppichler *** Local Caption *** Friedrich Hoppichler Dr

SIPCAN bietet in ganz Österreich Schulungen für betriebliche Gesundheitsförderung, für Buffets und Kantinen. Gleichzeitig vermitteln die Mitarbeiter den Schülern im Biologieunterricht eine vernünftige Lebensführung. Also Verhältnis- und Verhaltensprävention gleichermaßen. Auf diesem Weg könne man weg von kostspieliger Reparaturmedizin hin zur Präventivmedizin kommen, ist Hoppichler überzeugt: "Es braucht die Vermittlung von Risikobewusstsein, Motivation zu einer gesünderen Lebensführung und Übernahme von Eigenverantwortung. Verhältnisprävention andererseits kann nur die Politik erreichen." Von der Politik kämen aber oft nur Lippenbekenntnisse, so Hoppichler. Das Problem der politisch motivierten Projekte sei ihre fehlende Nachhaltigkeit. Im Gesundheitsministerium ist man hingegen stolz, im Rahmen der Initiative "Unser Schulbuffet" von 2011 bis 2014 ein Drittel der Schulbuffets durch intensive Beratung und Betreuung zur Umstellung auf ein gesundheitsförderliches Angebot überzeugt zu haben.

- Magdalena Meergraf

Wenn Sie mehr zu Fachbegriffen, zum Krankheitsverlauf oder zu den neuesten Behandlungsmethoden wissen wollen, einfach Ihre Fragen hier absenden. Unsere Diabetes-Expertinnen und –Experten werden sie umgehend beantworten. Die Antworten werden gesammelt einmal pro Woche hier veröffentlicht.

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