90.000 Euro Schadenersatz für ungewollte Schwangerschaft

Eine Frau lässt sich ein Hormonstäbchen zur Verhütung einsetzen - und wird schwanger.
Eine Frau lässt sich ein Hormonstäbchen zur Verhütung einsetzen - und wird schwanger. Nun muss ihr Frauenarzt Schadenersatz zahlen.

Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Frau Anfang 30. Zusammen mit ihrem Partner beschließen Sie nach der Geburt Ihrer beiden Kinder die Familienplanung endgültig abzuschließen. Um eine weitere Schwangerschaft zu verhindern, setzen Sie in Absprache mit ihrem Gynäkologen auf eine hormonelle Methode zur Langzeitverhütung. Doch etwas läuft schief – und Sie werden schwanger mit Zwillingen. Der Süddeutschen Zeitung zufolge ist genau das einer Münchnerin passiert.

Ein Hormonimplantat zur Langzeitverhütung

Nachdem die 32-jährige Deutsche und ihr Ehemann, ein gut situiertes Paar, beschlossen, keine weiteren Kinder mehr bekommen zu wollen, wandte sich die Frau 2011 an ihren Frauenarzt. Dieser empfahl ihr eine Verhütung mittels dem "Implanon"-Hormonstäbchen. Bei dieser Form der hormonellen Empfängnisverhütung wird ein Kunststoffstäbchen, indem sich der Wirkstoff Etonogestrel befindet, mit einer Spritze im Oberarm unter die Haut gesetzt. Dort verströmt es gleichmäßig Hormone, die eine ungewollte Schwangerschaft verhindern sollen.

Bereits kurz nach dem Einsetzen des Hormonimplantats begann die Frau unter Schlappheit und Schwindelgefühlen zu leiden. Eine gängige Nebenwirkung des Hormonpräparats, wie der Arzt ihr versicherte. Nach vier Monaten dann die Schocknachricht: Die 32-Jährige war schwanger mit Zwillingen. Die "ungeplanten" Zwillinge, ein Bub und ein Mädchen, kamen im August 2012 per Kaiserschnitt zur Welt.

Stäbchen war verschwunden

Rätselhaft bleibt, wie und warum es zu der Schwangerschaft kam. Untersuchungen zeigten, dass sich das Implantat zum Zeitpunkt der Feststellung der Schwangerschaft nicht mehr im Oberarm der Frau befand. Auch das empfängnisverhütende Hormon war nicht mehr im Blut der Patientin nachweisbar.

Aufgrund der durch die Schwangerschaft bedingten kostspieligen Veränderung der Lebensumstände, sah sich die Familie mit einer schwierigen Situation konfrontiert. Das Ehepaar musste ihre zuvor teuer umgebaute Wohnung rückbauen lassen, umziehen und die Zweifachmutter in ihrem Job pausieren. Grund genug für das Paar vor Gericht zu ziehen. Der Vorwurf: Der Arzt habe das Hormonstäbchen nicht korrekt eingesetzt. Die daraus resultierende Schwangerschaft sei demnach seine Schuld.

Die Rechtanwältin des Paares betonte der Süddeutschen Zeitung zufolge vor Gericht, dass sich die Eltern "jeden Tag an ihren nunmehr vier Kindern erfreuen". "Eine sechsköpfige Familie entsprach jedoch nicht deren Lebensplanung, die sie mit der sichersten zur Verfügung stehenden Verhütungsmethode umsetzen wollten", so die Anwältin.

Zwei Gutachten und 90.000 Euro Schadenersatz

Nach zwei Gutachten wurde schließlich ein Behandlungsfehler bestätigt, beziehungsweise ein Produktfehler, ein unbemerktes Herausfallen des Stäbchens oder ein Abtransport durch die Blutgefäße ausgeschlossen. Zunächst schlug das Gericht eine Entschädigung in Höhe von 60.000 Euro vor. Die Kläger lehnten dies ab. Schließlich einigte man sich auf satte 90.000 Euro, die die finanzielle Zusatzbelastung, die durch die ungewollte Schwangerschaft entstanden sei, abdecken sollen.

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