Putin konferiert mit Erdogan - wegen einem AKW

Die Türkei und Russland haben nicht immer die selben Interessen. Aber oft. Und beide Machthaber haben ähnliche Probleme.

Während Deutschland vor kurzem seine letzten Atomkraftwerke abgeschaltet hat, sollen im südtürkischen Akkuyu in den nächsten fünf Jahren alle vier seit 2018 neu errichteten Reaktoren in Betrieb genommen werden. So weit, so gut. Oder auch nicht, das Gebiet gilt als stark erdbebengefährdet. Wären da nicht die Protagonisten bei der feierlichen Zeremonie zur Anlieferung der Brennstäbe. Russlands Machthaber Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Es ist der erste öffentliche Auftritt Erdogans
nach seinem wegen Magenproblemen unterbrochenen TV-Interview letzten Dienstag. 

„Damit gehöre das Land, wenn auch mit 60-jähriger Verspätung, zur Liga der Kernkraftwerkstaaten“ sagt Erdogan bei der Videoschaltung mit Putin, und sein Gegenüber gratuliert „zu einem der größten gemeinsamen Projekte der russisch-türkischen Beziehungen.“  

Erdogan befindet sich im Wahlkampf, Putin im Krieg. Die Türkei übt sich seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine vor 14 Monaten in einem Balanceakt. Liefert moderne Kampfdrohnen an Kiew, macht aber als einziges NATO-Land bei den westlichen Sanktionen nicht mit. Das Land am Bosporus ist Zufluchtsort für Oppositionelle und Kriegsdienstverweigerer aus Russland ebenso wie für Oligarchen, die ihr Vermögen hierher in Sicherheit bringen können. Mit dem Getreidedeal letzten Juli gelingt Ankara ein diplomatischer Coup.

In Syrien verfolgen die beiden Länder unterschiedliche Ziele, die Türkei greift immer wieder kurdische Gebiete im Norden an und hält Teile von ihnen Besetzt, 2019 kommt es zu einer größeren Militäroffensive. Russland versteht sich als Schutzmacht des syrischen Diktators Assad,
und krätscht zunächst militärisch, dann diplomatisch dazwischen. Anfang der Woche finden in Moskau Gespräche auf Verteidigungsministerebene statt, um die Türkisch-Syrischen Beziehungen zu verbessern. Am Verhandlungstisch sitzt auch der Iran. Erstmals nach langem sind einzelne Grenzübergänge nach dem schweren Erdbeben im Februar geöffnet worden. Erdogan kann jede PR im In- und Ausland brauchen, Spekulationen über eine Krankheit gar nicht.

Seit Donnerstag wählen drei Millionen Auslandtürken, Umfragen zufolge wird die Wahl am 14. Mai ein Kopf- an Kopfrennen mit dem Oppositionsführer. Putin geht es ähnlich.Die Pentagon-Leaks haben Gerüchte über seinen Gesundheitszustand angefeuert, die sogenannte Militäroperation läuft alles andere als geplant, und auch in Russland wird 2024 gewählt. Da kann ein wenig Propaganda in Form der jährlichen Militärparade am Roten Platz anlässlich des Sieges im zweiten Weltkrieg nicht schaden, für die in Moskau schon eifrig geprobt wird.

Kommentare