Immer mehr Kinder von Erpressung mit Nacktfotos betroffen

Immer mehr Kinder und Jugendliche werden in den sozialen Medien Opfer von Nacktfoto-Erpressung. 327 Beratungsgespräche führte "Rat auf Draht" im Jahr 2024 mit Kindern und Jugendlichen zu dieser Thematik, was einer erneuten Steigerung von rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Bereits von 2022 auf 2023 wurde ein Anstieg von 29 Prozent gemessen. Die Dunkelziffer der Betroffenen dürfte jedoch viel höher sein, bringt doch nicht jeder betroffene Mensch den Mut auf, sich jemandem anzuvertrauen.
Oper sind männlich
Unter den Opfern finden sich weiterhin deutlich mehr Burschen und junge Männer, auf die rund 72 Prozent oder der Gespräche entfallen (235 Beratungen), mit Mädchen und jungen Frauen wurde 92mal zu Sextortion gesprochen (rund 28 Prozent). Allerdings hat der Anteil an Frauen im Vergleich zum 2023 deutlich zugenommen, damals lag das Verhältnis bei rund 17 Prozent weiblichen zu rund 83 Prozent männlichen Anrufer.
Opfer werden immer jünger
"Besonders alarmierend ist, dass die Betroffenen immer jünger werden", sagt Birgit Satke, Leiterin des Beratungsteams von Rat auf Draht. So wurde in der Alterskategorie der 11-14-Jährigen der größte Zuwachs bei den Beratungen verzeichnet (plus 178 Prozent). Die Masche der Erpresser ist hingegen immer gleich:
Betroffene werden in Online-Games angesprochen
Die Opfer werden über soziale Netzwerke (Instagram, Snapchat & Co.), aber mittlerweile auch stark über Dating Plattformen oder in Online-Games von attraktiven Personen angesprochen, die ihnen schmeicheln und sexuelle Absichten vortäuschen. In der Folge werden die Opfer aufgefordert, ebenfalls Videos oder Nacktfotos von sich zu senden.
Geldbetrag gefordert
Gehen die Jugendlichen darauf ein, so ändert sich die "erotische" Stimmung abrupt und sie werden aufgefordert, einen gewissen Geldbetrag zu zahlen. "Ansonsten drohen die Täter damit, das Material in sozialen Netzwerken zu posten oder direkt an Freunde oder Freundesgruppen der Betroffenen zu senden. Mittlerweile wird auch als Zeichen, dass die Erpresser es ernst meinen, oft vorab ein Bild oder Video an eine Person oder bestimmte Gruppe gesandt, um der Forderung Nachdruck zu verleihen", sagt Satke.
Gezielter Einsatz von KI
Neu ist auch, dass die Erpresser immer stärker auf KI setzen, wie aus diversen Beratungen bei Rat auf Draht hervorgeht: "Das passiert auf zwei Arten. Zum einen verwenden sie KI generierte Bilder oder Videos, um Jugendliche die Falle zu locken. Sprich die Person, von der die Opfer angeschrieben werden und die zu sehen ist, existiert nicht wirklich.
Zum anderen verwenden die Täter auch KI generierte Bilder, die das vermeintliche Opfer zeigen sollen, um es zu erpressen", erklärt Satke. Obwohl die Aufnahmen gar nicht sie selbst zeigen würden, seien der Leidensdruck, die Scham und die Schuldgefühle der Betroffenen genauso hoch wie bei echten Aufnahmen, so die Expertin weiter.
Sich zu wehren hilft
Den Opfern bieten sich allerdings Möglichkeiten, sich gegen Sextortion zu wehren: "Trotz Schock und Verzweiflung ist ganz wichtig, nicht auf die Forderungen einzugehen und nicht zu bezahlen", sagt Satke. Die Erfahrung zeigt, dass dies nicht vor einer Veröffentlichung schützt und eher eine Aufforderung für die Täter ist, es erneut zu versuchen. Zudem sollte der Kontakt umgehend abgebrochen und Beweise (Screenshots vom Erpressungschat) gesichert werden.
Wurden bereits Bilder oder Videos veröffentlicht, sollte dies sofort bei der jeweiligen Plattform gemeldet werden. Satke: "Eine Anzeige bei der Polizei ist ebenfalls anzuraten, da es sich hierbei um einen Straftatbestand handelt".
Online-Tools
Abhilfe können auch zwei Online-Tools schaffen, die eine weitere Veröffentlichung der Nacktaufnahmen verhindern können: "Take it down", für Personen unter 18 Jahren und "Stop Non-Consensual Intimate Image Sharing (STOPNCII" für Erwachsene, verhindern den Upload von intimen Bildern oder Videos auf Instagram, TikTok, Facebook, Onlyfans, Pornhub & Co. Zur Nutzung dieser Tools müssen die Bilder und Videos noch auf einem Endgerät gespeichert sein.
"Auf dem Gerät wird ein digitaler Fingerabdruck von dem Foto oder Video erstellt und an den Dienst übermittelt, der es den Onlineplattformen ermöglicht, intime Bilder oder Videos zu identifizieren und eine Veröffentlichung zu verhindern", erklärt Satke. Die Bilder verbleiben auf dem Gerät des Users und werden nicht hochgeladen. Eine Schritt für Schritt-Anleitung findet sich hier.
Um Phänomene wie Sextortion dauerhaft einzudämmern, sind allerdings präventive Maßnahmen, wie etwa die Förderung von Medienkompetenz und Sexualerziehung bereits ab frühester Kindheit an, nötig. "Je mehr Kinder und Jugendliche darüber wissen, desto besser können sie sich schützen und selbstbewusster reagieren. So werden sie auch für Täter weniger reizvoll und interessant", so Satke.
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