Liebeskummer nimmt kein Ende? Limerenz kann der Grund sein
Eine junge Frau steht inmitten eines chaotischen Wohnzimmers, Boden und Couch sind überhäuft mit Kleidungsstücken. Die Kamera schwenkt einmal um sie herum und gegen Ende des kurzen Clips schüttelt die Blondine den Kopf. Ein Text-Overlay ziert das TikTok-Video: "Mein schlimmster Absturz war, als ich ein Jahr brauchte, um über einen Typen hinwegzukommen, den ich zweimal gesehen habe."
Binnen weniger Stunden ging das Video von Model und Influencerin Evie Maree McClelland viral und wurde inzwischen über 2,5 Millionen Mal ausgespielt. In der Kommentarspalte sticht vor allem ein Begriff ins Auge, der öfter genannt wird: "Limerence". Was hat es damit auf sich?
Welche Bedeutung hat "Limerence"?
Die US-amerikanische Psychologin Dorothy Tennov erkannte dieses Phänomen in den 1970ern, als sie mehr als 500 Personen zum Thema Liebe und Verliebtheit befragte. Dabei fiel ihr ein besonderes Muster auf: ein unwillkürliches, überwältigendes Verlangen nach Wertschätzung und Aufmerksamkeit durch eine andere Person.
Bei Limerenz handelt es sich um einen intensiven, oft schon obsessiven Zustand der Verliebtheit, der durch starke emotionale Abhängigkeit und dem Verlangen nach Erwiderung der Gefühle durch das Gegenüber gekennzeichnet ist. Diplom-Psychologin und Therapeutin Bettina Fromm schreibt Limerenz einen "suchtartigen Charakter" zu, bei der "eventuelle Unstimmigkeiten ausgeblendet werden."
Folgende Merkmale weist Limerenz auf:
- Intensive Sehnsucht nach Erwiderung: Eine Person, die Limerenz erlebt, sehnt sich außergewöhnlich stark danach, dass die andere Person, die als "limerenter Partner" bezeichnet wird, die eigenen Gefühle erwidert.
- Emotionale Abhängigkeit: Die Stimmung der Betroffenen hängt stark vom wahrgenommenen Verhalten des limerenten Partners ab. Ein Lächeln oder eine nette Geste können ein Gefühlshoch auslösen, während eine vermeintliche Zurückweisung starken emotionalen Schmerz und Verzweiflung verursacht.
- Zwanghafte Gedanken: Die betroffene Person denkt obsessiv und unkontrolliert über den limerenten Partner nach, oft auf eine Weise, die den Alltag stört, da die Gedanken permanent um das "Objekt der Begierde" kreisen.
- Ritualisiertes Verhalten: Gemeinsam erlebte Situationen werden immer und immer wieder in Erinnerung gerufen und neu interpretiert. Zudem werden Nachrichten und Beiträge in den sozialen Medien des limerenten Partners wiederholt gelesen.
- Idealisierung: Der limerente Partner wird häufig idealisiert und auf ein Podest gestellt. Negative Eigenschaften und Verhaltensweisen werden entweder ignoriert oder schöngeredet.
- Physiologische Reaktionen: Ist der limerente Partner in der Nähe, können starke körperliche Reaktionen wie Schweißausbrüche oder Herzklopfen auftreten.
Ursachen von Limerenz
Die britische Sexualtherapeutin Cate Mackenzie erklärt gegenüber dem Onlinejournal Brides, dass die Ursachen von Limerenz in mangelndem Selbstbewusstsein liegen können: "Unter der Limerenz verbirgt sich die Angst, mit sich selbst alleine zu sein. Meist fehlt hier die Selbstliebe." Die Expertin führt aus, dass der Zustand sich erst dann ändert, wenn man für sich selbst einsteht, "[...] Grenzen setzt und Verhaltensregeln festlegt, um sich selbst besser zu behandeln."
Wie lange dauert der Zustand der Limerenz an?
Die obsessive Verliebtheit kann Wochen, Monate oder sogar Jahre anhalten, abhängig davon, ob die eigenen Gefühle erwidert werden, wie sich die Situation entwickelt und wie gut es einem gelingt, für sich selbst einzustehen, Grenzen zu setzen und (wieder) Eigenverantwortung zu übernehmen.
Austausch in TikToks Kommentarspalte
Aus nicht erwiderten Gefühlen resultiert häufig ein schier nicht enden wollender Herzschmerz, mit dem Limerenz einhergeht. So wie im Falle von Content Creatorin Evie Maree McClelland, die im Netz viel Zuspruch für ihre Offenheit erntet.
Zahlreiche Userinnen teilen ihre eigenen Erfahrungen mit diesem Phänomen. "Ich habe fast zwei Jahre gebraucht, um über meine 3-monatige Situationship hinwegzukommen", kommentiert eine Nutzerin. Eine andere schreibt: "Leute, warum passiert das so vielen von uns? Das ist nicht normal ... wurden wir alle als Kinder nicht genug umarmt?"
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