Angenommen, die Welt in Österreich wäre für Frauen und Männer gleich: Dann würde sie so viel verdienen wie er, sie so viel arbeiten wie er, er so lange in Karenz sein wie sie und Mann und Frau würden sich zu gleichen Teilen um die Familie kümmern.
Diese Annahme ist reine Fantasie.
Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt, beim Einkommen und beim Engagement in der Familie gibt es in Österreich nicht. Eine neue Studie des WIFO und des AMS, der "
Gleichstellungsindex Arbeitsmarkt", liefert dafür erstmals genaue Daten. Dafür wurden 30 Indikatoren aus 14 Datenquellen gebündelt. Studienautorin Julia Bock-Schappelwein vom WIFO: "Der Frauenwert in Prozent des Männerwertes spiegelt das Geschlechterverhältnis wider." Im Gesamtindex Arbeitsmarkt erreichten Frauen 71 Prozent des Männerwertes, das heißt, es gibt noch 29 Prozent Ungleichstellung.
Die einzelnen Bundesländer liegen im Vergleich ungefähr gleichauf, die großen Ausreißer sind
Wien (positiv, 81 Prozent Frauenwert) und Vorarlberg (negativ), wo es den größten Unterschied mit 63 Prozent gibt. Der gute Gleichstellungsindex für Wien ist auf die Branchenstruktur, auf die Beschäftigungsmöglichkeiten für Hochqualifizierte in der Bundeshauptstadt und das Angebot der ganztägigen Kinderbetreuung zurückzuführen. Auch beim Einkommen ist Wien ein positiver Ausreißer: Während die Indikatoren einen durchschnittlichen Österreichwert von 67 Prozent (von dem der Männer) ergeben, sind es in Wien 83 Prozent.
Familie ist Frauensache
Beim Thema Bildung zeigt sich, dass Frauen besser ausgebildet sind und die Bereitschaft, sich weiterzubilden, stärker vorhanden ist. Frauen überschreiten die 100 Prozent der Männer um satte 18 Punkte. "Die höhere Bildung der Frauen führt aber nicht zu einer Gleichstellung am Arbeitsmarkt", so Hilde Stockhammer vom AMS. Wesentlicher Grund dafür ist der Themenbereich Familie, wo das größte Gleichstellungspotenzial liegt. Der Frauenwert beläuft sich hier nur auf 40 Prozent (Gleichstellung gäbe es bei 100 Prozent). Heißt, Frauen übernehmen nach wie vor den Großteil der unbezahlten Arbeit in der Familie. Männer gehen selten in Karenz.
"Der Gleichstellungsindex zeigt, wo Handlungsbedarf besteht, und macht politische Maßnahmen ableitbar", so die Autoren. Die Werte sollen zweijährlich aktualisiert werden, um Veränderungen sichtbar zu machen.
Info
Frau und ArbeitÖsterreichs Frauen stehen fest im Erwerbsleben: 71,1 % arbeiten (EU-Schnitt: 66 %), allerdings 45,5 % nur in Teilzeit. Das bedingt auch das 39 % geringere Bruttojahreseinkommen. Durchschnittliche Kinderzahl pro Frau: 1,44 (mit 28 Jahren). 2014 waren im Jahresschnitt 42,5 % der Arbeitslosen weiblich. Bei der Bildung sind Frauen top: 58,3 % der Maturaabschlüsse und 58,7 % der Uniabschlüsse werden von Frauen erlangt.
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