Mit ihr ist der Weltfriede gestorben
Ihr Leben lang hat sie für den Frieden gekämpft. Doch als sie starb, musste mit ihr der Traum einer Welt begraben werden, die keine Kriege kennt. Nur eine Woche nach Bertha von Suttners Tod fallen die Schüsse von Sarajewo, deren Folgen schlimmer waren als die Friedensnobelpreisträgerin es sich je vorstellen konnte.
Sie wurde als Gräfin Kinsky in eines der vornehmsten Geschlechter der Monarchie hineingeboren, konnte aber die Privilegien ihrer Herkunft nicht genießen, da ihr Vater kurz vor ihrer Geburt gestorben war und ihre Mutter als "nicht standesgemäß" galt. Das führte dazu, dass heiratsfähige Männer aus ihrer Gesellschaftsschicht einen großen Bogen um die junge Bertha Kinsky machten. Zwar bekundeten Ringstraßenbarone und andere Edelmänner ihr Interesse, zogen sich aber wieder zurück, als klar war, dass die Comtesse über kein Vermögen verfügte: Ihre Mutter hatte das Erbe ihres Mannes am Spieltisch verloren.
Die Lovestory
Bertha war bereits 30 und hatte die Hoffnung, jemals der wahren Liebe zu begegnen, aufgegeben, als sie 1873 eine Stelle als Erzieherin bei der Familie Suttner in deren elegantem Palais in der Wiener Canovagasse antrat. Das Ehepaar hatte vier Töchter und vier Söhne. Die Töchter erhielten von Bertha Sprach- und Musikunterricht, der jüngste Sohn verliebte sich in sie – und sie erwiderte seine Liebe, wobei klarerweise alles streng geheim bleiben musste. Als Arthurs Mutter der Beziehung nach drei Jahren dennoch auf die Spur kam, wurde Bertha entlassen. Ihr Sohn – noch dazu sieben Jahre jünger als sie – sei für eine weit bessere Partie bestimmt, tobte die Baronin.
Sekretärin bei Nobel
Um Fräulein Kinsky möglichst schnell loszuwerden, suchte Frau von Suttner in Zeitungsannoncen eine Stelle für Bertha. Und da war sie auch schon: "Reicher, in Paris lebender Herr sucht sprachkundige Dame als Sekretärin und Hausdame." Die Baronin fand heraus, dass es sich bei dem Herrn um keinen Geringeren als Alfred Nobel, den berühmten Erfinder des Dynamits, handelte.
Reise nach Paris
Der ob des Verlusts ihrer großen Liebe verzweifelten Bertha blieb nichts anderes übrig als die Stelle anzutreten. Sie fuhr nach Paris und lernte den gebürtigen Schweden Alfred Nobel als klugen und feinsinnigen Mann kennen. Nobel sprach viel über die schrecklichen Kriege, von der die Welt beherrscht würde – ausgerechnet er, der durch die Erfindung des Dynamits reich geworden war!
Doch vorerst hat Bertha anderes im Kopf. Arthur schreibt, dass er ohne sie nicht leben kann, sie verlässt Paris, um dem Geliebten in Wien in die Arme zu sinken. Sie schwören einander ewige Liebe und gehen hinter dem Rücken seiner Eltern eine geheime Ehe ein, womit Arthur auf sein Erbe verzichtet. Unmittelbar nach der Hochzeit flüchten sie in den Kaukasus.
Ein blutiger Krieg
Das Paar erlebt hautnah die blutigen Auswirkungen des gerade tobenden Russisch-Türkischen Krieges und Bertha beschließt – inspiriert durch die Gespräche mit Alfred Nobel – fortan für den Frieden zu kämpfen.
Sie und Alfred sind neun Jahre auf der Flucht, bis 1885 endlich der erlösende Brief seiner Eltern eintrifft, mit dem sie Sohn und Schwiegertochter verzeihen. Die Beiden kehren zurück und lassen sich auf dem Suttnerschen Landsitz Schloss Harmannsdorf in Niederösterreich nieder, wo Bertha nun ihren großen Roman "Die Waffen nieder!" schreibt.
Nobel ist begeistert
Das Buch erregt mit seiner plakativen Forderung nach Frieden Aufsehen und verschafft der Autorin über Nacht weltweite Publizität. Bertha von Suttner tritt für die Verwirklichung ihrer Ideen ein, gründet Friedenszeitschriften, hält Vorträge, schreibt weitere Bücher, beruft Kongresse und setzt sich für die Schaffung eines internationalen Schiedsgerichts zur Sicherung des Weltfriedens ein. Und sie trifft Alfred Nobel wieder, der sich für ihre pazifistischen Ideen begeistert.
Als Nobel 1896 im Alter von 71 Jahren stirbt, ist das ein harter Schlag für Bertha. Aber sie empfindet es als Trost, dass er als einer der reichsten Männer seiner Zeit ein Testament hinterlässt, das auf ihre Anregung erstellt wurde. Der überwiegende Teil seines Vermögens dient der Gründung einer Stiftung, aus deren Zinsen jedes Jahr zu gleichen Teilen an fünf Frauen und Männer Preise verliehen werden, die der Menschheit großen Nutzen gebracht haben. Neben Leistungen für Physik, Chemie, Medizin und Literatur gibt es auch einen Preis für Verdienste um den Weltfrieden.
Der Nobelpreis
Bertha von Suttner erhält den Friedensnobelpreis im Alter von 62 Jahren als erste Frau. Durch diese Ehrung wird die bis dahin vielfach als "Träumerin" und "Spinnerin" verspottete Baronin zur international geachteten Persönlichkeit. Alle Welt hört der "Friedens-Bertha" zu, der es darum geht, Staatsmänner wie einfache Menschen davon zu überzeugen, dass Kriege nicht als selbstverständliche politische Konsequenz zu führen sind. Sondern, dass es immer einen friedlichen Ausweg geben muss.
Doch ihre Appelle gehen sehr bald im Bombenhagel unter. Nur sieben Tage nach dem die Friedensnobelpreisträgerin stirbt, haben die Schüsse von Sarajewo den Ersten Weltkrieg zur Folge.
Mit ihrem Tod am 21. Juni 1914 ist es Bertha von Suttner erspart geblieben, die Zerstörung ihres Lebenswerks mitansehen zu müssen.
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